Sie haben es geahnt, oder? Es tut mir leid. Aber was soll ich machen? Das zentrale Thema der vergangenen Woche war nun mal die mit 3.000 beteiligten Beamten ziemlich gross angelegte Razzia unter sogenannten Reichsbürgern. Natürlich, denn die deckte bemerkenswerte Dinge auf. Nicht nur in den 150 durchsuchten Objekten, wo Waffen, Umsturzpläne, Besetzungslisten für eine neue Regierung oder grosse Mengen Bargeld und Gold gefunden wurden. Nein, unwillkürlich führten die 3.000 Polizisten parallel auch eine Razzia in den Redaktionsstuben der ehemals liberalen Presse für die Mitte der Gesellschaft durch. Dort wurden ebenfalls einige Abgründe aufgedeckt. Ähnlich wie bei den Reichsbürgern hatte man einiges davon schon erahnt – das gesamte Ausmass allerdings schockierte dann doch.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Aber mal der Reihe nach. Als am Mittwochmorgen überraschend schnell Details der Razzia auf den grossen Nachrichten-Seiten zu finden waren und sogar einige Pressevertreter bereits pünktlich zu ersten Verhaftungen vor Ort waren, nahm das unsägliche verharmlosungs-, abschwächungs- und verschwörungstheoretische Intelligenzdilemma seinen Lauf. Nicht überraschend zwar, aber in seiner Einfältigkeit durchaus bemerkenswert. Wild echauffierte man sich durcheinander. Das schöne neue Hass-Narrativ der "Klima RAF" würde man sich nicht durch bewaffnete, rechtsradikale Arschgeigen aus der Hand nehmen lassen, nur weil Reichsbürger eben mit Pistolen hantieren und Politiker töten möchten, wo doch Klimaaktivisten sogar Kartoffelpüree einsetzen!

Chefreporter Terror

Was war also zu tun? Das wusste niemand so genau, denn offenbar waren einige Medien sehr umfangreich über die geplante Razzia informiert worden (und hatten entsprechend einen laufenden Informationsvorteil). Andere Medien, darunter "Welt" und "Bild", waren dagegen vermutlich nicht vorab in Kenntnis gesetzt worden. Ob das daran liegen könnte, dass man bei den Behörden mittlerweile davon ausgeht, die besagten Redaktionen würden womöglich nicht sehr diskret mit den Informationen umgehen, ist im Zeitalter der "Handy-Alarm"-Berichterstattung natürlich nur Spekulation.

Weil viele einiges, keiner alles und wieder andere so gut wie gar nichts wussten, wurde auf der Seite der Chefreporter Verharmlosung viel spekuliert, interpretiert und vor allem: zur eigenen Agenda passend eingeordnet. Verständlich, wenn die komplette Existenzberechtigung daran hängt, mit grösstmöglicher Verve und kleinstmöglichem Talent gleichzeitig den menschengemachten Klimawandel und die Gefahr von Rechtsextremismus zu verharmlosen. Voller Elan griff man also in die Tastaturen und entwarf mit Hochdruck ein krudes Szenario der Bagatellisierung: Gefahr durch rechtsradikale Reichsbürger? Haha, nein! Interessant war das nur in einem Detail: Im Prinzip sind Reichsbürger Ausländer – und da gibt man sich bei den Edelfedern aus der intellektuellen Chefreporter-Diaspora empirisch betrachtet nicht unbedingt so entspannt.

In diesem Fall blieb aber keine Wahl. Nicht schon wieder wollte man mit leeren Händen dastehen. Nicht schon wieder vor der gesamten Branche und den zahlreichen angeekelten Ex-Abonnenten traurig im langsam dahinsiechenden Restlicht eines Scheinwerfers stehen, der, begleitet vom ausfadenden Applaus weniger verbliebener Rechtsbubble-Claqueure, müde seinem endgültigen Erlöschen und damit seinem finalen Vorhang entgegenflackert.

Der ÖRR und die linksgrüne Regierung bestimmt hier nicht, was Terror ist!

Nein, das würde nicht passieren. Diese verdammten Woke-Wahnsinnigen würden ihnen die Interpretations-Hoheit darüber, was Terror ist, nicht aus den freiheitlichen Händen reissen! Da sei Ayn Rand vor! Sofort war man sich einig: Reichsbürger? Putsch? Lächerlich! Diese tweedtragende Rentnertruppe mit ihren närrischen Spielzeugwaffen soll eine Gefahr für Deutschland sein? Schlimmer gar als Tomatensuppe auf Glasscheiben vor Kunstwerken zu schmieren? Da hat man aber schon seine – das wird man ja wohl noch sagen dürfen – Zweifel. Gut, diese Rentner sind extrem gut finanziert und unter ihnen finden sich Ex-Bundestagsabgeordnete der AfD, eine Richterin, weitere Kommunalpolitiker der AfD und der CDU wohl auch, dazu ein aktiver und mehrere ehemalige Elitesoldaten der KSK, ein Polizist, ein Inhaber eines Waffengeschäfts, ein ehemaliger Oberstleutnant und – Achtung – ein früherer Fallschirmjäger, der suspendiert worden war, weil er NVA-Waffen beiseitegeschafft hatte. Darunter 165 funktionstüchtige Gewehre und Pistolen, von denen 154 bis heute nicht wieder aufgetaucht sind.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Oder gar Gefährliches. Waffen, Kampfausbildung, Polizisten, Richter, Elitetruppen, jaja - aber keiner hatte vor, sich irgendwo festzukleben. Und Kartoffelbrei wurde auch nicht gefunden. Eine sehr durchschaubare, absurd groteske linksgrüne Farce, da jetzt eine Bedrohung zu konstruieren. Vor allem eine, die grösser wäre als die Bedrohung durch Tomatensuppenschmeisser von den Klima-Terroristen.

In gleichsam wortreichen wie sinnarmen Kolumnen und Kommentaren warf man sich im pseudo-intellektuellen Banalisierungs-Doppelpass gegenseitig die Bälle der eigenen Verteidigungslinie in die Strafräume und sicherte sich fest entschlossen zu: Es ist eine hyperdramatisierte Posse. Diese Clownstruppe aus Corega-Tabs-Streetfightern und grenzdebilen Tattergreisen hätte Deutschland nie unterworfen. Ein Putsch hätte nie Erfolg haben können. Der Staat war nie in Gefahr. Und damit zurück zur "Klima RAF".

Chefreporter Querdenken

Das Interessante an dieser verqueren Querdenker-Argumentationskette ist, neben vielen journalistischen Unsauberkeiten, vor allem, dass nie jemand sowas behauptet hatte. Der johlenden Menge bildungsferner Teilzeittrolle, die gerne weiter ohne schlechtes Gewissen Billigfleisch aus Massentierhaltung konsumieren und Klimaaktivisten RAF nennen möchten, konnte man dennoch mühelos suggerieren, mit dieser Analyse wäre die Gefahr solcher Gruppierungen ad acta gelegt. Das ist nicht nur erstaunlich falsch und fahrlässig, sondern auch gefährlich. Anders Behring Breivik etwa wollte im Sommer 2011 ebenfalls zunächst den norwegischen Staatsapparat zerstören, weil dieser einen "Massenimport von Moslems" zu verantworten hätte. Selbstredend gelang auch das nicht. War er deswegen keine Gefahr?

Fragt da mal die Familien und Freunde der 77 Menschen, die Breivik stellvertretend für sein Scheitern beim Staatsstreich erschoss. Soweit die Faktenlage es aktuell zulässt, haben wir statt einem entschlossenen Verrückten mit Waffen wie Breivik bei der Reichsbürger-Razzia mindestens 25 Festnahmen, sehr viel mehr Waffen, sehr viel mehr Geld und beste Verbindungen in alle wichtigen Institutionen. Darf man da wirklich bei der Darstellung bleiben, eine Horde scheintoter Witzfiguren hätte sich mit Pfeil und Bogen aus der Karnevalsabteilung ein wenig in Rage gecosplayed?

Bei den Qualitätsmedien aus der Verharmlosungs-Elitetruppe offenbar schon. Bis heute steht dort eisern die Blattlinie: Eine Handvoll Spinner, ein paar Waffen und ein bisschen Bargeld würde man auch finden, wenn Lotto-Millionär Chico mit seinem Ferrari mal versehentlich vor der falschen Shisha-Bar parkt. Ein Bild derartig zu verzerren, nur um nicht eingestehen zu müssen, dass zwischen den Maschinenpistolen der RAF und dem Kartoffelbrei der "Letzten Generation" womöglich doch ein kleiner Unterschied besteht, ist eine Bankrotterklärung.

Was ist der höhere Sinn dahinter, rechtsextreme, bewaffnete Reichsbürger als eine Reisegruppe seniler Rentner zu skizzieren, die bei ihrer letzten Kaffeefahrt mit ihren Rollatoren unglücklich falsch abgebogen sind und plötzlich in einem Waffengeschäft statt in ihrer Seniorenresidenz standen? Und wo man schon mal da war, das liegt ja nahe, hat man dann auch spasseshalber schon mal aufgeschrieben und durchgespielt, wie man den Reichstag einnimmt, die Regierung stürzt, welcher Politiker man sich wie entledigt und wen man anschliessend aus den eigenen Reihen dafür einsetzt. So detailliert, dass man sogar bereits einen Kandidaten für das Betreiben aller staatlichen Kantinen rekrutiert hatte.

Statt sich aber darüber zu freuen, dass es für die hart arbeitenden Bundestags-Mitglieder endlich Haute-Cuisine statt Currywurst geben würde, wird der unbescholtene Star-Gastronom Frank Heppner jetzt als Reichsbürger verunglimpft. Dabei ist das schon deswegen unsinnig, weil Heppner erst 62 Jahre alt ist und sich sogar noch ohne Rollator fortbewegt.

Das ist die Champions League der Verleumdung, vor allem, weil dadurch plötzlich auch noch David Alaba in diesen hysterisch hochstilisierten Gaga-Putsch reingezogen wurde. Der ist nämlich der Schwiegersohn von Heppner. Spätestens hier hätten die Leichenfledderer-Schreiberlinge der linksgrünversifften Woke-Journaille ahnen müssen: alles halb so wild. Als ob jemals ein Österreicher in Deutschland die Macht ergreifen und es dem Land anschliessend schlechter gehen könne. Absurder Gedanke. Oder?

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