Sie mögen Bill und Tom Kaulitz? Und vielleicht sogar deren Band Tokio Hotel? Sehr gut, dann haben Sie nichts zu befürchten. Sie mögen Bill und Tom nicht und finden auch Tokio Hotel nicht so gut? Dann behalten Sie das bitte für sich. Kritik mögen Bill und Tom nämlich nicht so gerne. Also, psssst. Ganz leise, bitte!

Christian Vock
Eine Satire
Diese Satire stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Bonjour tout le monde. Oder: Salut, ça va?, wie man auch sagt", begrüsst Tom Kaulitz die Zuhörer zur neuesten Folge "Kaulitz Hills", und der Grund, warum er das auf Französisch macht, ist der: "Mein Französisch ist sehr gut." So wortgewandt Tom die Zuhörer begrüsst, so skeptisch ist Bill bei Toms Worten. "Weisst du, was ich aber komisch daran finde? Bei 'Salut, ça va?' sagt man ja: 'Hallo, wie geht's?' Und ich finde, das geht so in einem über, das macht keinen Sinn", findet Bill. Im Deutschen sage man ja auch nicht zu jemandem sofort "Hallo, wie geht’s?"

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Das ist in der Tat merkwürdig und ich bin froh, dass endlich mal jemand den Franzosen ihre Sprache beibringt. Die machen das mit dem "Salut, ça va?" ja schon seit Jahren falsch. Das konnte man ja nicht mehr mit anhören! Klar, von allen Sprachen sprechen Franzosen Französisch noch am besten. Aber "am besten" heisst ja nur, dass sie es besser sprechen als andere Sprachen und nicht, dass sie es gut sprechen.

Immerhin können sich die beiden Brüder einigen, dass die Begrüssung "Salut!" ganz süss klingt, und da hat Bill gleich eine Anschlussfrage: "Was heisst noch mal 'À bientôt'?" Tom, wir wissen inzwischen, dass er sehr gut Französisch spricht, weiss natürlich sofort die Antwort: "'À bientôt!' heisst 'Schönen guten Abend!'", sagt er. "Ah, 'schönen guten Abend!‘", nimmt Bill diesen Wissenszuwachs auf, und Tom kann froh sein, dass Bill offenbar noch schlechter Französisch spricht als die Franzosen.

Bitte keine Kritik!

Aber Toms Selbstbewusstsein, einfach mal Dinge zu behaupten, ist trotzdem bewundernswert. Wenig später sprechen Bill und Tom dann über das jüngste Tokio-Hotel-Konzert in Frankfurt und über einen Artikel aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", der ihnen gar nicht gefallen hat. Dort kritisiert ein Journalist namens Ole Kaiser in einem Kommentar, dass zu dem Konzert keine Presse zugelassen wurde, und hat dafür die Überschrift gewählt: "Tokio Hotel scheut Presse: Gut für Musk, nicht für die Musik".

Bill wittert deshalb bereits "Schlagzeilen-Hascherei" und Tom erklärt, den Bezug zu Musk habe Kaiser deshalb gewählt, "weil der Kollege uns vorwirft, wir hätten die Presse ausgeladen, weil wir uns keiner Kritik stellen wollen." "Was ja schon mal prinzipiell okay ist", findet Bill, und als Tom daraufhin lacht, erklärt Bill seine Meinung genauer: "Wenn ich jetzt sage: Ich möchte heute nicht kritisiert werden – man ist ja nicht verpflichtet, sich kritisieren zu lassen, oder doch?"

Da hat Bill natürlich recht. Wenn jemand entscheiden sollte, ob eine Kritik zulässig ist oder nicht, dann ja wohl der Kritisierte! Wo kämen wir denn hin, wenn dies die Kritiker entscheiden! Wer sind die von der Presse denn! Dann hätte man ja so was wie eine Kontrollinstanz, die genau hinguckt, was die Reichen und Mächtigen, die mächtig Reichen und die reichen Mächtigen so machen. In so einer Welt möchte ich nicht leben, da bin ich ehrlich! Wenn man jetzt schon dafür kritisiert wird, was man macht – wo soll das enden! Wenn also Tokio Hotel ein Konzert geben, das wirklich schlecht ist, und den Leuten das Geld aus der Tasche gezogen wird – ja wer sonst ausser Tokio Hotel soll darüber entscheiden, ob das an die Öffentlichkeit kommt?

Was erlauben Kanada?

Und wenn das für Tokio Hotel gilt, dann gilt das für Regierungen und Konzerne erst recht! Wenn Friedrich Merz plötzlich genau die Politik machen will, für die er die Grünen zuvor heftig kritisiert hatte – wer soll ihn dafür kritisieren? Wir? Die Grünen? Ich bitte Sie! Und wenn die Grünen ein Heizungsgesetz mitbeschliessen, das gar nicht gut ankommt, ja dann, liebe Kritiker, schluckt bitte euren Ärger herunter, denn vielleicht ist den Grünen gerade nicht nach Kritik! Und wenn Donald Trump sich Kanada und Grönland einverleiben will, dann sollte er dafür ja wohl nicht kritisiert werden und am wenigsten von Kanada und Grönland. Was erlauben die sich denn? Was für eingebildete Länder sind das bitte?

Ausserdem, so argumentiert Tom weiter, sei so ein Konzert ja eine "Privatveranstaltung", die man alleine mache. "Das ist ja keine öffentliche Veranstaltung, wo man sich jetzt kritisieren lassen muss, wenn man nicht will." Eben! Ein Tokio-Hotel-Konzert ist eine muggelige Veranstaltung im ganz privaten Rahmen. Nur für die engsten 4.000 Freunde. Man kennt ja die vielen Künstler, die riesige Hallen mieten, um da drin für einen kleinen Kreis Musik zu machen. Die ärgern sich richtig, wenn andere Leute extra eine Karte kaufen, um die Musik zu hören. Deswegen sind Konzert-Tickets auch immer so teuer: um die Leute abzuschrecken. Weil die Musiker, ich verstehe sie ja, einfach gerne unter sich bleiben.

Aber Tom und Bills Furor geht weiter, und um den zu verstehen, zitiert Tom aus dem Artikel. Dort steht nämlich Folgendes: "Das Gebaren der Gruppe reiht sich ein in den Aufbau immer höherer Hürden, die Kritiker und Fotografen blockieren. Fotos sollen vor Publikation vorgelegt, gar ganze Texte vorher abgenickt werden. Mit Pressefreiheit hat das nichts mehr zu tun." Ich finde, da liegt Ole Kaiser in seiner Kritik völlig daneben. Wenn jemand schon kritisiert wird, dann sollte er ja wohl selbst entscheiden, wie diese Kritik ausfällt, und ja wohl nicht der Kritiker! Wenn man einfach so Kritik äussern könnte, dann wäre das ja fast so, als gelte in Deutschland Presse- und Meinungsfreiheit. Wer kann denn so was wollen?

Kritik? Kann eigentlich nur Hate sein

Aber zum Glück muss ich mich gar nicht aufregen, das macht Tom schon. Denn weil der Journalist schreibt, es gebe nun keine unvoreingenommene Kritik mehr an Konzerten, poltert es aus Tom heraus: "Wenn dieser Kollege hier nicht voreingenommen ist! Du merkst ja in jedem seiner Sätze …" "Wie er uns hasst", beendet Bill Toms Satz. Richtig, Bill! Es ist natürlich vollkommen ausgeschlossen, dass die Band Ole Kaiser schlimmstenfalls egal ist, oder dass sich der Journalist um die Pressefreiheit sorgt. Es kann sich also bei seiner Kritik gar nicht um sachliche Kritik handeln, sondern nur um Hass, also um eine reine Emotion. Anders kann es ja gar nicht möglich sein.

Klar, Bill und Tom hätten sich ja auch inhaltlich mit der Kritik auseinandersetzen können, aber mal ganz ehrlich: Das ist echt anstrengend. Jeder, der schon mal kritisiert wurde, weiss das. Der Vorwurf des Hasses ist doch viel einfacher, und die beiden sind ja auch echt gestresst wegen ihrer Tour und so. Deswegen hält es Tom mit der Begründung nur ganz kurz: "Er vergleicht uns wirklich mit Elon Musk …", beginnt Tom, und Bill beendet erneut seinen Satz: "… den wir in jedem Podcast abstrafen." Eben, du schamloser Kritiker! Wie kannst du es wagen, die beiden mit Elon Musk zu vergleichen, wo die beiden Musk doch in jedem Podcast abstrafen. Man könnte auch sagen: kritisieren.

Ausserdem, so macht Tom weiter, habe sich der Journalist viel zu kurzfristig akkreditieren lassen wollen, da habe es aber schon hunderte anderer Anfragen gegeben. Gut, das Problem von Ole Kaiser war zwar eigentlich nicht, dass er nicht eingeladen wurde, sondern dass, anders als Tom es gerade dargestellt hat, überhaupt keine Medienvertreter zugelassen waren, aber das sind Details.

Ein Kindergeburtstag namens Demokratie

Tom glaubt trotzdem daran und fährt fort: "Dann hat er keine Zusage bekommen, weil dann natürlich vorher geguckt wird: Okay, wer will kommen, was wurde zum Beispiel auch schon mal von dem Kollegen veröffentlicht und von dem Medium veröffentlicht, möchte man die da haben? Oder sagt man einfach: Weisst du was, nee, es gibt eben keine Akkreditierung – so heisst es einfach", erklärt Tom den Auswahlprozess und Bill ergänzt: "Er wird halt nicht eingeladen" Warum er nicht eingeladen wird, erklärt Bill auch: "Wenn man jetzt sagt, man möchte dieses eine Kind oder das andere Kind nicht zum Geburtstag einladen, dann ist dir das doch wohl erlaubt!"

Absolut richtig! Demokratie ist nichts anderes als ein Kindergeburtstag und die Presse ein Kind, das man eben nicht dabei haben will. Das macht sonst ja nur schlechte Laune: "Wieso soll ich jetzt die 'FAZ' einladen, wenn die 'FAZ' noch nie was Gutes zu besprechen hatte und Ole zum Beispiel ja auch ein absoluter Hater ist, wie er gerade zeigt!" Eben! Warum soll ich mir Kritik gefallen lassen, wenn mir diese Kritik doch nicht gefällt. Am Ende kaufen die Leute weniger Karten, nur weil die Kritik negativ ausgefallen ist. Warum sollte man also finanzielle Einbussen riskieren? Ausserdem ist es ja keine Kritik, sondern nur Hate! Sind sie doch selber schuld, diese Nörgelfritzen, wenn sie nicht über das Konzert schreiben dürfen. Sollen sie halt mal aufhören mit ihrer Kritik!

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Und ausserdem haben die ja ohnehin gar keine Ahnung. "Wir machen doch die Konzerte für die Leute, die gerne zu Konzerten gehen und sich das angucken und die Kritik zum Beispiel von jemandem, der da war, der sich das angeguckt hat, der Fan ist von der Musik, der uns toll findet und vielleicht auch den Vergleich mit anderen Konzerten hat, diese Kritik ist mir doch wichtig", findet Tom, und ich kann ihm da nur zustimmen. Warum denn Kritik von einem unvoreingenommenen Kritiker riskieren, wenn man auch die Kritik von einem Fan haben kann, der einen ganz toll findet?

Tom und Bill haben sich ja in ihrem Podcast auch nicht über die positiven Kritiken in den Medien gefreut, etwa, als dort ihre Netflix-Doku gelobt wurde. Da haben sie die Medien mit den positiven Kritiken in ihrem Podcast regelrecht auseinander genommen, sie sollten das mit den positiven Kritiken doch bitte unterlassen! Positive Kritik können schliesslich ihre Fans schreiben!

Kritik, Meinung, Pöbelei – was ist denn jetzt was?

Findet Bill übrigens auch und sagt über den Kritiker: "Er sagt ja auch: Die Leute haben ja keine Ahnung. Die einzigen, die ja eine unvoreingenommene Kritik geben können, sind Leute wie er, die natürlich wissen, wie die Welt funktioniert und wie die Musik zu klingen hat und der die sozialen Medien total scheisse findet." Recht hat er, der Bill! Wenn irgendwo Kritik sachlich und unvoreingenommen geübt wird, dann ja wohl in den sozialen Medien! Und überhaupt: Unvoreingenommenheit gebe es, so Tom, sowieso nicht, eine Kritik sei per se subjektiv. Auch richtig! Doch so sehr ich mich vor Bill und Toms bisherigen Ausführungen verneige und ihre Kritik an Kritik teile, muss ich hier kurz einhaken, ich hoffe, die beiden verzeihen mir.

Natürlich ist eine Kritik in gewisser Weise subjektiv – aber anhand objektiver Kriterien. Vor allem aber ist sie begründet. Das unterscheidet eine Kritik von einer blossen Pöbelei. Wenn ich zum Beispiel schreiben würde: "Bill und Tom sind nur Hater", dann wäre das nur eine kindische Pöbelei. Ich könnte aber auch schreiben: "Die Ansichten von Bill und Tom Kaulitz über Kritiken sind schwierig, denn sie höhlen die Pressefreiheit aus. Demnach dürften nämlich nur Bill und Tom entscheiden, wer sie wann und in welcher Form kritisiert. Das jedoch wäre das, was wir Zensur nennen, und Zensur und Demokratie passen nicht so gut zusammen. Würde man die Kritik-Prinzipien von Bill und Kaulitz auch auf andere Bereiche wie etwa die Politik oder die Wirtschaft anwenden, dann wäre die Demokratie in Gefahr. Deshalb halte ich solche Äusserungen für sehr gefährlich." Das wäre dann eine Kritik.

Aber wir haben ja gerade gelernt, dass Kritik nicht gut ist, und deshalb finde ich auch nicht gut, dass Bill und Tom Kritik an dem Kritiker der 'FAZ' äussern. Ich kann mir vorstellen, dass der das gar nicht will. Man ist ja nicht verpflichtet, sich kritisieren zu lassen, oder? Ich finde, über Kritik an ihm sollte Ole Kaiser selbst entscheiden. Das, lieber Bill und lieber Tom, ist nur ein Vorschlag und keinesfalls als Kritik gemeint – bitte nicht falsch verstehen. Und Ihnen, liebe Leser möchte ich schon einmal sagen: Wenn Ihnen dieser Artikel nicht gefallen hat: Ihr Problem! Also sparen Sie sich Ihre Kritik, sollten Sie an Leserbriefe oder so etwas denken, Sie Hater! Was? Wer das entscheidet? Na, ich natürlich! Also, noch einen schönen Abend! Oder wie man in Frankreich sagt: À bientôt!

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