Was für eine Woche. Skandal jagt Skandal. In den Boulevard-Redaktionen knallen die Champagner-Korken – die Titelgeschichten schreiben sich quasi von alleine. Robert Geiss zum Beispiel möchte Spanien verklagen, weil er "eine asoziale Nacht im Knast" verbringen musste. Mal abgesehen davon, dass das formaljuristisch die lustigste Idee ist, seit Beatrix von Storch die Sonne verklagen wollte, bin ich natürlich sehr gespanntro, ob Spanien verurteilt wird und dann selber in den Knast muss. Man hört ja viel von Lockdowns dieser Tage, das wäre wenigstens mal eine besondere Variante. Da bekäme auch der Satz "Spanien riegelt sich ab" eine ganz neue Bedeutung.

Eine Satire
Diese Kolumne stellt die Sicht der Autorin dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Übrigens, falls Sie sich jetzt fragen bei welchem Verein Robert Geiss überhaupt spielt oder zu welcher Partei er gehört: Robääääärt spielt bei "Die Geissens" den Mannschaftskapitän und gehört somit zu RTL ZWEI. Sie kennen ihn vielleicht aus Filmen wie "Champagner macht keine Rotweinflecken" und "Wir haben erst 2011, da kann die Akropolis doch nicht 2500 Jahre alt sein" oder von seinem Erziehungsratgeber für die bodenständige Mittelstandsfamilie: "Wer keine Hausaufgaben macht, fährt auch nicht Jet-Ski".

Oh, wie unschön ist Panama

Schlimmer unter die Räder als Robert Geiss kommt diese Woche eigentlich nur noch die legendäre Tigerente. Pünktlich zu seinem Geburtstag wird Tigerenten-Schöpfer Janosch als übler Sexist entlarvt, der vermutlich bereits mehrere Generationen von Kinder" unbehelligt mit "Oh wie schön ist Panama" zu potenziellen Sexist*innen (m/w/d) umerzogen hat. Auch Sie erinnern sich bestimmt. Vorher aber aus journalistischer Sorgfaltspflicht noch eine Triggerwarnung: Wenn Sie nicht von Janosch traumatisiert werden möchten, springen Sie jetzt bitte direkt zum nächsten Punkt der Tagesordnung weiter unten ("Lorem Ipsum").

Ah, Sie sind noch hier? Dann haben Sie es nicht anders gewollt. Herzlich Willkommen zur Woke-WM, nur ganz ohne Stefan Raab. Dafür aber mit Janosch. Dieser zwielichtige Janosch nämlich erweckt in seinen als Kinderbücher getarnten Werken Alte Weisse Cis-Mann Ekel-Phantasien zum Leben. Er lässt sogar einen Frosch die Tigerente küssen, ohne dass diese in den Kuss eingewilligt hätte. Zum Glück für uns alle gibt es die Einwilligungs-Beauftragte Teresa Bücker, die diesen unhaltbaren Zustand nach all den Jahren der janoschen Schreckensherrschaft über die Kinderzimmer der Nation endlich öffentlich macht.

Ich bin wirklich glücklich, in einem Land geboren worden zu sein, in dem angesichts einer weltweiten Pandemie, einer bevorstehenden Klimakatastrophe und unzähligen hochskandalösen Ungereimtheiten unserer Spitzenpolitiker ausgerechnet Liebesbekundungen zwischen Tigerenten und Fröschen unser grösstes Problem zu sein scheinen. Und natürlich, dass Frau Bücker breite Zustimmung aus der Empörungs-Bubble erhielt. Wichtige Themen sollten gehört und nicht unter den Teppich gekehrt werden. Mit grossem Stolz auf den intellektuellen Zustand unseres Landes durfte ich also beobachten, wie zahlreiche Meinungsführer mit durchschnittlich dreieinhalb Twitter-Followern Frau Bücker uneingeschränkt zustimmten und umgehend zum totalen Janosch-Canceling aufriefen.

Gut, man könnte jetzt natürlich argumentieren, dass die Tigerente ein Holzspielzeig ist, die als solches in zahllosen Janosch-Erzählungen wenig überraschend noch nie ein einziges Wort gesprochen hat. Oder, dass Kinder nach der ab sofort für alle Eltern und Buchhandlungen geltenden neuen Bücker-Regel für Kussverhalten in Kinderbüchern auch ihre Stofftiere, Puppen, Katzen oder Hunde nicht mehr küssen oder streicheln dürften. An eine formaljuristisch einwandfreie Einwilligung von diesen ist nämlich ebenfalls nur äusserst schwer zu gelangen. Das wäre dann allerdings konstruktive Kritik an vollkommen absurder, konstruierter Aufschrei-Hysterie und das wird der Wichtigkeit der Themensetzung bei der selbsternannten Welterklärer-Clique natürlich nicht gerecht.

Ja, da werden Sachverhalte schon mal zugunsten der eigenen Agenda zurechtgebogen, wichtige Fakten selektiv als unnötig aussortiert oder für eine alternative Interpretation leicht modifiziert – aber das ist notwendig. Das muss man verstehen. Bücher verkaufen sich nicht von alleine. Vor allem inhaltlich fragwürdige. Da heiligt der Zweck schon mal die Mittel. Wer das nicht einsieht, der hielt wahrscheinlich auch die DDR für einen Unrechtsstaat. Janosch, der alte Gangster. Ich würde mich nicht wundern, wenn Janosch in den letzten Monaten stark überteuerte Tigerenten-Masken ans Gesundheitsministerium veräussert hätte. Wo bleibt eine Ehrenerklärung von Janosch, frage ich! Hier läuft viel zu viel schief! Danke, Merkel!

Lorem Ipsum

Ebenfalls ein grosser Aufreger diese Woche: Die vermeintliche Inhaltslosigkeit der SPD-Kampagne zur Bundestagswahl. Es tauchen erste Design-Konzepte für Werbe-Plakate auf, mit denen die Sozialdemokratie nach langer Durststrecke mal wieder das Kanzleramt in ihre Arbeiterpartei-Finger bekommen möchte. Oh, oh, da werden die zuletzt bereits von Bundestrainer auf Impfstoff-Beschaffungs-Koryphäen umgeschulten Kommentarspalten-Trolle spontan zu Diplom-Kreativen. Und als solcher fällt ihnen natürlich direkt auf, dass auf den Motiven keine Slogans zu sehen sind, sondern überall lediglich "Lorem Ipsum" steht. Jedenfalls denen, die lesen können.

Da ist die Verwirrung gross, denn überraschenderweise heisst der Kanzlerkandidat der SPD gar nicht "Lorem Ipsum". Entsprechend laut und höhnisch fallen die Kommentare aus. Wären bei der Bundestagswahl nur diejenigen wahlberechtigt, die absolut keine Ahnung haben, wie in den Medien und der Werbebranche Kampagnen entworfen, was Blindtexte sind und wie Layout-Zwischenstände abgestimmt werden, würde die SPD vermutlich an der 5%-Hürde scheitern. Ich persönlich verstehe die ganze Aufregung nicht. Aus meiner Sicht hätte die SPD selbst mit "Lorem Ipsum" immer noch ein ausgereifteres Wahlprogramm als etwa die FDP.

Der Spahn/Scheuer-Effekt

Ansonsten bestätigt sich diese Woche ein Trend, der schon für das gesamte Jahr gilt: Time To Say Goodbye. Jan Hofer weg, Angela Merkel weg – und diese Woche folgen Dieter Bohlen und Jogi Löw. Während sich auf Social-Media die Witze-Beauftragten noch streiten, ob Merkel nun Bundestrainerin wird und Löw Kanzler, befürchten Berufspendler bereits, der Modern-Talking-Anteil der Radio-Playlists würde überproportional ansteigen. Ich halte beides für unwahrscheinlich, obwohl man sagen muss: Schlechter als vorher wäre das auch nicht.

Wobei Merkel ja immerhin schon mal zwischen den nackten WM-Helden in der Kabine stand. So viele Verluste. Tröstend wirkt da höchstens, dass der Vertrag von Heidi Klum noch eine Weile läuft. Immerhin machen dieses Jahr eine Menge junger Menschen ihren Schulabschluss, die noch nie von jemand anderem regiert wurden als von Angela Merkel. Denen bleibt dann wenigstens "Germany´s Next Topmodel". Traditionen sind wichtig.

Für mich sind in diesem Zusammenhang ganz andere Dinge elementar. Zum Beispiel, dass Dieter Bohlen nicht die Tagesschau übernimmt. Jan Hofer in der DSDS-Jury, meinetwegen. Er kann nicht tanzen und ist aktuell immerhin bei "Let´s Dance" dabei. Singen kann er auch nicht, das wäre also nur logisch. Was die Abschieds-Szenarien unterscheidet, ist ein kleines Detail: Der Auslöser. Cheri Cheri Lady Merkel, You´re My Jan, You´re My Hofer und Brother Löwi, Löwi, Löwi gehen freiwillig. Bei Dieter Bohlen kolportiert man, er hätte sich niemals freiwillig in die ewigen RTL-Castingshow-Jagdgründe begeben. Und auch dann nur, wenn man ihn mit einem Exorzismus und einer Nora-Kette sanft dazu zwingen würde.

Beinahe versöhnlich wirkt es in dieser rauen Zeit des Wandels, dass eine Sache stabil bleibt: Die CDU verliert bei beiden Landtagswahlen. Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Der politikwissenschaftliche Fachbegriff dafür lautet übrigens: Spahn/Scheuer-Effekt. Der bedeutet übrigens nicht, dass man Jens Spahn immer sofort eine scheuern möchte, wenn man ihn sieht, sondern dass Minus mal Minus doch nicht immer Plus ergeben. Und mit diesem mathematischen Kleinod verabschiede ich mich bis nächste Woche.

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