Adrien Brody, George Clooney, Samuel L. Jackson und Co.: Der deutsche Schauspieler Michael Epp kennt sie alle. Gerade war der 40-Jährige, der lange Zeit in New York gelebt hat, in der Romanze "Sommer auf Malta" (in der ZDFmediathek verfügbar) zu sehen. Im Interview mit unserer Redaktion spricht der heimliche Hollywoodstar über "Georgie boy", Freundschaften im Filmbusiness und "Was mache ich eigentlich hier?"-Momente am Set.
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Michael Epp: Die Metropolen habe ich nicht vermisst, meine Familie dafür umso mehr. Da sich der Schauspielstreik in Amerika bereits angebahnt hatte, wurden zuletzt viele Projekte aneinandergereiht. Alles musste mehr oder weniger schnell gedreht werden. Das betraf auch mich, sodass ich von Januar bis Juni drei Filme hintereinander abdrehen musste – in Sofia/Bulgarien, Budapest/Ungarn und eben auf Malta.
War dieser eng getaktete Drehplan Neuland für Sie?
Für mich war es tatsächlich das erste Mal, dass ich für drei Filme in Folge vor der Kamera stand, ohne Pausen dazwischen. In dieser Zeit habe ich dann schon gemerkt, dass es nicht nur um die Arbeit geht, sondern auch darum, eine gute Work-Life-Balance zu finden. Darüber holt man sich schliesslich die Energie, die man für diesen Beruf braucht.
Ist die Hauptstadt Berlin, Ihr heutiger Lebensmittelpunkt, wirklich der richtige Ort um abzuschalten?
Auf jeden Fall eher als New York oder London, wo ich zum Beispiel häufig drehe. Berlin ist zwar auch eine grosse Stadt, die ich aber sehr mag, weil sie dennoch überschaubar ist. Gefühlt besteht Berlin aus mehreren Dörfern aneinandergereiht. Ich kann dort sehr gut entspannen.
Malta ist auch eine gute Destination, um wieder aufzutanken …
Absolut. Ich habe die Metropolen während der Dreharbeiten nicht vermisst, weil Malta einfach viel zu schön ist – sowohl die Hauptstadt Valletta als auch die traumhaften Küstenabschnitte. Wir haben den Film im Mai gedreht. Das Wetter war bereits so herrlich, dass wir jeden Tag im Meer baden konnten. Mir hat die Arbeit dort unglaublich gutgetan, zumal ich zuvor in Budapest mit
Sie haben bereits mit Stars wie
Ich stelle mir immer die Frage: Warum denn nicht? Letztlich kommt es doch auf die Balance an. Bezogen auf den Malta-Film kann ich nur sagen, dass wir als Team eine grossartige Zeit hatten. Und obwohl ich diese Arbeit natürlich genauso ernst genommen habe wie die Hollywood-Produktionen, so war es auch mal wieder schön, sich nicht in ein allzu intensives Thema hineindenken zu müssen. Hier stand die Lockerheit im Vordergrund. Filme sind in erster Linie Entertainment – und zwar querbeet von einfachen bis hin zu schweren Themen. Unser Job ist es, die Leute zu unterhalten.
Inwiefern hat der Streik in den USA Auswirkungen auf Ihre Arbeit als Schauspieler?
Zunächst einmal möchte ich betonen, dass dieser Streik absolut Sinn macht. Als die Streamer auf den Markt kamen, wurden die Verträge nicht angepasst. Die Vergütungsschlüssel waren ab diesem Moment nicht mehr zeitgemäss. In Amerika leben viele kreative Leute von den Tantiemen. Wenn diese ausbleiben, können sie kaum überleben – jedenfalls nicht von den gerade einmal 26.000 Dollar im Jahr, über die der Grossteil der im Filmbusiness arbeitenden Menschen nicht hinauskommt. Aus diesem Grund ist es unheimlich wichtig und toll, dass auch berühmte Kollegen den Streik unterstützen. Zugleich werden aktuell Lösungen gesucht und auch gefunden. So wurde der Autorenstreik zumindest unter Vorbehalt aufgehoben, und auch bei den Schauspielern dürfte eine Einigung bevorstehen.
Was mich persönlich angeht: Natürlich habe ich den Streik gespürt, da alle internationalen Produktionen plötzlich gestoppt wurden. Ich durfte mich dann vollkommen auf den deutschen Markt konzentrieren. Das habe ich auch mit grosser Leidenschaft getan.
Wie steht der deutsche Film im internationalen Vergleich da? Müssen wir noch neidisch über den grossen Teich blicken?
Nein, denn zum einen ist auch in Amerika bei Weitem nicht alles Gold, was glänzt – auch in Hollywood wird viel Blech produziert. Und zum anderen müssen wir uns längst nicht mehr verstecken. Es gibt so viele tolle deutsche Projekte, ich denke da zum Beispiel an "liebeskind" oder "Kleo" (beim Deutschen Fernsehpreis 2023 in den Kategorien "Beste Drama-Serie" und "Beste Schauspielerin"/Jella Haase ausgezeichnet; Anm. d. Red.). Aus irgendwelchen absurden Gründen darf ich ja häufiger international drehen als national. Insofern war es für mich eine glückliche Fügung, dass ich zuletzt verstärkt mit deutschen Produktionen in Berührung kam. Ich möchte das beibehalten und mich hierzulande mehr etablieren. In Deutschland kennt man mich ja noch relativ wenig (lacht).
Sind Sie selbst überrascht, dass Sie so häufig an Hollywood-Filmen mitwirken dürfen oder was meinen Sie mit "absurde Gründe" genau?
Nein, "überrascht" ist nicht das richtige Wort. Ein Job ist für mich ein Job. Ob derjenige an meiner Seite einen Oscar zu Hause stehen hat oder seinen ersten Film dreht, ist dabei nicht entscheidend. Ich bin grundsätzlich dankbar, dass ich überhaupt arbeiten darf – und ich bin kontinuierlich meinen Weg gegangen. Dazu muss ich sagen, dass ich relativ lange in New York gelebt habe, zweisprachig aufgewachsen bin und ein Grossteil meines Freundeskreises aus amerikanischen Schauspielern und Filmemachern besteht. So bin ich ein bisschen in die Branche hineingerutscht, habe aber auch hart dafür gearbeitet.
Dennoch muss man die richtigen Leute kennen. Welche Begegnung war für Sie ausschlaggebend?
Einer meiner alten Freunde aus New York ist der Schauspieler und Regisseur Brady Corbet. Ich darf mich glücklich schätzen, dass ich bis jetzt in all seinen Filmen mitspielen durfte, darunter eben auch in diesem Jahr in "The Brutalist" in Budapest. Bradys Filme haben es regelmässig zu den Filmfestspielen von Venedig geschafft, sein Debütfilm "The Childhood of a Leader" hat dort sogar gewonnen.
Sie gelten als "Deutschlands heimlicher Hollywood-Star". Gehen Sie da mit?
Als Star würde ich mich nun wirklich nicht bezeichnen. Ich sehe mich als jemanden, der einfach glücklich ist, mit Leuten drehen zu dürfen, mit denen er aufgewachsen ist. Diese Momente erlebe ich immer wieder. Zum Beispiel durfte ich schon mit John Malkovich und kürzlich für die Marvel-Serie "Secret Invasion" mit
Sie wurden einmal von
Ja, das ist alles so passiert. Am Ende des Tages hängt man aber einfach nur mit seinen Arbeitskollegen ab und geht nach Drehschluss vielleicht mal etwas trinken. Man darf auch nicht vergessen, dass wir in der Regel in fremden Städten arbeiten – ohne unsere Familie an der Seite. Die sozialen Kontakte entstehen in dieser Zeit über den Job. Natürlich kann ich verstehen, dass diese Geschichten von aussen betrachtet ihren Reiz haben. Aber eines kann ich versichern: Ich gehe genauso gerne mit den Beleuchtern oder Kameraleuten auf Malta ein Bier trinken wie mit den berühmten Hollywood-Schauspielern in London oder New York. Da mache ich hoffentlich keinen Unterschied.
Das ist aller Ehren wert. Trotzdem: Mit welchen Hollywood-Stars gehen Sie besonders gerne mal ein Bier trinken?
Schon mit Adrien Brody, weil er ein wirklich sehr lieber Kollege ist. Am Set ist es so, dass man sich relativ schnell eine Mini-Familie aufbaut, mit der man in sehr kurzer Zeit sehr viel Zeit verbringt. Auch mit Olivia Colman (Oscar-Preisträgerin für ihre Rolle als Queen Anne in "The Favourite"; Anm. d. Red.) ist inzwischen eine enge Freundschaft entstanden. Und mit Don Cheadle habe ich mich ebenfalls von Tag eins an sehr gut verstanden. Ich habe viel von ihm gelernt, weil er höchst professionell an die Arbeit herangeht. Seine Disziplin ist vorbildlich.
Bitte erzählen Sie uns etwas von Ihren Begegnungen mit George Clooney. Ist er wirklich so cool, wie er häufig beschrieben wird?
Oh, ja. Der "Georgie boy" ist ein Entertainer wie kein Zweiter. Wenn George Clooney einen Raum betritt, fühlt sich jeder ein Stück besser, weil er wirklich ein liebenswürdiger Mensch ist. Er hat einen unfassbaren Schatz witziger Geschichten auf Lager. Ich kenne ihn nicht so gut, aber die wenigen Male, die ich mit ihm in einer Runde zusammensitzen durfte, werde ich immer in bester Erinnerung behalten.
Demnächst treten Sie als Widersacher von Jason Statham in Erscheinung. Action-Fans werden vermutlich auf Ihre Kosten kommen oder?
Das stimmt. Ich spiele in "The Beekeeper" von David Ayer – ein Meister seines Fachs – einen amerikanischen Navy SEAL, der engagiert wird, um Jason Statham aufzuhalten. Wobei: So böse, wie das vielleicht klingen mag, bin ich auch wieder nicht. Dieser Film ist pures Entertainment. Es war ein Traum von mir, dort an der Seite einer echten Action-Legende in so einer grossen Rolle mitspielen zu dürfen. Mit Jasons Filmen wie "Snatch" oder "The Transporter" bin ich aufgewachsen. Also ja, auch hier hatte ich zwischendurch diesen "Was mache ich eigentlich hier?"-Gedanken. Der Film kommt übrigens im Januar 2024 auf die grosse Leinwand. Es wird auch einen Kino-Release geben, was heutzutage in Streamer-Zeiten auch nicht mehr der Standard ist.
Für den Fall der Fälle: Haben Sie bereits eine Dankesrede abrufbar, falls eines Tages die magischen Worte "And the Oscar goes to … Michael Epp" fallen sollten?
Das habe ich sehr früh aufgegeben. In der Schauspielschule performt man noch seine Oscar-Rede, bis einem irgendwann auffällt, dass es so viele Darsteller gibt, die besser sind als man selbst. Ich möchte damit nicht sagen, dass ich in meinem Beruf nicht gut bin. Aber: Von der Vorstellung, der nächste Marlon Brandon zu werden, bin ich weit entfernt. Einer meiner besten Freunde ist Christopher Abbott, der jetzt für "Catch-22" für den Golden Globe nominiert wurde. Als ich ihn damals in der Schauspielschule in New York spielen gesehen hatte, wusste ich sofort: So gut bist du nicht, Michael. Dieses Erlebnis hat mich geprägt. Man weiss, was man kann und bleibt bodenständig … und dankbar.
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