Herzlich willkommen zur Retrospektive der Woche der illusorischen Hoffnung. Für einige Tage existierte eine reale Chance darauf, die Euphorie der Fussball-Europameisterschaft könnte in eine alternativsportliche Anschlussverwendung konvertieren und die 80 Millionen Bundestrainer nahtlos zu 80 Millionen Olympia-Fachleuten werden lassen.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Immerhin hatte die EM mit einer handfesten kollektiven Panikattacke im Anti-Gender-Lager begonnen, als man sich im bildungsunterkühlten Feuchtbiotop der Homophobie-Jetsetter durch pinke Nationaltrikots in seiner Männlichkeit bedroht fühlte. Da lag es durchaus nahe, der Gunst des Schicksals zu vertrauen und zu hoffen, die Echauffier-Industrie würde das Momentum nutzen und sich mit vergleichbarem Phobie-Enthusiasmus in die Olympia-Kritik stürzen.

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Ansatzpunkte bot die von einem offenbar hauptsächlich aus Annalana Baerbocks Staatssekretärinnen bestehenden Organisationskomitee choreographierte Eröffnungszeremonie für die Spiele der XXXIII. Olympiade in Paris zuhauf. Mit dem blau gebodypainteten Schlumpf, der mit seiner Geschlechteridentität offenbar noch nicht ganz im Reinen ist, den diversen Woke-Momenten, einem apokalyptischen Reiter, der zusammenhanglos über die Seine glitt und dem LGBTQ-Abendmahl, bei dem ausgerechnet eine Drag-Queen den Platz von Jesus einnahm, hatte die zukunftsscheue "Für immer 1950"-Fraktion eigentlich genug enervierendes Potenzial, um sich mindestens bis zum Tag der Deutschen Einheit im eigenen Patrioten-Sumpf zu suhlen.

Olympia: Doch nicht nicht woke genug?

Aber, Sie ahnen es anhand der Einleitung womöglich schon: Es kam anders. Zwar schwangen sich die Chefkommentatoren für ein Deutschland in den geistigen Grenzen von 1955 zuverlässig zum Abgesang auf die europäische Kultur auf, aber irgendwie wollte der anhand von zu vielen Regenbogenfarben heraufbeschworene Horror-Modus bei der ansonsten stabil für intellektuellen Brechdurchfall empfänglichen, rechten Krawallzielgruppe nicht so richtig in Hysterie münden. Vermutlich eine herbe Enttäuschung für die Lautsprecher der selbsternannten Anti-Woke-Rebellen um Deutschlands intellektuelle Vorhut Wolfgang Kubicki, Christoph Ploss, Til Schweiger oder die als Nachrichtenmagazin getarnte AfD-Soufflier-Behörde "NiUS".

Selbst der deutsche Fahnenträger (Basketballer Denis Schröder) konnte sich ob seiner umgekehrt proportional zu Boris Becker stehenden Hautfarbe lediglich auf die traditionell sattelfest mit einer Rechtschreibfehlerquote von 1:3 operierende Deppen-Brigade aus Stolzmonat-Ultras verlassen. Flächendeckende Revolten-Atmosphäre wollte den Hütern des arischen Grals dieses Mal nicht gelingen. Der Fussball ist der geschundenen Remigrationscombo offenbar doch noch deutlich näher als die olympischen Ringe. Das ist allerdings auch nur zu verständlich, denn immerhin bestehen diese Ringe aus den Farben Blau, Schwarz. Grün, Rot und Gelb - und sind damit quasi vom verhassten Regenbogen, der uns bereits den WM-Sieg in Katar gekostet hatte, kaum mehr zu unterscheiden. Wenn jetzt noch irgendwer im deutschen Olympia-Team gendert, ist wohl damit zu rechnen, dass neben dem ÖRR am Ende höchstens noch die "taz" über die Spiele von 2024 berichtet. Und die "Emma" natürlich, denn der niederländische Olympiateilnehmer und Beachvolleyballer Steven van de Velde ist ein verurteilter Sexualstraftäter und war bereits wegen sexuellen Missbrauchs einer 12-Jährigen in Haft. Da sollte das Fachmagazin für Deeskalation doch noch den einen oder anderen Leitartikel parat haben, in dem den missbrauchten Minderjährigen nahegelegt wird, sie hätten ja eventuell auch versuchen können, den Angreifer mit der Aussicht auf Verhandlungsbereitschaft zu besänftigen.

Trump El Tier

Weitestgehend olympiafrei lief die Woche derweil in den Vereinigten Staaten ab. Während sich Donald Trumps Umfragewerte umgekehrt proportional zum Heilungsverlauf seines vermeintlich angeschossenen rechten Ohrs entwickeln, verbucht seine neue Gegnerin Kamala Harris einen Erfolg nach dem anderen: Gigantische Spendeneinnahmen zur Finanzierung ihres Wahlkampfes und hochrangig prominente Unterstützer pflastern ihren Weg. Von George Clooney über Barbara Streisand, John Legend, Ariana Grande, Katy Perry und Jamie Lee Curtis bis hin zu Michelle und Barack Obama versammelt sich innerhalb von wenigen Tagen das Who is Who der US-Celebritywelt hinter der Frau, die die erste Präsidentin der Geschichte Amerikas werden kann. Letztere, also das ehemalige Präsidenten-Couple Obama, sorgte mit einem emotionalen und motivierenden Anruf bei Harris für Aufbruchstimmung, das innerhalb von Minuten viral ging. Absoluter Glücksfall für Kamala Harris, dass beim Anruf der Familie Obama zufällig ein professionelles Kamerateam aus mehreren Winkeln mitfilmte.

Auch die Umfragewerte von Harris sorgen für verwunderte Aufmerksamkeit im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Bis zum Tag von Joe Bidens Rückzug aus dem Kandidatenrennen bei den Meinungsforschern hatte man Harris im direkten Vergleich zu anderen Präsidentschafts-Kandidaten nämlich noch bei eher mageren 20 Prozent gesehen und damit das Trump-Lager in verfrühtes Siegesgeheule einstimmen lassen. Inzwischen, keine Woche später, lacht im Wahlkampfteam des einzigen Mannes, der jemals aus einem "Kevin allein"-Film rausgeschnitten wurde, keiner mehr: Kamala Harris hat Trump bereits überrundet, was die ersten Umfragewerte betrifft. Vor allem in den als so genannte Swing-States bekannten Bundesstaaten, die sich nicht traditionell eindeutig entweder den Demokraten oder den Republikanern zuordnen lassen und die dadurch für die Wahl besonders interessant werden, hat sie in rekordverdächtigem Tempo aufgeholt. Plötzlich liegt sie in Minnesota genau so klar vorne wie in Michigan, Pennsylvania oder Wisconsin, wo sie die Werte der Demokraten von 38 Prozent (im April 2024 für Joe Biden) auf sagenhafte 59 Prozent heraufschrauben konnte.

Man muss kein Genie sein, um zu erahnen, dass es für einen "Grab them by the Pussy"-Verfechter wie Donald Trump sowas wie der Superbowl der Niederlagen wäre, am Ende wieder nicht Präsident zu werden, und dann auch noch gegen eine Frau verloren zu haben. Eine PoC-Frau, die in ihrer Amtszeit als Generalstaatsanwältin und Justizministerin von Kalifornien eine stärkere Kontrolle von Waffen und die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Ehen durchsetzen konnte und sich darüber hinaus gegen die Todesstrafe engagierte, was sie innerhalb der USA zu einer linken Politikerin macht - und innerhalb der nicht zwangsläufig von jedem Experten als nobelpreisverdächtig eingestuften kognitiven Höhe von Donald Trumps eigener kleinen Welt zur Erzfeindin.

Witze, die die Welt nicht braucht

Stichwort Trump. Diese Woche möchte ich Sie nicht ohne den obligatorischen grottenschlechten Wortwitz in die nächsten sieben Tage entlassen. Weil es sich um eine Tradition handelt, sie sich hier seit Jahren etabliert hat und weil ich keinesfalls auf die hochqualifizierten Leser-Mails verzichten möchte, die mir regelmässig wortreich erläutern, warum der aktuelle Gag wirklich absolut unpassend oder schlecht oder beides ist - und ich auch insgesamt lieber wieder mehr in meine Kernkompetenzen eintauchen sollte: Schminken und kochen. Naja, wer schon mal ein von mir ohne professionelle Hilfe zelebriertes Abendessen verköstigt hat, sieht das sicher anders, aber Schwamm drüber, hier ist der miserable Wortwitz zum Wochenrückblickende:

Stehe ich doch neulich mit meinem vollelektrischen Volvo XC40 für einige Sekunden im Halteverbot, weil ich aussergewöhnlich wertvolles Frachtgut in einem Kindersitz einladen möchte, da kommt eine engagierte Ordnungshüterin auf mich zugeschnattert und klärt mich unmissverständlich und lautstark darüber auf, dass man hier nicht halten dürfe. Ich schalte mein gewinnendstes Lächeln ein und verrate ihr in meinem charmantesten Tonfall, dass es auch wirklich nur 40 Sekunden dauert und ich sofort wieder weg bin. Die Schutzfrau, offenbar auf der Suche nach etwas Pause davon, gewaltbereite Pro-Pali-Randalierer davon abzuhalten, kritische Journalisten mit Messern zu bedrohen und daher in einen Modus hochgeschaltet, in dem sie sich ausschliesslich mit den wirklich wichtigen Sicherheitsvorfällen in der Hauptstadt ablenken möchte, klärt mich dennoch gnadenlos darüber auf, dass das ein sehr teures Unterfangen wird. Ich frage sie, mit wie viel Strafe man denn entgeltlich so rechnen müsse für ein derartig skrupelloses Vergehen. Sie sagt: "Alles in allem wird Sie das sicherlich mindestens drei Grüne kosten!" Das trifft mich unvorbereitet. Wen soll man da nehmen? Klar, Baerbock. Klar, Roth - aber wen als Dritten? Habeck, Lang, Hofreiter oder Nouripour?

Na, das hat sich doch gelohnt, oder? Zum Abschluss einen schönen, taufrischen Dadjoke inklusive Grünen-Bashing. Wenn das hier so weitergeht, kommt die nächste Fanpost am Ende noch vom KKR-Pressesprecher. Bis dahin wünsche ich aber erstmal eine grandiose Woche! Bis Montag!

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