Ich möchte mich zu Beginn dieser Kolumne zunächst entschuldigen. Denn: Mal wieder geht es um Mathias Döpfner. Ich kann zwar nichts dafür, dass der Mann, dem in Berlin und Potsdam bescheinigt wird, sich eifrig darum zu bemühen, als Deutschlands grösster Intellektueller anerkannt zu werden, erneut im Mittelpunkt der Wochenthemen stand, aber ich kann Ihre Enttäuschung verstehen. Immerhin ist Döpfner nicht Leonardo DiCaprio oder wenigstens beim nächsten "Promi Big Brother" dabei. Also, was war passiert?

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht der Autorin dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Die "Financial Times" gewährte einen Blick in das Innerste der Axel Springer Vorstandsetage. Ein Blick, der seine Leserinnen und Leser mit einem Gefühl zurücklässt, das mit "Fassungslosigkeit" nur unzureichend beschrieben ist und ein mannigfaltiges Echo heraufbeschwor.

Die TV-Moderatorin Aline von Drateln etwa verriet, Döpfner habe sie auf dem Flur der "Hamburger Morgenpost" mit "Donnerwetter! Ich hatte ja keine Ahnung, was für Geschosse in der Lokalredaktion rumlaufen!" begrüsst. Sie war 19 Jahre alt. Der Vorfall ist über 25 Jahre her – aber wenn man so will, spricht er ein relativ klares Bild davon, wie alles vielleicht mal angefangen und wie es sich mit wachsendem Aktienpaket, Macht, Einfluss und Entscheidungsmonopolismus seither etabliert hat.

Erneut brauchte es für diese Bombe, die die deutsche Medienlandschaft in ihren Grundfesten erschüttert, eine populäre ausländische Zeitung. Deutsche Medien nehmen sich des Themas frühestens dann an, wenn es aus "Financial Times" oder "New York Times" via Twitter seinen Weg in die heimische Debattenhysterie gefunden hat. Kadaverjournalismus deluxe.

Jan Böhmermann belegt einen Döpfnerkurs

Eine der zentralen Enthüllungen betrifft die Art und Weise, wie Döpfner mit Kritikern des Axel Springer Verlags umzugehen scheint. Verärgert, dass die Verschleierungstaktik zu scheitern drohte, mit der er die "Bunga Bunga"-Atmosphäre in der "Bild"-Führung klein halten wollte, setzte er Anwälte daran, Dinge rauszufinden, mit denen man diesen Kritikern schaden könne. Konkret über die Menschen, die er als Drahtzieher dieser Majestätsbeleidigung zu identifizieren geglaubt hatte. Darunter Jan Böhmermann und Kai Diekmann.

Das muss man sich auch erstmal trauen: Alle Journalisten abseits seiner eigenen handverlesenen Schar an freiheitsliebenden Superchefredakteure als "Propaganda-Marionetten" eines "neuen DDR-Obrigkeitsstaates" zu titulieren – und dann Kritiker mit Stasi-Methoden ausspionieren, um sich mit Vernichtungsmaterial zu munitionieren.

Die Medien-Bubble, der BDZV (Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger), der Grossinvestor KKR, alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Axel Springer Verlags aber auch die interessierte Öffentlichkeit werden sich in diesem Zusammenhang – und spätestens dann wird womöglich ein recht kalter Wind durch die "letzte Bastion des kritischen Journalismus" wehen – früher oder später fragen, für wie intellektuell beschränkt Mathias Döpfner sie tatsächlich halten muss, um davon überzeugt zu sein, mit diesem Verhalten durchzukommen.

Hitlers Sozialismus-Vergleich: Wer Fleisch haut, haut auch Geschichtsbücher

Wo wir schon mal in der Medienbranche angelangt sind, kann ich auch der Causa Jan Fleischhauer noch ein paar Zeilen widmen. Fleischhauer - Für mich als Veganerin geht diese Episode bereits beim Namen eher gemächlich los. In Fleischhauers als Kolumne getarnten Verteidigungs-Plädoyer für seine Kollegin Anna Dobler findet sich aktuell dieser Satz: "Das Ende des Dritten Reichs liegt 77 Jahre zurück, doch das Thema ist immer noch gut, einen Empörungssturm auszulösen."

Die industrielle Vernichtung von Juden als shitstormfähigen Honeypot zu bezeichnen ist, naja, sagen wir mal: bemerkenswert. Dobler hatte die Nation in einem Tweet darüber aufgeklärt, die für die "Wannseekonferenz" verantwortlichen Nazis seien ja eigentlich "durch und durch Sozialisten" gewesen. Dobler verlor daraufhin umgehend ihren Job und Fleischhauer seinen historischen Kompass.

Dank Hufeisen-Weitwurf-Weltmeister Jan F. aus M. wissen wir nun: Dobler hatte Recht und ihre unehrenhafte Entlassung ist nur dem Woke-Dilemma des linksgrün versifften Zeitgeistes geschuldet. Was möchte uns die zweitbeste Münchener Edelfeder nach Helmut Markwort mit seinem Ausflug in die Geschichtsvergessenheit sagen? Kommt, Schwamm drüber, Hitler war eigentlich Sozialist, weil guckt mal, er hat uns den Tag der Arbeit gegeben? Was nebenbei gesagt auch inhaltlich unsinnig ist, aber das ist bei Provokations-Kolumnen, in denen die Erfinder, Planer und Durchführer des Holocausts quasi als Anhänger von Karl Marx deklariert werden, ohnehin schon eingepreist.

Wenn ich Sätze schreibe, die die Opfer des Nationalsozialismus so derartig verhöhnen und dafür den erwartbaren und womöglich sogar indizierten Applaus von sehr weit rechts von rechts kassiere, sollte ich das eventuell als Indiz dafür werten, mein Text könnte vernunfthistorisch doch nicht so unantastbar sein, wie ich in meiner stolzen Selbsteuphorie angenommen hatte. Sogar, wenn der Text zweifellos als virtuos vorgetragenes Exempel für brutale Aufmerksamkeits-Effizienz gelten muss.

Fleischhauer canceln!

Kaum veröffentlicht, sind die selbsternannten Vordenkerinnen aus dem linken Diskursspektrum bereits on fire. Mitunter bekommt man den Eindruck, diese besondere Spezies der Diskursteilnehmerinnen ist ausschliesslich aus zwei Gründen auf Social Media: Um Hetz-Texte zur Anbiederung an ihre verbliebene Zielgruppe zu adressieren.

Und um über die Vertreter der gegnerischen Fraktion kübelweise Häme, Beleidigungen und Klugscheissereien ausschütten zu können. Diese Armada selbstverliebter Frontalegoisten standen traditionsbewusst auch in der Causa Fleischhauer umgehend parat, um von der "Focus"-Chefetage die sofortige Entlassung zu fordern.

Und zwar mindestens so unehrenhaft wie seinerzeit Ulf Poschardt bei der "SZ", als es hiess, er goutiere in Texten auch schon mal wissentlich Erfindungen des Verfassers, solange der Text ihm gefalle. Oder noch schlimmer: Fleischhauers hausinterne Degradierung zum Chefkolumnisten der "TV Spielfilm" (erscheint ebenfalls bei Burda).

Wobei: "TV Spielfilm" hat mehr als doppelt so viele Leser wie der "Focus". Und wenn man jetzt noch die Leserinnen dazuzählen würde, nicht auszudenken. Dazu auch inhaltlich reizvoll. Fleischhauer könnte Formate wie "Hitlers Helfer" oder "Schindlers Liste" rezensieren und den ahnungslosen deutschen Fernseh-Michel aufklären, wie viele im Prinzip unverzeihliche historische Fehler den Machern unterlaufen sind.

Fakt ist nämlich: In keinem einzigen relevanten, hochdekorierten Film über die Zeit zwischen 1933 und 1945 wurde der von Jan Fleischhauer und seinem Idol Götz Aly akribisch nachgewiesenen historischen Tatsache, dass Nazis eigentlich Sozialisten waren, auch nur ansatzweise Rechnung getragen. Ein Treppenwitz der Historie. Ein Skandal, von dem in den Mainstream-Medien und vor allem den durchjanböhmermannisierten Öffentlich-Rechtlichen noch nie prominent zu hören war. Danke, Merkel!

Wechsel von Bayern zu BVB: Ziemlich Süle Luft hier

Wie gut sich Niklas Süle mit Jan Fleischhauer versteht, ob die beiden regelmässig im La Bohéme auf der Leopolder sitzen, sich ein Chateaubriand vom Black Angus Rind teilen und darüber philosophieren, warum der gemeine Nazi heute stets als "braun" definiert wird, wo er doch eigentlich ein tiefrotes Sozialistenphänomen war, ist mir nicht bekannt. Klar ist seit dieser Woche allerdings: Ab Sommer werden gemeinsame Männerabende schwieriger. Jedenfalls, wenn Fleischhauer nicht zu den "Ruhr Nachrichten" wechseln sollte.

Für alle, die sich mit Fussball nicht so gut auskennen und Public Viewings zu WM-Zeiten in erster Linie dazu nutzen, sich getarnt in Deutschland-Trikots jeden Abend durchschnittlich acht Promille anzutrinken. Quasi Karneval für Leute, denen die Witze von Bernd Stelter selbst volltrunken zu blöd sind: Niklas Süle ist ein deutscher Nationalspieler, der nun ablösefrei von Bayern München zu Borussia Dortmund wechseln wird.

Auch zu diesem Anlass polterte es gewaltig in den Jauchegruben von Social Media. Plötzlich war Süle, der sich erdreistet hatte, ein Angebot zur Vertragsverlängerung beim Schönwetterfans-Lieblingsclub FC Bayern auszuschlagen, ohnehin schon immer einer der unbrauchbarsten Spieler aller Zeiten gewesen: Zu fett, zu träge, zu hüftsteif, nicht torgefährlich.

Beim Überfliegen der vielen tausend Meinungsäusserungen aus dem Umfeld bajuwarischer Schlachtenbummler musste man unweigerlich den Eindruck bekommen, Süle hätte sich einfach nicht oft genug bei Kalle Rummenigge und Oliver Kahn dafür bedankt, dass er als Unwürdiger überhaupt für Deutschlands bodenständigsten, symphytischen und katarfreundlichsten Verein spielen zu dürfen. Was daraus wird, und ob Corentin Tolisso seinem Kameraden ablösefrei zum BVB folgt (der Vertrag des Franzosen läuft im Sommer ebenfalls ab), verrate ich kommende Woche. Bis dann!

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