Seit fast zehn Jahren ist Sebastian Ströbel in der Erfolgsserie "Die Bergretter" im Einsatz. In dem ZDF-Zweiteiler "Herzstolpern" spielt er nun einen Tischler und Vater eines Jugendlichen mit Down-Syndrom. Wir haben mit dem Schauspieler über das Thema Inklusion gesprochen und zudem erfahren, dass er nicht nur in seiner Rolle handwerklich begabt ist. Ausserdem spricht er über seine Zukunft bei den "Bergrettern".
Herr
Sebastian Ströbel: Tatsächlich hatte ich in der Vergangenheit sowohl beruflich als auch privat mit Menschen zu tun, die mit dem Bonus-Chromosom zur Welt gekommen sind. Schon vor über 20 Jahren habe ich zum Beispiel mit Bobby Brederlow (ein Schauspieler, der mit dem Down-Syndrom geboren wurde; Anm. d. Red.) gedreht. Sogar in meiner Grundschulzeit in den 80ern kannte ich ein Mädchen mit Down-Syndrom. Mir war dieses Thema also nicht fremd und ich hatte keinerlei Berührungsängste. Nichtsdestotrotz habe ich mich damit in der Vorbereitung auf die Filme noch einmal auseinandergesetzt und mich eingelesen.
Was hat Sie davon überzeugt, an dem Projekt "Herzstolpern" mitzuwirken?
Dass das Thema Inklusion in beiden Filmen so behandelt wird, wie es behandelt werden sollte: nämlich völlig normal. Diese zwei jungen Menschen Felix (gespielt von Benjamin Raue) und Emma (gespielt von Juliane Siebecke) stehen zwar im Vordergrund, doch dass sie ein Down-Syndrom haben, spielt eigentlich keine Rolle. So sollten wir in unserer bunten und diversen Gesellschaft mit allem und jedem umgehen.
War das in den Filmen mit Bobby Brederlow Ende der 90er und Anfang der 2000er noch anders? Wurde damals noch zu sehr auf die vermeintlichen Besonderheiten eingegangen?
Auch in "Herzstolpern" wird auf die Herausforderung, die ein Zusammenleben mit Menschen mit Down-Syndrom mit sich bringt, eingegangen. In meiner Rolle bin ich schon ein Stück weit ein Helikopter-Vater, weil Felix einen Herzklappenfehler hat, der unbedingt operiert werden muss. Dieser Aspekt spielt eben auch eine Rolle, trotz der Normalität ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Menschen mit einem Bonus-Chromosom verfügen über sehr viel Energie und Herzlichkeit, zeigen manchmal aber auch ihre wütende oder abweisende Seite. Den Umgang mit diesen Bedürfnissen, diese Urgewalt, haben wir in unserer emotional zugemüllten Gesellschaft zum Teil verlernt. Mich hat dieses volle Glas der Emotionen nicht überrascht, andere Mitwirkende aber vielleicht schon.
Warum hat es Sie nicht überrascht?
Weil ich von Natur aus extrem offen und sehr körperlich bin, ein grosses Kind (lacht). Menschen mit Down-Syndrom fordern von ihrem Umfeld viel Liebe ein und brauchen eine positive Atmosphäre um sich herum. Dieses füreinander da sein kenne ich auch vom "Bergretter"-Set. Wir arbeiten hoch oben in den Bergen und können dort keine Stinkstiefel gebrauchen. Wir müssen zuhören, aufeinander achten und sorgsam sein. Wer mit Menschen mit Trisomie 21 zusammen ist oder zusammen arbeitet, muss Empathie haben. Und davon habe ich meines Erachtens reichlich. Von daher war diese Arbeit eine Win-Win-Situation, denn ich hatte zu Benny und Juliane sofort einen guten Draht.
Sebastian Ströbel: "Ich liebe handwerkliche Tätigkeiten"
Sie spielen den Tischler Alexander Häverkamp. Taugen Sie privat eher zum Bergretter, weil Sie als Tischler vielleicht eher selbst einen Retter bräuchten?
Nein, ich habe tatsächlich zu beiden Bereichen einen Zugang. Ich habe leider viel zu wenig Zeit, aber ich liebe handwerkliche Tätigkeiten. Es gibt unzählige Projekte, die ich gerne umsetzen würde. Ich bin übrigens auch der perfekte Gehilfe, weil ich gerne unter Anleitung arbeite und mich herumschubsen lasse. Offensichtlich habe ich eine Art Masochismus in mir drin.
Für welche handwerklichen Tätigkeiten kann man Sie besonders begeistern?
Ich liebe es, Beton anzurühren.
Bei allem Respekt: Ich habe mit allem gerechnet, aber damit nicht …
Es geht ja noch weiter: Ich schleppe den Beton auch gerne und mag es, zum Beispiel etwas zuzusägen. Diese gestalterischen und handwerklichen Arbeiten liegen mir wirklich sehr. Vielleicht finde ich dafür eines Tages wieder mehr Zeit, etwa wenn die Kinder grösser oder aus dem Haus sind.
Sie haben vier Kinder. Hat Ihnen Ihre Rolle als Vater in "Herzstolpern" in Erinnerung gerufen, dass man sich eigentlich mehr Zeit für das Privatleben nehmen müsste?
Das ist so. Dennoch versuche ich, immer für meine Töchter da zu sein, selbst wenn mir mal die Kraft fehlt. Als Schauspieler ist man im Prinzip eine Ich-AG, der Rubel muss schliesslich weiterrollen. In diese Sorge um die Zukunft, die jeder Selbstständige kennt, mischt sich die schöne Gewissheit, dass das Wichtigste im Leben die Familie und insbesondere die Kinder sind. Sie sind das Hier und Jetzt.
Ehe man sich versieht, sind die Kleinen plötzlich gross. Fällt Ihnen das Loslassen schwer?
Wenn man damit einmal angefangen hat, wird es von Kind zu Kind ein wenig leichter. Es ist natürlich ein Lernprozess. Ich würde aber von mir behaupten, dass ich im Loslassen ganz okay bin. Ich bin keine Glucke und traue meinen Kindern schon relativ viel zu. Dennoch kann ich nicht bestreiten, dass auch ich langsam den typischen Elternsatz "Ich kann erst schlafen, als ich gehört habe, wie die Tür ins Schloss gefallen ist" verstehe.
"Die Bergretter": Ein Jahrzehnt Markus Kofler im Ramsau
Sie sind bereits seit fast zehn Jahren fester Bestandteil der TV-Serie "Die Bergretter". Bleibt Markus Kofler dem Ramsau weiterhin erhalten?
Jawohl. Ich bin bei der Bergrettung nach wie vor in Lohn und Brot. Wir sind gerade dabei, die nächste Staffel zu drehen. Kürzlich haben wir ja das sehr erfolgreiche Finale der 14. Staffel gefeiert. Nächstes Jahr ist Markus Kofler dann wirklich schon seit einem Jahrzehnt mit dabei.
Gedreht wird in Österreich, Sie leben aber in Hamburg. Neben der Schauspielerei machen Sie noch einen Podcast mit Johannes Strate und Freddy Radeke. Wird Ihnen das alles nicht irgendwann doch zu viel?
Sicherlich gibt es diese Momente, in denen alles auf einmal kommt. Danach schaffe ich mir aber schon einen gewissen Freiraum. Der Podcast "Zuckerbrot und Kneipe" macht mir irrsinnig viel Spass, es hat sich einfach so entwickelt. Ich bin ein Freund davon, sich möglichst breit aufzustellen und ab und an aus seiner Komfortzone herauszutreten.
Wie hat Ihre Frau denn reagiert, als Sie in Ihrem Podcast mit Blick auf ein mögliches fünftes Kind gesagt haben: "Wir probieren es noch mal"? Um es vorwegzunehmen: Sie meinten es als Scherz …
Das war schon sehr lustig, ich werde häufig darauf angesprochen. Danach habe ich übrigens ergänzt: "Zumindest nicht mit meiner Frau." Spass beiseite: Wir sind mit unseren vier Kindern schon sehr gut aufgestellt. Je älter man wird, desto mehr leidet schliesslich auch das Nervenkostüm.
Umso besser, dass Sie anders als in Ihrer Rolle in "Herzstolpern" nicht zwischen zwei Frauen stehen, oder?
Absolut. Das Schöne an "Herzstolpern" ist, dass sich jeder in den Figuren, die alle ihre Sorgen und Nöte haben, wiederfinden kann – ob jung oder alt. Witzigerweise verhalten sich die beiden Teenager Felix und Emma erwachsener als die Erwachsenen, die alle in einen neuen Lebensabschnitt hineinfallen. Wir haben kleine Geschichten zu einem grossen Film gemacht, ohne dabei kitschig zu sein – und darauf bin ich sehr stolz. Eigentlich hätte der Titel auch "Voll das Leben" sein können, so wie der Film mit Winona Ryder in den 90ern. Ich finde, dieser Vergleich trifft es ganz gut.
Der Zweiteiler wird in einen grösseren Gesamtzusammenhang gestellt. Am 5. Mai ist der Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Einen Tag später strahlt das ZDF eine Inklusions-Reportage mit dem Titel "Einfach Mensch" aus. Wie wichtig ist Ihnen dieses übergreifende Konzept?
Das finde ich ganz toll. Schliesslich geht es uns darum, Barrieren abzubauen und Inklusion unaufgeregt darzustellen. Dabei können sowohl unsere beiden Filme, die im Hier und Jetzt spielen, als auch die Dokumentation beitragen.
Am 7. und 8. Mai läuft um jeweils 20:15 Uhr im ZDF der Zweiteiler "Herzstolpern".
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