Huch, sind wir zurück in den 80ern? So fühlt man sich zumindest, wenn man den "Supernasen" zuhört: In ihrem Podcast reisen Thomas Gottschalk und Mike Krüger gedanklich zurück in Zeiten, in denen "Bauern noch Frauen suchten, nicht andersherum"– und geben einen Geheimtipp für die "Wetten, dass.. ?"-Nachfolge ab.
Es dauert nur elf Minuten, bis man bei "Wetten, dass.. ?" angelangt ist. Na klar,
Die wie ernst auch immer gemeinte Bewerbung der Kaulitz-Brüder für die Nachfolge sieht er jedenfalls kritisch: Die Sendung bedürfe einer "gewissen Pflege", die internationalen Promis liessen sich heutzutage nicht mehr so einfach auf eine deutsche Fernsehcouch locken, und, das sagt er nicht explizit, aber die Message wird trotzdem deutlich: Nicht jeder versteht sich so wie er darauf, aus diesen Promis auch noch intime Geschichten herauszukitzeln. Schon gar nicht
Lesen Sie auch
Wie alles begann: Zwei Herren betreten die Podcast-Welt
Wie Gottschalk über "Wetten, dass.. ?" spricht, mit einer Mischung aus nostalgischer Wehmut und trotzigem Abschiedsschmerz, zeigt ganz gut, worum es in "Die Supernasen" geht. Alle zwei Wochen veröffentlicht der Moderator eine neue Podcast-Folge gemeinsam mit seinem früheren Radio-Kollegen
Für alle Unter-70-Jährigen: Der Name des Podcasts bezieht sich auf eine Filmkomödie aus dem Jahr 1983, für die Gottschalk und Krüger das Quatsch-Drehbuch schrieben und zwei mässig begabte Detektive spielten.
Seit April 2023 jedenfalls beglücken oder entsetzen Gottschalk und Krüger die Podcast-Welt mit Gesprächen über ihre Sicht der Welt, je nachdem, wie sehr man auf 80er-Jahre-Gags steht ("Die Frau von Thomas hiess früher Thea, jetzt heisst sie Carina").
Man könnte die Intention des Podcasts auch so zusammenfassen: Zwei ältere Herren lassen ihrer Nostalgie über längst vergangene Zeiten und ihrem Unverständnis über die moderne Welt freien Lauf.
Gottschalk problematisiert Politik, Rente und Streik
Die aktuelle Folge etwa heisst "Seniorenberatung". Darin werden erst einmal die Vorteile des ultimativen deutschen Rentner-Eldorados Baden-Baden aufgezählt: "Wir haben hier weder Bomben noch Traktoren auf den Strassen", berichtet Thomas Gottschalk aus seiner Wahlheimat.
In Baden-Baden gebe es keinen Grund zu demonstrieren, hier rollten E-Limousinen und Rollatoren friedlich durch den Kurort. Klare Sache: Wären mehr Städte wie Baden-Baden, die Welt wäre ein friedlicherer Ort.
Probleme gibt es schliesslich genügend, wie Gottschalk und Krüger anschliessend feststellen. Angefangen beim Bauernstreik, der vor allem Krüger zu beschäftigen scheint. Sein Schwank aus dem Bekanntenkreis: Landwirtschaftsminister
"In der Politik sind wirklich kompetente Leute unterwegs", so Krüger ironisch. In seiner Welt scheinen Stammtisch-Gerüchte wie aus dem Fritzchen-Witze-Heft völlig auszureichen, um Spitzenpolitikern die Qualifikation abzusprechen. Kein Wunder: Er kommt ja noch aus einer Welt, wie Thomas Gottschalk das erklärt, "in der es noch hiess: Frau sucht Bauern, nicht Bauer sucht Frau".
"Die Supernasen": Darum geht es
Die perfekte Überleitung zu einer Unterhaltung, in der es um so ziemlich alles geht, was im Jahr 2024 nicht mehr so ist wie früher einmal. Die Prominenten von heute interessieren die beiden nicht mehr (Gottschalk nennt Pop-Superstar Selena Gomez, 31 Jahre alt, eine "Halbwüchsige"). Es geht um Karrieren, die einst ganz anders verliefen (Gottschalk: "Es ist wichtig, dass Karrieren klein anfangen, so wie bei Udo Jürgens").
Es geht um Autos, in denen die Prominenz der öffentlich-rechtlichen TV-Sender von heute sicherlich nicht mehr durch die Gegend kurven kann, ohne einen Shitstorm zu riskieren (Gottschalk gibt eine eher wirre Geschichte zum Besten, in der es um Vergleiche zwischen Rolls-Royce und Maybach S-Klassen geht und bei der die Pointe darin liegt, Günther Jauch für dessen Karossen-Sparsamkeit zu veräppeln). Und es geht um "echte" Frauen im Vergleich zu KI-Schönheiten (auf Barbara Schöneberger lässt Gottschalk nichts kommen, auch wenn Mike Krüger oberlehrermässig darauf hinweisen muss, dass deren Podcast-Titel "Mit den Waffeln einer Frau" eigentlich ein Karl-Dall-Witz sei).
Ausserdem erfährt das Publikum, dass beide Moderatoren zu Hause riesige Vinyl-Sammlungen beherbergen, aber so gut wie nie Schallplatte hören, weil Playlists einfach bequemer sind; dass keiner von beiden nach dem Tod seine Asche auf den Mond zu schicken gedenkt; und dass Thomas Gottschalk nur mit einem Finger auf dem Handy tippen kann, weshalb es sehr lange dauert, bis er eine Information ergoogeln kann.
Gottschalk und Krüger wollen ihr "Altherren-Image" loswerden
Nach 55 Minuten Sendedauer ist man als Zuhörerin ganz erschöpft vom vielen Retro-Gelaber der beiden "Supernasen". Dabei startete die Folge eigentlich mit dem Versprechen, man wolle das "Altherren-Image" loswerden, das den beiden anhafte. Von diesen Bemühungen ist sehr schnell nicht mehr viel zu merken.
Das einzige Zugeständnis, das die beiden an die Gegenwart machen, besteht darin, Sport1-Moderatorin Katharina Kleinfeld als Geheimtipp für eine mögliche Weiterführung von "Wetten, dass.. ?" zu empfehlen (ja, es geht wirklich sehr viel um die "Wetten, dass.. ?"). Mike Krüger ist nämlich ganz beeindruckt davon, dass die "junge Dame" (Kleinfeld ist 30) nicht nur gut aussieht und Englisch kann, sondern sich getraut hat, die Darts-WM zu moderieren: "Und war dabei auch noch lustig!"
Ächz, seufz, stöhn. Selbst mit sehr viel Verständnis für generationsbedingte Interessensunterschiede ist dieses Geschwafel von Hinter-Vorgestern schwer zu ertragen. Weil in jeder Erzählung eine faszinierende Anspruchshaltung mitschwingt, wie sie die Babyboomer-plus-Generation allzu gern kultiviert: Es gibt nur eine wirklich wahre Perspektive auf die Dinge, und das ist unsere. Und wer das anders sieht, kann ja woanders hingehen, zum Beispiel zu Instagram, wo sich Thomas Gottschalk zufolge nur "Unter-Zwölfjährige" bewegen (na ja, und er selbst mit 96.000 Followern).
Vielleicht muss man die Sache aber so betrachten: Ohne Podcasts wie die "Supernasen" hätte man ja gar keinen öffentlichen Beweis dafür, dass das Klischee vom alten, weissen Mann eben keine Feindbild-Erfindung junger Feministinnen ist – sondern real existiert. Und immer noch sehr viel Sendezeit bekommt.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.