Ich möchte diesen Montag mit einer Frage beginnen: War Tokio Hotel der erste Showact im "ZDF Magazin Royale", der nicht live gesungen hat? Das wäre wichtig für meine unautorisierte Biographie "Durch den Konsum". Sachdienliche Hinweise gerne per Mail an autotune@marievdb.de.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wenn es dagegen echte Promis sein sollen, hat man seit dem Ende von "Wetten Dass" (dazu später mehr!) eigentlich nur noch die Möglichkeit, sich auf grosse Events globaler Luxusmarken zu schleichen. Die Fashion Week Paris beispielsweise – oder das "Toast for a Cause" von Moet & Chandon. Moet & Chandon ist nicht etwa eine Indie-Band aus Paris, sondern eine traditionsreiche Champagner-Marke.

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Regelmässig kommen in den Metropolen der Welt echte A-Promis zusammen, um für eine gute Sache zu werben. Zuletzt in Berlin, als ich zufällig Paparazzi-Lieblingen wie Lucas Bravo ("Emily in Paris"), Phoebe Dynevor ("Bridgerton"), James Arthur ("Say You Won't Let Go"), Moritz Bleibtreu, Daniel Brühl oder Daniel Donskoy in die Arme lief, wurde mir mal wieder klar: Seit Thomas Gottschalk keine Tiermützen mehr an Tom Hanks verteilt, ist es rar geworden mit echtem Star-Odeur.

Unsere Generation muss damit leben, dass es – insbesondere bei Privatsendern – inzwischen reicht, mal bei "Bachelor" hinten rechts durchs Bild gelaufen zu sein, oder sich notorisch seiner Partnerin gegenüber toxisch zu verhalten, um für den durchschnittlichen TV-Konsumenten als prominent zu gelten. Da ist es wirklich schon ein echter Hollywood-Moment, mal in Berlin bei Moet & Chandon Schauspielern und Schauspielerinnen zu begegnen, die noch nicht volltrunken in einem Trash-TV-Resozialisierungscamp über ihr letztes Intim-Piercing gesprochen haben.

Promis am Rande der Doppelmoral

Schlechter als für den landläufigen Reality-Starbodensatz läuft es nur noch für die Prominenten, die sich für ein paar Öl-Dollar an die Menschenrechtsallergiker in Katar verkauft haben. Sie erinnern sich vielleicht. Im sympathischen, weltoffenen Katar, in dem Frauen- und LGBTQ-Rechte, Individualität und Meinungsfreiheit grossgeschrieben nicht mal als Serviervorschlag gelten, findet aktuell die Zusammenkunft einiger internationaler Profifussballer statt. 32 Länder haben sich für die WM 2022 qualifiziert und nehmen an der Endrunde im traditionell fussballbegeisterten Emirat teil. 31 davon wären zumindest halbwegs vertretbare Ausrichter, den Zuschlag der Fifa jedoch bekam: Katar. Eine surreale Prachtbaustelle mitten in der Wüste, errichtet von Niedriglohnmigranten, von denen nach Schätzungen einiger Menschenrechtsorganisationen vermutlich allein während der Bauphasen für die WM-Stadien 15.000 verstorben sind.

Klare Beweise gibt es dafür nicht. Katar verschleiert – und wird von der Fifa gedeckt. Deren Präsident Gianni Infantino behauptet weiterhin, auf Baustellen in Katar wären "drei Arbeiter ums Leben gekommen". Drei oder 15.000, wer schaut da schon so genau hin? Wenn es nicht so traurig wäre – Infantino hätte dieses Jahr berechtigte Chancen auf einen Comedypreis.

Klar ist: Katar wird die WM nicht gewinnen. Nicht auf sportlichem Wege. Es gibt noch die leise Hoffnung, dass die Spieler der meisten Nationalmannschaften sich nicht so sehr vor den Karren der Verharmlosung von Menschenrechtsverletzungen spannen lassen werden, wie etwa Robbie Williams, David Beckham, die meisten unserer Politiker oder Morgan Freeman, der es sich nicht nehmen liess, während einer grotesk absurden Eröffnungsfeier über die Wichtigkeit von Toleranz und Offenheit zu fabulieren. In Katar. Ein Trauerspiel der Extraklasse – Oscar vorprogrammiert. Leon Goretzka aber, Teil des WM-Kaders, hatte dagegen in einer ZDF-Doku zur WM-Vergabe an Katar angedeutet, dass das deutsche Team sich als Mannschaft etwas überlegen würde, um ihre Meinung zu Katar zum Ausdruck zu bringen.

Sollten sich am Ende alle Mannschaften aus demokratischen Ländern durchringen, ein Zeichen setzen zu wollen, könnte Katar die WM doch noch gewinnen. Die Fifa würde die meisten Teams vom Turnier ausschliessen und Katar könnte den Titel gegen Saudi-Arabien und den Iran ausspielen. Und falls die jungen Fussballmillionäre aus Deutschland, England, Spanien oder Frankreich doch nicht die Eier haben, sich als Statement-Helden unsterblich zu machen, wird Katar zumindest eine Trophäe locker nach Hause holen: Die Katari haben den mit Abstand höchsten CO2-Verbrauch pro Kopf. Willkommen im Wunderland des Fortschritts.

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Katar und Olaf Scholz

Stichwort Fortschritt. Wie fortschrittlich das Emirat Katar operiert, in dem die Scharia die Hauptquelle für die Gesetzgebung darstellt, sieht man vor allem an der super-woken Weltoffenheit, mit der man am Persischen Golf mit Themen wie Homosexualität umgeht. Im Strafraum befindet man sich in Katar nämlich auch während der WM bereits dann, wenn man als Mann mit einem anderen Mann Händchen hält. Dieses unsportliche Verhalten wird umgehend mit Roter Karte geahndet, die auch schon mal mit einer Haftstrafe einhergeht.

Zum Glück gibt es auch noch andere Themen als eine korrupte Fussball-WM. Politisch, hier wird der Übergang fliessend, stehen Spitzenpolitiker erstmals seit der WM 1978 in Argentinien unter Erklärungszwang: Fliegen sie nach Katar und setzen sich in die Ehrenloge, wo sie dann unter anderem neben dem Mann sitzen werden, der für den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi verantwortlich sein soll? Kashoggi war am 2. Oktober 2018 ins saudische Konsulat in Istanbul gelockt worden, das er nicht mehr lebendig wieder verliess. UN-Ermittler und US-Geheimdienste gehen davon aus, Kashoggi sei dort ermordet, zersägt und letztendlich in Säure aufgelöst worden. Drahtzieher dieses unfassbaren Verbrechens soll Mohammed bin Salman sein. Der Saudische Thronfolger sitzt beim Eröffnungsspiel der WM natürlich trotzdem auf der VIP-Tribüne, als wäre das Zersägen von kritischen Journalisten eine Art Volkssport für superreiche Herrscherfamilien.

Olaf Scholz jedenfalls, immerhin Bundeskanzler, scheint trotzdem wenig interessiert an einem WM-Boykott. Er liess verlauten, er würde die Spiele der Deutschen Mannschaft anschauen, wenn sein Terminkalender dies zuliesse. Auch eine Reise nach Katar für den Fall einer Finalteilnahme der deutschen Nationalmannschaft wollte er nicht ausschliessen. Je nachdem, wie sehr entweder die WM oder "Die Mannschaft" bis dahin floppt, wird er spontan entscheiden.

Sollte das Turnier auch nur ansatzweise so boykottiert werden, wie es die Lautsprecher der Generaltugendwächter in ihren Aufmerksamkeits-Ökonomie-Seminaren auf Twitter angekündigt haben, wird der WM-Kick in der Wüste ein ähnliches Fiasko wie die aktuelle PR-Strategie der CDU. Selbst die Fifa wird dann den Gürtel enger schnallen müssen, wenn demnächst das Gastgeberland für die WM 2030 gekürt wird.

Da soll beispielsweise Saudi-Arabien seine von Ölgeld durchtränkten Bewerbungs-Finger im Spiel haben. Noch eine lupenreine Demokratie. Nach Russland und Katar wäre das vermutlich der Sargnagel für die FIFA-Cash-Cow Fussball-WM. Sponsoren und TV-Sender werden sich sehr genau überlegen, ob sie Milliarden in ein Turnier stecken, für das sie dann von allen Seiten angepöbelt werden.

Richard David Precht bei "Wetten, dass...?"

Apropos Sargnagel. Am Wochenende entführte uns das ZDF wieder mal in eine nostalgische Retro-Reise in die eigene Kindheit. Am Samstagabend "Wetten, dass...?", am Sonntag "Traumschiff". Als wäre es plötzlich wieder 1995. Dabei natürlich: Ein inzwischen sichtlich überforderter Thomas Gottschalk, dem sicherheitshalber sein Zivi Michelle Hunziker an die Seite gestellt wurde. Ein smarter Move der Woke-Wahnsinnigen vom Lerchenberg hinsichtlich der zu erwartenden latenten "Gottschalkeritis", wie jovialer Sexismus im ÖRR genannt wird.

Michelle Hunziker kennt Gottschalk lange und verbucht seine reflexartigen Griffe an nackte Frauenbeine und -rücken inzwischen wahrscheinlich unter dem Sammelbegriff "Coaching". Es durften wieder mal alle ran, die seit dem Ende von "Wetten Dass" etwas ins mediale Hintertreffen geraten waren. Von Robbie Williams bis Herbert Grönemeyer war alles dabei, was die goldenen Zeiten der TV-Legende noch live miterlebt hatte.

Zwischenzeitlich nannte Gottschalk die deutsche Fussball-Nationalspielerin Giulia Gwinn konsequent Giuliana Gewinn. Da konnte dann selbst Anstandsdame Hunziker nichts mehr machen, ausser ihr ZDF-erprobtes Million-Dollar-Lächeln in Kamera 1 zu zaubern. Giulia-Giuliana Gwinn-Gewinn machte gute Miene zu bösem Spiel, die TV-Nation auch. Zehn Millionen Zuschauer! Zwar waren es 2021 noch beinahe 15 Millionen, der Abend darf dennoch als grosser Erfolg gewertet werden. Ob Gottschalk, der altersnivellierend inzwischen für Hörgeräte und Schrankkommoden wirbt, 2023 wieder antreten darf, scheint dennoch unsicher.

Viel wichtiger ist: Markus Lanz wird nicht erneut übernehmen. Wobei es durchaus interessant wäre, wenn Stargast Richard David Precht wetten würde, er könne zehn politische und gesellschaftliche Tagesereignisse so kommentieren, dass in den Monaten danach mit absoluter Sicherheit genau das Gegenteil eintreten wird. Mit diesem hübschen Bild entlasse ich Sie hiermit in die Woche. Bis Montag!

Interessiert Sie, wie wir über die WM in Katar berichten? Wir haben unsere Beweggründe in einem Text für Sie zusammengefasst.


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