Ein beliebtes Stilmittel für Chronistinnen des Zeitgeschehens wie mich ist es, mit einem berühmten Zitat zu starten, das irgendwie eine Brücke schlagen kann aus einer glorreichen Vergangenheit ins Heute, oder wenigstens den Anschein erweckt, die Verfasserin des Rückblicks wäre wahnsinnig belesen. Das möchte ich heute auch mal probieren.

Eine Satire
Diese Kolumne stellt die Sicht der Autorin dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Bei der Auswahl des geeigneten Satzes für die Ewigkeit habe ich mich tagesaktuell für den grossen Alltagsphilosophen Rudi Assauer entschieden, der einst folgenden Satz sagte: "Wenn der Schnee schmilzt, sieht man, wo die Scheisse liegt". Okay, das ist nicht Einstein und auch nicht Oscar Wilde, aber es passt diese Woche einfach perfekt, denn was soll ich sagen: Ganz schön Tauwetter diese Saison auf Schalke.

Beim bislang intensivsten Streuvorgang beim Glatteis-Kandidaten aus Gelsenkirchen wurden gerade am Wochenende mehr Kandidaten aus der sportlichen Führungsetage entlassen, als sich Menschen mit AstraZeneca impfen lassen möchten. Inzwischen gehen in Herne-West die Notbremsen und Reissleinen aus, denn dieses Mal entschied man sich nach einer fulminanten 1:5-Klatsche bei Aufsteiger Stuttgart, einer kolportierten Spielerrevolte und einer nur noch theoretisch vorhandenen Chance auf den Klassenerhalt für den totalen Kahlschlag. Klar, direkt nach der Niederlage diktierte Trainer Christian Gross den Abgesandten der TV-Anstalten, die unter der Woche in der Redaktion das kurze Zündholz gezogen hatten und sich daher ihr Wochenende mit der Berichterstattung von einem Schalke-Spiel ruinieren mussten, noch in die Notizblöcke, dass er niemals aufgeben würde, "solange rechnerisch noch alles möglich ist".

Schalke 04: Mehr Trainer in dieser Saison als der Durchschnittsbürger Kontakte zu anderen Menschen

Eine schlaflose Nacht später ist rechnerisch immer noch alles möglich, nur nicht, dass Gross am kommenden Spieltag die Trümmertruppe aus der Veltins-Arena als Trainer betreut. Überhaupt, was soll das heissen "rechnerisch noch alles möglich". Rechnerisch ist es auch möglich, dass ich dieses Jahr im Finale von "Germany´s Next Topmodel" neben Heidi Klum sitze und mit ihr über Plusquamperfektion philosophiere. Das wird aber nicht passieren, obwohl selbst dafür die Chancen sicherlich deutlich grösser sind als auf einen Klassenerhalt von Schalke 04.

Übrigens: Spielerrevolte? Wie wollen denn ausgerechnet die Spieler von Schalke 04 eine Revolution anzetteln? Historisch betrachtet liegt einer erfolgreichen Revolution ja stets zugrunde, dass eine erhebliche Anzahl von Menschen damit beginnt, aus ihren normalen Alltagsaufgaben auszubrechen und stattdessen für signifikante Änderungen auf höherer Ebene sorgen. Nun hat allerdings auf Schalke schon lange kein Spieler mehr auch nur annähernd seine normale Aufgabe vernünftig erledigt. Eine Revolution nur zur Ablenkung von eigenen Unzulänglichkeiten, das nennt man nicht Revolution, sondern Maut-Affäre im Verkehrsministerium.

Insgesamt darf man resümieren: Der noch nie als sonderlich ruhiges Biotop für langfristige sportliche Basisarbeit bekannte Ruhrpott-Club ist unterdessen auch für Sponsoring-Aktivitäten derartig toxisch, dass Veltins bereits darüber nachdenkt, das Schalker Stadion für den Rest der Laufzeit ihres Namens-Sponsorings in "Brinkhoffs-Nummer-1-Arena" umbenennen zu lassen. Kein Wunder also, dass die Bandenwerbung in der Brinkhoffs-Nummer-1-Arena derweil ziemlich ausschliesslich aus "NordStream 2"-Werbetafeln besteht. Und das, obwohl die einzige Pipeline, die für Schalke 04 relevant ist, direkt in die zweite Liga führt. Kein Wunder also, dass Schalke 04 in dieser noch lange nicht beendeten Saison schon jetzt mehr Trainer hatte als der Durchschnittsbürger während der Pandemie Kontakte zu Menschen, die nicht zu seinem Haushalt gehören.

So, jetzt aber genug über Schalke. Das ist ja hier eine Unterhaltungskolumne. Was war also los bei den Schönen und Reichen diese Woche? Sophia Thomalla etwa greift das Lob der Woche ab. Oliver Pocher persönlich bescheinigte ihr nämlich, für das Qualitätsformat "Are You The One?" (quasi eine Mixtur aus Tinder, Love Island und Naked Attraction) die bessere Moderatorin zu sein als Vorgänger Jan Köppen. Thomallas Mutter Simone war übrigens lange mit Rudi Assauer liiert und dieser daher sowas wie ein inoffizieller Vaterersatz für Sophia, die mittlerweile übrigens mehr Tattoos hat als Schalke 04 Punkte.

Stellungskrieg der Welterklärer-Bubble

Stichwort Reality-TV: Ebenfalls heiss umkämpft diese Woche: Die Relevanz der Öffentlich-Rechtlichen Sender. Nachdem Teile der CDU immer lauter die Fusion von ARD und ZDF fordern, um viele Milliarden an von AfD und Boulevardmedien zu Propagandazwecken gerne als "Zwangsgebühr" deklarierten Rundfunkbeiträgen einzusparen, brannte ein Stellungskrieg der Welterklärer-Bubble gegen das konservative Establishment auf, gegen den die Attacken von Donald Trump gegen Joe Biden wie liebevolle Poesiealben-Gedichte anmuten.

Die einen sahen ihre Jobs oder wenigstens die Hoffnung darauf, eines Tages mal von Rundfunkgebühren abseits des normalen TV-Wettbewerbs, wo noch Quoten als Erfolgswährung gelten, sicher bis ans Lebensende alimentiert zu werden, schwinden. Die anderen beschworen den inneren Christian Lindner und erinnerten daran, dass normalerweise der Markt alles regelt. Auch, ob die Nation zwei opulente Sendeanstalten benötigt, mit deren jährlichem Gebührenbedarf man alternativ auch den Hunger in der Welt beenden könnte.

Insbesondere der offiziell zumeist unter Satiriker laufende Jan Böhmermann wetterte vehement gegen jeden, der dieser Idee auch nur im Ansatz als zumindest mal diskutabel deklarierte. Nun ist Böhmermann seit jeher beim ZDF angestellt und muss sich insofern über die Quoten oder gar die Refinanzierung seiner Formate im Wettbewerb keine Sorgen machen. Eventuell packte ihn also zwischenzeitlich die Angst, eine Fusion von ARD und ZDF würde dazu führen, dass er seinen gerade erst im Zweiten angetretenen Sendeplatz am Freitagabend an die aktuell noch parallellaufende "Tatort"-Wiederholung auf dem Ersten verlieren könnte.

Woher diese Angst rühren könnte, bleibt unklar. Hauptberuflich widmet sich Bremens achtbekanntester Bremer nach Oberarzt-Postbote Gert Postel, Rentnerschreck Carsten Maschmeyer, Daily-Talk-Ikone Bärbel Schäfer, Boris-Becker-Double Ben Becker, "Coco Jambo"-Sängerin Judith Hinkelmann, Revolverheld Johannes Strate und Ninja Worrier Laura Wontorra ja schon lange dem Zerschneiden von Tischtüchern. Insbesondere seiner eigenen zu Deutschlands grössten Zeitungs-Verlagen wie der FAZ (Interview nicht veröffentlicht, zack: Offener Brief), Axel Springer ("Menschenfeinde!") oder der ZEIT ("Liberalismus ist das, woran es Ihnen leider mangelt, Herr Böhmermann"), was direkt anschliessend den zweiten Böhmermann-Shitstorm der Woche entfachte. Zwei zum Preis von einem, das kennt man ja sonst nur von Julia Klöckner, bei der man neben einer Ministerin immer gleich noch ein Nestlé-Testimonial mit dazu erhält.

CSU nennt Jan Böhmermann einen "durch Rundfunkgebühren finanzierter Clown"

Wenn es im Internet hoch hergeht, ist die digitale Neuland-Partei CSU erfahrungsgemäss nicht weit. Zuverlässig kategorisierte die Spasspartei aus Bayern Jan Böhmermann diese Woche dann pauschal als "durch Rundfunkgebühren finanzierter Clown". Was lustig ist für einen Laden, der sich einen durch Steuergelder finanzierten Clown als Ministerpräsidenten hält.

Ansonsten ist es relativ ruhig geblieben. Vielleicht, weil Jens Spahn erstmal eine Weile mit dem Sortieren seiner Immobilien beschäftigt ist und bei ProSieben jetzt die Revolution ihre Kinder frisst. Oder zumindest ihre eigenen Körper. Jedenfalls, wenn ich die Aufregung um Micky Beisenherz, Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf richtig verstanden habe. Ich konnte Freitagabend nämlich leider "Duell um die Welt" nicht anschauen, weil gleichzeitig "Let´s Dance" in Staffel 14 startete.

Was das Naschen an leckeren Snacks angeht, liegt ProSieben allerdings traditionell vor RTL. Dieser Tage hat zum Beispiel Joko Winterscheidt eine eigene Schokoladenserie gelauncht und das dazugehörige Unternehmen Schoko Winterscheidt GmbH genannt. Alleine dafür habe ich 500 Probierpakete bestellt, die ich jetzt sukzessive an Instagram-Profile verteile, die ein Bild posten, auf denen sie ein Schild mit "Lest Marie von den Benkens Wochenrückblick!" hochhalten. Bitte alles zur schnelleren Identifikation mit @Regendelfin sowie #SchokoMarie taggen und vielleicht schon bald eine wohlschmeckende Schokolade geniessen. Vielleicht mit einem schönen Klaas heissem Kakao. Viel Glück und bis nächsten Montag!

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