Nur zwei von sieben Spielen gewonnen, innerhalb von wenigen Tagen aus zwei Wettbewerben ausgeschieden, im entscheidenden Moment desolat gespielt und hinterher alles auf den Schiedsrichter geschoben. Der FC Bayern München ist in der Welt der langjährigen BVB-Fans angekommen.
Mit dem zehnfachen finanziellen Spielraum, daraus folgenden zehn Meisterschaften in Folge und deutlich höheren Ansprüchen beginnt damit beim oft als FC Hollywood deklarierten Rekordmeister FC Bayern München gleichzeitig automatisch die mediale Selbstzerfleischung. Oliver Kahn etwa, der erst kurz als der neue Kalle Rummenigge gilt, nur halt mit voll versteuertem Uhrwerk, soll unmittelbar vor seiner Demission stehen.
Und das, obwohl er weder im Skiurlaub ist, noch irgendwer glaubhaft begründen könnte, warum ausgerechnet die "Wir brauchen Eier!"-Legende der Schuldige an der grössten Misere seit der 2:5 Niederlage im Pokal-Finale 2012 sein sollte. Wäre bei der Suche nach personeller Manifestierung des Kader-Dilemmas nicht
Kahn denn Liebe Sünde sein?
Nun wäre es für den FC Bayern eine Katastrophe, nach mehr als einer Dekade eine Saison titellos zu beenden, während das bei Borussia Dortmund zum Tagesgeschäft gehört. Man könnte also meinen, der BVB hätte am wenigsten zu verlieren und am meisten zu gewinnen. Und ich gebe zu, es war durchaus beeindruckend, was Fans und Mannschaft am Samstagabend - zusätzlich motiviert wohl vom komplett blutleeren Auftritt des FC Bayern in Mainz nur Stunden vorher - ins Westfalenstadion gezaubert haben. Grüsse an Ulrich Leitermann an dieser Stelle. Dennoch muss man als leidgeprüfter BVB-Fan sagen: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Mannschaft diese Leistung jetzt noch fünfmal so imposant abrufen und die verbleibenden Spiele allesamt gewinnen wird, ist geringer als die Wahrscheinlichkeit, dass
Auf welch tönernen Füssen die aktuelle "Deutscher Meister wird nur der BVB"-Euphorie der Südtribüne steht, kann man also daran ablesen, dass Wissings Mitstreiter um den Titel Peter Ramsauer,
Da ist vermutlich die Hoffnung Mutter des Gedankens, es gäbe einen Anti-BVB-Kraftakt wie 2012, als Borussia Dortmund den Meistertitel einfuhr. Damals fühlte sich der seinerzeit noch entscheidungsbefugte Uli Hoeness von Doppelmeisterschaft und Pokalsieg des BVB derartig düpiert, dass er die wirtschaftliche Überlegenheit der Bayern umgehend zum grossen sportlichen Vernichtungsschlag nutzte. Zwei Säulen des BVB -
Diese Gefahr ist jedoch nurmehr eine nette Anekdote unter Bayern-Fans. Der Markt hat sich verändert. Oligarchen und Scheichs haben den europäischen Fussball zu einem grossen Monopoly-Spiel umgebaut und steuern mit absurden Milliardeninvestitionen den Transfermarkt. Spieler wie Götze oder Lewandowski kann der deutsche Klassenprimus FC Bayern heute nicht mehr bekommen. Die Taschen von Vereinen wie Paris St. Germain, Manchester City oder FC Chelsea sind einfach tiefer. Und die Vereine durch investitionsfreudige Inhaber nicht mehr der Prämisse unterworfen, jeden Euro, den sie ausgeben, vorher wenigstens ansatzweise auch erwirtschaftet zu haben.
Die letzten Superstars, die in der Dortmunder Talentschmiede zu kommenden Weltstars geformt wurden, haben nie auch eine Sekunde ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, zum FC Bayern zu wechseln. Jadon Sancho nicht, Ousmane Dembélé nicht und Erling Haaland zuletzt ebenfalls nicht. Noch vor zehn Jahren wären solche Spieler fast logischerweise in München gelandet.
Schlüsselroman Weidenfeller
Stichwort vorbei: Ein weiteres Warten auf den ganz grossen Supertransfer hat diese Woche ein Ende. Der lang erwartete neue Roman vom einstigen Popliteraten
Der Erfolg von Benjamin von Stuckrad-Barre scheint somit vorprogrammiert. Ein schöner Trost für den Autor, der jüngst aus verschiedenen Gründen sein Sponsoring aus dem Axel Springer Verlag eingebüsst hatte, welches ihm viele Jahre lang kolportierte 500.000 Euro per anno einbrachte. Eine solche Summe mit einem Roman wieder reinzuholen, da braucht man schon mal Katja Riemann, die empört feststellt: "Da müssen sich die Frauen auch nicht wundern." Dass ein Roman mit 150.000 Exemplaren startet, ist selten. Das ist ungefähr halb so viel, wie beispielsweise das Wochenblatt "Bunte" verkauft. Was verwunderlich ist, denn Gossip-Faktor (und Häufigkeit der Auftritte von Katja Riemann) sind bei "Bunte" und "Noch wach?" durchaus vergleichbar. Dieser ziemlich sensationelle Start des Romans ruft natürlich zahllose Trittbrettfahrer auf den Plan. So haben diverse Verlage für die nahe Zukunft bereits folgende Titel angekündigt:
- "Noch Flach?" – Schlüsselroman über die Brustvergrösserungs-Mafia
- "Noch Krach?" – Insiderroman über das Liebesleben von Iris und Peter Klein sowie Yvonne Woelke
- "Noch Schach?" – Investigativroman über die zweite Staffel "Das Damengambit"
- "Noch Bach?" – Enthüllungsroman darüber, wer das grösste Vorbild von Star-Pianist Igor Levit ist
- "Noch Rach?" – Dokuroman über die Zukunft von TV-Shows über Restaurant-Tester
- "Noch Dach?" – Kritischer Roman über die steigenden Preise bei der Hausrenovierung
- "Noch Lach?" – Biographie von Mario Barth
- "Noch Fach?" – Wirtschaftsroman über den Erfolg von "Ikea" mit modularen Schranksystemen
- "Noch Hach?" – Beschwerderoman über den Niedergang von Twitter
Im orkanartigen Jubelrausch um "Noch wach?" ist lediglich eine winzige Detailfrage bislang etwas unterrepräsentiert gestellt worden: In welcher Form profitieren die betroffenen Frauen vom aufwändig erzeugten Hype? Bestseller-Roman, Lese-Tournee, Theaterstück. Kinoadaption wahrscheinlich. Bleibt noch etwas Rahm für diejenigen abzuschöpfen, deren Geschichten erzählt und deren Schicksale vermarktet werden? Hätte der Roman und das gesamte Kampagnen-Projekt "Noch wach?" möglicherweise eine noch grössere Bedeutung für die Nachwelt, würden die Gewinne unter den Opfern verteilt? Als zumindest kleine Aufmunterung in einem Spiel vielleicht, in dem es womöglich nur Verlierer gibt - den Autor mal ausgenommen? Wäre das nicht ein heroischer Akt, der grenzenlos sympathisch machte?
Vielleicht jedoch hat der Autor genau dies im Vorfeld längst arrangiert. Im Verborgenen, um sich neben seinem literarischen Genie nicht auch noch für seine, natürlich, konsequente Selbstlosigkeit feiern zu lassen. Zu viel Popularität und Aufmerksamkeit, das war noch nie Triebfeder oder gar Ziel von Benjamin von Stuckrad-Barre. Bis nächste Woche!
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