Nachdem in den vergangenen Monaten insbesondere Kandidaten und Kandidatinnen wie Richard David Precht, Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer, Friedrich Merz oder Markus Lanz die Gold-Medaillen der Fremdscham-Olympiade in diesem Rückblick Woche für Woche relativ souverän eingefahren haben, möchte ich mich diese Woche endlich mal wieder der schönsten Nebensache der Welt widmen: Dieter Bohlens anstehender Liebeshochzeit mit Katja Krasavice. Nein, kleiner Spass.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wenn ich alte weisse Männer hören möchte, die intellektuell lange über ihren Zenit hinaus sind und sich damit offenbar dafür qualifiziert haben, bemerkenswert oft bei den False Balance Weltmeisterschaften von Markus Lanz den frei gewordenen Dauerparkplatz von Karl Lauterbach zu übernehmen und ihre kruden Thesen in den ZDF-Abendhimmel zu postulieren, lese ich das Buch von der Frau vom aktuellen Finanzminister und der Blondine, die "BILD TV" zu einem 0,2 Prozent Quotengiganten hochgeclickbaitet hat.

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Nein, es geht natürlich um König Fussball. Den beliebtesten König der Welt. Mit weitem Abstand vor King Charles III: (viele kennen ihn noch als "Prince Charles" aus der TV-Serie "The Crown"), König Boris (Fettes Brot ist auf Abschiedstour, es ist wirklich ein furchtbares Jahr) und Lotto King Karl.

Was bietet uns der volkstümliche Lieblingssport nur für Geschichten. Borussia Dortmund etwa. Wer mein bisheriges Wirken, etwa auf Twitter, Instagram oder in diversen Magazinen, halbwegs konzentriert mitverfolgt hat (also niemand), der weiss: Der BVB ist historisch schon allein aus familiären Gründen mein Herzensverein. Wer einmal die Südtribüne hat ausrasten sehen, live im Stadion, der ahnt, was Adrenalin so alles an Euphorie auslösen kann.

Lukas Tordalis

Dennoch ‒ da hilft auch keine rosarote Vereinsbrille in den Lieblingsfarben der Paris Hilton der frühen Nullerjahre ‒ muss man attestieren: Seit etwa 2013 war die Kernkompetenz des BVB, in den entscheidenden Phasen der Saison jede Menge Punkte gegen eindeutig schlechter besetzte Teams zu verlieren und konsequent die erfolgreiche Arbeit einzustellen, wenn Klassenprimus Bayern München mal versehentlich ins Schwächeln geriet.

Auf mehr als sieben Jahre mit Jahrhunderttrainer Jürgen Klopp (inklusive zwei Meisterschaften und einem Champions League Finale) folgten acht Jahre einer oft nur schwerlich mit anzusehenden Stotterphase, in der mehr Trainer verschlissen wurden als Lukas Cordalis während seines kürzlichen Ausflugs ins Dschungelcamp Fans verloren hat.

Konsequent agierte man als zuverlässiger Punktelieferant für angeschlagene Trümmertruppen und hilfreiche Talentschmiede für zahlungswillige Spitzenklubs. Das Gesicht der Mannschaft, Sommer für Sommer durch unforcierte Abgänge und mal mehr, mal weniger gut funktionierende Kompensationskäufe durcheinandergewirbelt, zeigte oft viel Licht und Ansätze von Genialität.

Gelegentlich wehte sogar ein kleiner Hauch Klopp durch das Westfalenstadion. Gleichzeitig zeigte das Gesicht aber auch viel Schatten. So richtete man sich nach und nach als verhältnismässig sichere Bank für einen Startplatz in der Champions League ein, ohne jedoch eine realistische Chance zu haben, irgendwann mal wieder Deutscher Meister zu werden.

Wir sind alles Dortmunder Jungs

Wenn es gut lief, sprang hier und da mal ein Pokalsieg raus, die Meisterschale jedoch hat sich inzwischen an der Isar zur Ruhe gesetzt. Natürlich ist es nicht einfach, immer wieder Abgänge wie Ousmane Dembélé, Pierre Emerick Aubameyang, Erling Haaland, Jadon Sancho, Christian Pulisic, Ilkay Gündogan, Robert Lewandowski oder Mario Götze (als Mario Götze noch Mario Götze war) zu kompensieren.

Auch unglückliche Momente wie die Trennung von Thomas Tuchel, Sven Mislintat, die Corona-Phase oder der unsägliche Bombenanschlag vor dem Spiel in der Champions League gegen AS Monaco 2017 trugen nicht unbedingt dazu dabei, einen Mannschaftsspirit zu erzeugen, der die jungen, unerfahrenen Toptalente und die oftmals stotternden etablierten sogenannten Starspieler zu einer verschworenen Einheit und das Westfalenstadion zu einer uneinnehmbaren Festung formen konnte.

Dieser Tage jedoch scheint ein wenig von alldem in die DNA der Mannschaft zurück gekehrt zu sein. Spiele, die in den vergangenen Jahren durch eigentümliche individuelle Fehler oder kollektiven Konzentrationsabfall aus der Hand gegeben wurden, werden dieses Jahr gewonnen. Auch und besonders, wenn man mal nicht so überragend spielt. Eine Eigenschaft, die man sonst nur vom Branchenprimus kennt und die dem BVB von jeher fehlt.

Jeder einzelne Spieler scheint mental wie sportlich einen Schritt nach vorne gemacht zu haben. Bestes Beispiel ist vermutlich Julian Brandt. Zweifelsfrei einer der talentiertesten Spieler des Landes und mit grosser Vorfreude 2019 zu Borussia Dortmund gewechselt, folgten auf leichtfüssige Sahnemomente mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks komplett unerklärliche "Bruder Leichtfuss"-Aussetzer, die nicht selten zu Gegentoren, bemerkenswert oft zu vergeigten Topchancen und vor allem zu Entsetzen bei den Fans führten.

Ruhrpott-Helden werden geboren

Ich selbst habe seit Jahren Dauerkarten für den BVB und kann mich an viele Situationen erinnern, in denen Sätze wie "Brandt, diese Lusche" bei den alteingesessenen BVB-Fans hinter mir in Block 52 zum Standardrepertoire gehörten. Heute sind sie voll des Lobes. Klar, der Fussballfan an sich, nicht nur in Dortmund, neigt oft dazu, sein vernichtendes Urteil über einen Spieler schneller zu revidieren als Markus Söder, der 2007 ein "generelles Zulassungsverbot für Verbrenner-Autos ab 2020" gefordert hatte, während er heute eindringlich vor einem Verbrenner-Verbot ab 2035 warnt, weil es "dem Industriestandort Bayern und den Beschäftigten der Automobilbranche schadet".

Die Renaissance des Julian Brandt ist aber dennoch bemerkenswert. Inzwischen ist Brandt zu einem Leuchtturm des BVB-Spiels geworden und steuert quasi in jedem Spiel Scorerpunkte oder entscheidende Pässe bei. Es ist davon auszugehen, dass er im Sommer der nächste Kandidat ist, für den irgendein neureicher Klub aus England eine horrende Summe bietet, wenn er diese Form die nächsten Wochen konservieren kann.

Klar ist jedenfalls: Zu diesem Zeitpunkt war in den vergangenen Jahren der FC Bayern München in der Bundesliga zumeist bereits im Grunde uneinholbar enteilt. Zurecht. Nicht, weil der FC Hollywood stets so beeindruckenden Fussball von einem anderen Stern gespielt hätte, sondern weil sie eben Konstanz zeigten und in den entscheidenden Momenten zumeist voll da waren.

Und natürlich, weil alle anderen Anwärter darauf, bei Gelegenheit mal am Thron zu kratzen, überraschend erfindungsreich dabei vorgingen, sich selbst einen Strich durch die Rechnung zu machen. So legte sich Jahr für Jahr traditionell eine lethargische Langeweile über die Phase zwischen März und Ende Mai. Es ging nur noch darum, wer absteigt, gegen wen Bayern die Champions League vergeigt und ob Robert Lewandowski mit fünf oder mit zehn Toren Abstand Torschützenkönig wird.

Nun ist Lewandowski dieses Jahr ist nicht mehr dabei – aber auch der empirisch zu erwartende Einbruch der Konkurrenz lässt auf sich warten. Dortmund agiert punktgleich zum finanziell längst uneinholbar enteilten Rekordmeister, genauso wie Überraschungsteam Union Berlin. Gut für die Liga, gut für die Spannung, ungewohnt für Fans des FC Bayern. Vor allem aber keine Eintagsfliege. Neun Spiele bereits – wettbewerbsübergreifend alle Spiele gar im Jahr 2023 – hat der BVB gewonnen. Knappe Spiele, klare Spiele, wichtige Spiele.

Natürlich wird die Saison nicht damit zu Ende gehen, dass der BVB weitere 20 Spiele am Stück gewinnt – aber in den vergangenen zehn Jahren folgte auf zwei, spätestens drei gute und ergebnisfreundliche Spiele stets die Ernüchterung. Mit neuen Spielern wie Adeyemi, Ryerson oder Schlotterbeck, mit wiedererstarkten Spielern wie Can oder Guerreiro, mit sich Richtung Weltklasse entwickelnden Spielern wie Bellingham, Kobel oder Brandt und mit Top-Talenten wie Reyna, Moukoko oder Bynoe-Gittens scheint eine Mischung gefunden und die Mannschaft mit einem Trainer (Edin Terzic) ausgestattet zu sein, die gemeinsam Grosses bewirken können. Und vor allem: wollen. Man darf also gespannt sein. Bis nächste Woche!

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