Während der FC Hollywood dieser Tage in unruhige Fahrwasser geraten ist, hat Julian Nagelsmann auf eine hochspekulative Karte gesetzt. Der satirische Wochenrückblick.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Letzter Spieltag, Trainer-Abfuhr Nummer 308 für den FC Bayern und mit Marco Reus geht beim vermeintlichen Bayernjäger Nummer eins, Borussia Dortmund, eine echte Legende. Wieder sehr vom Fussball geprägt, die vergangene Woche.

Aber zum Glück gibt es ja noch Cathy Hummels und Björn Höcke, das H und H, also Haha-Duo, das uns die vergangenen sieben Tage rettet.

Anmerkung der Redaktion: Cathy Hummels hatte vergangene Woche auf Instagram eine EM-Werbung mit einem Spruch versehen, bei dem es sich um eine verbotene SA-Losung handelt. Ihr sei die Bedeutung nicht bewusst gewesen, sagte sie später. Erst vor Kurzem war Thüringens AfD-Chef Björn Höcke zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er dieselbe Nazi-Parole in einer Wahlkampfrede verwendet hatte.

Plus: Es gibt gute Nachrichten für alle treuen Chronikleser und -leserinnen. Das muss ich schreiben, wegen Genderzwang bei 1&1. Die sitzen ja leider nicht in München, sonst hätte Markus Söder das schon längst geregelt. Spätestens seit dieser Kolumne hier, die seit Jahren Deutschland montags die Augen öffnet (Schmerzen machen nämlich sehr zuverlässig wach), gelten GMX und WEB.DE ja wohl eindeutig als Bildungseinrichtung.

Die guten Nachrichten jedenfalls würden bleiben, selbst wenn man nicht nur gendern, sondern auch noch alle nichtbinären Personen explizit mit ansprechen wollte. Wobei die allerdings seit dem ESC nicht unbedingt in eine Sympathie-Hausse geschlittert sind.

Aber das ist eine andere Geschichte. Oder, wo wir gerade dabei sind, eine kleine Anekdote dazu doch noch, denn sowas kann man sich nicht ausdenken: Bambie Thug, die auch im bürgerlichen (Bambie Ray Robinson) den Vornamen Bambie trägt, hat ihre wenigen Tage als offizielle Israel-Hasserin im Malmöer Rampenlicht während des ESC dazu genutzt, ihre krankhafte Antipathie auf Israel auszuleben und jedem Journalisten, Blogger, Fernsehteam, Veranstalter, Staffmember, Cateringpersonal und was sich sonst noch nicht schnell genug in Sicherheit bringen konnte, zu berichten, wie sehr sie Israel und alles aus Israel verachtet.

Vor allem Eden Golan, die für Israel als Sängerin antrat. Nur um dann im zarten Alter von Ü30 herauszufinden, dass ihr eigener Name auf einer literarischen Figur basiert, die von einem jüdischen Zionisten aus Ungarn geschaffen wurde, der sich proaktiv entschied, ein Reh als Symboltier für seine Geschichten auszuwählen, weil ein Reh - ähnlich wie Juden - von Geburt an Tausenden von Gefahren ausgesetzt ist, die in seiner unmittelbaren Umgebung lauern. Das ist in etwa so, als zu sagen "Ich hasse Taylor Swift und wünschte ihr den Tod" - und sich dann "Shake it Off Girl" zu nennen.

Verglühender Stern des Südens

Nun aber wieder in ruhigere und weniger antisemitische Fahrwasser, der schönsten Nebensache der Welt (nach dem inzwischen beliebtesten Hobby der Deutschen: Ihre Ahnungslosigkeit selbstbewusst, wortreich und schmerzhaft in Kommentarspalten auf Social Media zu ballern): König Fussball. Stichwort König.

Auf dem Thron der Nation, der vom Fussball bereits heilende Phänomene wie das Wunder von Bern (WM-Titel 1954), die magische Nacht von Rom (WM-Titel 1990), das Sommermärchen von 2006 und One Night in Rio (WM-Titel 2014) geschenkt wurden, sitzt seit Jahrzehnten relativ unangefochten der FC Bayern München.

Dieser oft als FC Hollywood verschriene Vorzeigeklub für Erfolgsfans, gesetzestreue Funktionäre und lupenrein demokratische Sponsoren ist dieser Tage in unruhige Fahrwasser geraten.

Unmittelbar nachdem es Altmanager Uli Hoeness während seines Medienfastens oberhalb von Bad Wiessee am Tegernsee und der damit einhergehenden Bedeutungslosigkeit in TV, Talkshows und Schlagzeilen des Entertainmentbetriebes, zu langweilig wurde und er das Zepter der Macht an der Säbener Strasse wieder an sich riss, schlitterte der Festgeldkontoweltmeister aus dem südlichsten Bundesland zielstrebig in ein Leistungs- und Trainerfiasko, das seinesgleichen sucht. Zufall?

Dem ungewohnt schlechten dritten Platz nach etwa 67 Meisterschalen in Folge, der mit einigen aktiv leistungsverweigernden Auftritten einherging, und einem beispiellosen Korb-Marathon potenzieller neuer Trainer steht der FC Bayern vor einem Scherbenhaufen.

Selbst Thomas Tuchel, der aktuelle Trainer, der mit vielen Vorschusslorbeeren ausgestattet auf Julian Nagelsmann folgte - den man damals ohne wirklich alternativlose Notwendigkeit gefeuert hatte, kurz nachdem man ihn für eine hohe Ablösesummer von RB Leipzig abgeworben und ihm einen langfristigen Vertrag angeboten hatte -, möchte seinen Vertrag nicht mehr erfüllen.

Er wirkt heilfroh, bereits im Februar mit der Vereinsführung eine Einigung gefunden zu haben, am Saisonende den laufenden Vertrag aufzulösen. Nachdem der Verein sich bei den Versuchen, diverse Startrainer (Wunschlösungen 1 bis 23) zu verpflichten, endlose blutige Nasen eingefangen hatte, versuchte man plötzlich, Tuchel doch noch zum Bleiben zu bewegen.

Den Nagelsmann auf den Kopf getroffen

Aber auch Nagelsmann hat auf eine hochspekulative Karte gesetzt. Er hätte frühzeitig einen Vertrag beim FC Bayern reaktivieren können und wäre dann als gefeierter Rückkehrer zum Trainingsauftakt erschienen. Als jemand, den das alte Team in sportlicher Verantwortung weggeschickt hatte und der dann vom neuen Team direkt zurückgeholt wurde. Sein Standing wäre sicher beinahe im Bereich "unantastbar" gelandet. Aus welchen Gründen auch immer - Rache vielleicht - sagte er ab und verlängerte stattdessen sogar als Bundestrainer. Ein gefährliches Spiel.

Die Nationalmannschaft hat in den vergangenen Jahren eindeutig unter Beweis gestellt, dass ihr Vorsprung als grösste Fussballnation der Welt längst bröckelt und dass man aktuell keinesfalls von einer goldenen Generation an Spielermaterial sprechen kann. Was also wird Nagelsmann bei der Heim-EM reissen können?

Rumpelt man sich durch das Turnier wie bei den letzten beiden WM-Turnieren, ist seine Mission im Prinzip bereits gescheitert. Dann hängt er ohne unmittelbare Notwendigkeit in einem Vertrag, der ihn verpflichtet, mit diesem Spielermaterial eine WM in zwei Jahren zu absolvieren, die nach den Vorrunden-Bruchlandungen 2022 und 2018 richtungweisend sein wird.

Hinzu kommt die Ausbootung von Mats Hummels. Experten, Fans und selbst Zeitgenossen, die keinesfalls als Fans von Mats Hummels kategorisiert werden können, sind sich einig: Stellt man den Kader nach Leistungsprinzip auf, führt an Hummels kein Weg vorbei. Warum also macht Nagelsmann sich das Leben schwer und lässt Hummels zu Hause?

Die 80 Millionen selbsternannten Bundestrainer, das durfte ich nach einer entsprechenden Rückfrage auf dem inzwischen elonmuskisierten Portal Twitter am eigenen Leib erfahren, sind sich da einig: Hummels wäre hinter Tah und Rüdiger kein Stammspieler in der Innenverteidigung und würde also das Turnier über schlechte Stimmung verbreiten, weil er nicht auf dem Platz steht.

Das ist in vielerlei Hinsicht eine beachtlich unterkomplexe Betrachtungsweise. Hummels hatte auch in Dortmund Phasen, wo er wochenlang auf der Bank sass. Es ist nicht überliefert, dass die Stimmung beim BVB dadurch litt.

Im Gegenteil. Hummels war da, wenn er gebraucht wurde und avancierte zum besten Innenverteidiger der abgelaufenen Champions-League-Saison, mit mehr "Man of the Match"-Auszeichnungen, als so mancher hochdekorierte CL-Favorit überhaupt an Siegen geholt hat. Nun muss sich Julian Nagelsmann also die Frage gefallen lassen: Was hat ihn bewogen, den aktuell formbesten Verteidiger nicht mit ins Turnier zu nehmen? Ist es wirklich die Angst, Hummels würde stänkern?

Selbst wenn es so wäre, was ich persönlich für ausgeschlossen halte: Es geht nicht um einen Vereinsspieler, der noch drei Jahre vertraglich gebunden ist und seine Karriere den Bach runtergehen sieht, weil er nicht spielen darf. Es ist ein vierwöchiges Turnier - oder, naja, für die deutsche Nationalmannschaft zuletzt zumeist ein zweiwöchiges Turnier. Spiele alle drei, vier Tage - was soll da passieren?

Da stellt sich mir (und womöglich grossen Vereinen, die Nagelsmann in seiner jungen Karriere theoretisch alle noch trainieren könnte) doch die Frage: Hält Nagelsmann sich tatsächlich nicht für fähig, einen Kader mit sehr guten Einzelspielern so zu moderieren und zu führen, dass es keine Scherereien gibt, wenn jemand mal nicht spielt? Welcher Legendenverein wie Real Madrid könnte mit so einem Trainer etwas anfangen?

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Bei Real Madrid, Chelsea, Manchester City, Arsenal London oder dem FC Barcelona sitzen regelmässig zahlreiche Weltstars auf der Bank - und neben ihnen einige der grössten Talente ihrer Generation, die alle nur eines wollen: spielen. Da kann man seine fehlenden Vermittlungsfähigkeiten auch nicht dadurch lösen, dass man die besten Spieler wegschickt. Kann Julian Nagelsmann mit starken Charakteren nicht umgehen? Mit dieser Frage schicke ich Sie in die Woche! Bis Montag!

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