Traumwoche für leidgeprüfte Sieben-Tage-Chronistinnen wie mich, die aus jeder Kalenderwoche die erwähnungswerten Höhepunkte extrahieren müssen. Bislang konnte man sich an so manchem Montag im Zweifelsfall noch an Universalgelehrte wie Richard David Precht oder den Darth Vader des False Balance Todessterns, Markus Lanz, orientieren.
Beide lieferten auch in lahmen Wochen stets zuverlässig gut verwertbares Rückblick-Material. Insbesondere um die männliche
Auch Welzer hat inzwischen überraschenderweise den Fuss vom Empörungsgaspedal genommen und seinen "Das wird man jawohl noch sagen dürfen"-Boliden auf dem medialen Standstreifen ausgebremst. Von Welzer, die Älteren unter uns erinnern sich, wissen wir seit einer legendären "
Club-Söder auf Betriebstemperatur
Womit wir schon mitten im aktuellen Wochengeschehen wären. Da erwartet uns glücklicherweise ein praller Blumenstrauss unterschiedlichster Themenschwerpunkte. Man kann ja auch nicht jede Woche darüber berichten, wie zielsicher einige ehemals meinungspluralistische Publikationen sich in einem beispiellosen Wegdriften in den Querdenker-Jargon gerade in Echtzeit in einen neurechten Trümmerhaufen verwandeln.
Nein, diese Woche geht es zum Beispiel um
Ein interessantes Szenario. Ausgerechnet Söder, der jahrelang an Minister-Attrappen wie
Aber Söder ist – wie auch in der kommenden Kanzlerkandidatenfrage in der Union – in dieser Causa nur Randfigur. Lambrecht hatte von Tag eins ihrer Kabinettsbeteiligung nicht unbedingt den Eindruck vermittelt, mit dem Amt der Verteidigungsministerin wäre ihr Wunschtraum in Erfüllung gegangen. Folglich reihten sich Fauxpas an Fauxpas, darunter der legendäre Familienausflug im Regierungshelikopter nach Sylt. Der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war dann vermutlich ihr satireähnliches Silvester-Grusswort auf dem offiziellen Instagram-Account ihres Ministeriums, in dem sie offenbar mit bescheidenen Mitteln versucht hatte, den Filmklassiker "Apocalype Now" nachzustellen. Ergebnis: Rücktritt Now.
Ungeachtet der Tatsache, dass es bislang keinerlei offizielle Andeutungen für einen tatsächlichen Rücktritt gibt, haben in den Hauptstadtmedien und ihrem verlängerten Arm, dem Kurznachrichtendienst Twitter, die Spekulationen über ihre Nachfolge längst begonnen.
Mein persönlicher Favorit wäre folgende Konstellation: Marie-Agnes Strack-Zimmermann wird Verteidigungsministerin. Die FDP gibt dafür das Verkehrsministerium an die SPD ab. Damit hätten wir eine politische Win-Win-Situation, denn Verkehrsminister, die ein Tempolimit nicht einführen können, weil "nicht genug Schilder" vorhanden sind, haben sich bereits nach knapp einem Jahr Amtszeit den goldenen Andi Scheuer Gedenkorden am Band mehr als verdient.
Oftmals bekommt man ja den Eindruck, Verkehrsminister Wissing würde den Grossteil seiner Zeit nicht damit verbringen, etwa die Bahn auf Vordermann zu bringen oder wenigstens ernsthaft an flächendeckendem, stabilem Internet zu arbeiten – sondern hauptsächlich damit beschäftigt zu sein, alle auf bilateralen Austausch zwischen der Porsche AG und seinem Ministerium hinweisenden Akten und Kalendereinträge als "geheim" deklarieren zu lassen.
Unpopular Opinion incoming …
Übrigens, mal eine unpopuläre Meinung: Der sich vielleicht, unter Umständen, vermutlich irgendwie andeutende Rücktritt von Frau Lambrecht ist sicher gerechtfertigt. Dennoch sollte man durchaus auch in die Bewertung mit einbeziehen, dass die Bundeswehr aktuell deutlich besser dasteht als vor dem Regierungswechsel. Und das in nicht unbedingt optimalen Zeiten für Verteidigungsthemen.
Nachdem spätestens im Anschluss an die Wiedervereinigung und das Ende des Kalten Krieges kein Szenario mehr ernsthaft denkbar schien, in dem sich Nato-Deutschland gegen einen Angreifer würde verteidigen müssen, hatten Lambrechts Vorgänger die Bundeswehr kontinuierlich abgewirtschaftet. Im Februar nun stand plötzlich Sahra Wagenknechts Favorit auf den Friedensnobelpreis, Wladimir Putin, mit Panzern in der Ukraine. Irgendwie schien es plötzlich ungünstig, nur über ein Heer zu verfügen, das sich mit seinem veralteten Material vermutlich nicht mal gegen eine Invasion der Klonkrieger aus Legoland brauchbar verteidigen könnte. Alles nicht unbedingt ein Traum-Szenario für eine Verteidigungsministerin.
Was gab es noch? Vor der Braunkohle-Tagebau Prachtkulisse von Lützerath riefen Umweltaktivisten zum Showdown um das 1,5 Grad Ziel aus – und mobilisierten eine durchaus beeindruckende Menge von 35.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen sowie Greta Thunberg für die Grossdemo gegen weiteres Abbagern von Kohle, die anschliessend zur Verstromung herangezogen werden soll.
Klimapolitisch ein Fiasko, das gleichzeitig das Ende der Grünen-Romantik markieren wird. Das Märchen der einzig auf die Zukunft unseres Planeten ausgerichteten Ideologie der Grünen ist mit dem Kuhhandel, den die grüne Vize-Ministerpräsidentin und Klimaschutzministerin Mona Neubaur mit dem Energie-Giganten RWE ausgehandelt hatte, auserzählt.
Die in grossen Teilen noch immer sehr traditionell umweltbewusst eingestellte Basis der Grünen wird die Eskapaden ihrer aktuellen parlamentarischen Speerspitzen vermutlich nicht ohne signifikante Konsequenzen hinnehmen. Ausgerechnet im Kernthema der Grünen, dem Klimaschutz, eine solche Entscheidung zu treffen, ist ein bisschen so, wie sich Fahrsicherheit und Lebensrettung ins Partei-Programm zu schreiben, und dann per Gesetz Anschnallgurte zu verbieten und das Führen von Fahrzeugen nur noch unter dem Einfluss von mindestens 2,5 Promille zu erlauben. In Lützerath wie in diesem Beispiel fährt man sehenden Auges gegen die Wand – und gibt auf den letzten Metern noch mal ordentlich Gas, anstatt zu versuchen, so hart wie möglich abzubremsen.
Doppelmoral-Queen Nyke Slawik auf Betriebsausflug
Wenn Doppelmoral olympisch wäre, hätten leider inzwischen auch Politiker und Politikerinnen der Grünen ihr Dauerabo auf einen Platz auf dem Siegerpodest. Schade und verheerend für unsere kilmarelevante Zukunft, dass die einstmals als Öko-Spinner belächelten Grünen mit steigender Verantwortung offensichtlich ihre grössten Entwicklungssprünge ausgerechnet in der Paradedisziplin ex-liberaler Freiheitskämpfer gemacht haben.
Als exemplarisches Paradebeispiel für die bizarr verstörte Wahrnehmung der eigenen politischen Handlungen wird wohl die seit 2021 für die Grünen im Bundestag sitzende Nyke Slawik in die Geschichtsbücher eingehen. Im Dezember 2022 stimmt sie im Bundestag für die Räumung der Braunkohle-Enklave Lützerath. Wenige Wochen später reist sie heldenhaft persönlich nach Lützerath und inszeniert sie sich im Windschatten von echten Klimaaktivistinnen wie Greta Thunberg oder Luisa Neubauer als Trittbrettfahrerin des Kampfes gegen den Klimawandel. Glaubwürdigkeit und Integrität scheinen Frau Slawik weniger wichtig zu sein als hübsche Social Media Bilder von sich selbst vor einer romantischen Abbruchkante nebst RWE-Grossbagger.
Dass sie selbst noch kurz vorher mit ihrer Stimme dafür gesorgt hat, dass genau dort die zukünftige Abbaggerung von Kohle für mindestens 280 Millionen Tonnen zusätzliche Co2 Emissionen verantwortlich sein wird: Schwamm drüber. Das ist zwar ein bisschen, als wollte sich Harvey Weinstein jetzt für eine grosszügige Spende an ein Frauenhaus feiern lassen, aber nun ja. Jeder disqualifiziert sich auf seine eigene Weise. Mit der Frage, auf welche Art Sie sich am liebsten selbst disqualifizieren, entlasse ich Sie nunmehr in die neue Woche. Bis Montag!
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