In der neuesten Ausgabe von "Kaulitz Hills" erzählen die Brüder Tom und Bill Kaulitz, mit welchen Artikeln und Hass-Kommentaren sie sich vor und nach dem Gewinn des deutschen Fernsehpreises herumschlagen mussten.
Bill hat als Reaktion darauf eine Lösung parat, die sich aber nicht als gesellschaftlicher Konsens durchsetzen wird. Hoffentlich.
Es gibt im Leben Momente, da muss man einfach durch. Die Steuererklärung zum Beispiel. Oder der Elternabend. Doch anders als beim Elternabend gibt es zum Glück auch Momente, durch die muss man zwar durch, aber nur einmal. Da gibt es einmal klare Worte, die Sache ist durch und man muss nie mehr darüber reden. Sie ahnen es: Genau jetzt ist so ein Moment.
Dieser Moment beginnt in Los Angeles, bei Tom und
Ob Bill nach den Drinks, die er bereits hatte, schon angetütert ist und wie sehr, über ihr geheimes Band-Shooting in Berlin, über ein Telefonat mit Mama Kaulitz über den eigenen Stress, ihre Vielfliegerei, Nasenpiercings, den deutschen Fernsehpreis, dass Bill auf dem Flug nach L.A. die Pilotentoilette erobert hat und über das Knallen im Kopf, wenn man sich beim Niesen die Nase zuhält. Bills Fazit: "Das ist ein unglaublich schönes Gefühl, ich liebe das."
Was tun gegen Kritik?
So weit, so Kaulitz, doch dann kommen die beiden auf eine ernste Sache zu sprechen: Auf die jüngste Berichterstattung über die Kaulitz-Brüder. Manche der Artikel würden den Boden für homophobe Äusserungen bereiten, Wortwahl und Unterton seien unangemessen und unsensibel gewesen und zudem würden manche Journalisten einzelne Hass-Kommentare zur Mehrheitsmeinung aufblasen.
Leider bleiben die Kaulitz-Brüder in ihren Ausführungen ein bisschen vage. So bleibt etwa offen, wen genau sie mit ihrer Beschwerde meinen, also seriöse Medien oder zum Beispiel die "Bild"-Zeitung. Dennoch: Homophobe Äusserungen sind ebenso schlimm wie unseriöse Berichterstattung, doch das ist nicht der angesprochene Moment der Wahrheit, das ist eine Selbstverständlichkeit. Nein, der Moment, durch den wir durchmüssen, kommt jetzt.
Denn die beiden greifen einen Vorfall aus dem Frühjahr dieses Jahres in der Staatsoper Hannover auf. Seinerzeit hatte nämlich der dortige Ballett-Direktor seinem Unmut über die Arbeit einer Journalistin in der Form Ausdruck verliehen, dass er der Kritikerin den Kot seines Dackels Gustav ins Gesicht geschmiert hat. Eine sehr ungewöhnliche Form der Kommunikation, doch für Bill Kaulitz dennoch denkbar, wie er am Mittwoch erklärt.
Lieber Bill Kaulitz: Bitte machen Sie das nicht!
Denn auf die Leser-Frage, was die beiden denn über die Hundekot-Aktion denken, antwortet Bill: "Ich sag mal so: Bei dem, was jetzt über mich geschrieben wurde, die letzten Wochen und nicht nur über mich, sondern auch über andere Leute, die mit mir zusammen waren und uns unterstellt wurde, einen PR-Gag zu machen und diese Hass-Sachen, die da geschrieben wurden: Würde ich auch machen." Er würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und nicht den Kot von Dackel Gustav nehmen, sondern den seines Schlagzeugers Gustav.
Nun hat man Bill Kaulitz in der Vergangenheit als einen ebenso reinlichen wie flapsigen Zeitgenossen wahrgenommen. Gleichzeitig ist relativ wenig über die Tiefe des Verhältnisses zwischen dem Sänger und seinem Band-Kollegen Gustav bekannt und ob dieser überhaupt für eine solche Aktion zur Verfügung stehen würde. Es bleibt also ein Durchführungswahrscheinlichkeitsrestrisiko und daher die Bitte: Lieber Bill Kaulitz, machen Sie das nicht! Und zwar aus vielerlei Gründen.
Das Beschmieren von Menschen, deren Taten einen wütend machen, kann nicht nur nicht in Ihrem Interesse sein, sondern auch nicht im Interesse der Gesellschaft. Vom Interesse des Beschmierten ganz zu schweigen. Über den hygienischen Aspekt müssen wir hier gar nicht gross reden, denn er würde vermutlich zu einem Rückzug vieler Menschen in die Isolation führen. Wer Angst hat, in der Öffentlichkeit mit Kot beschmiert zu werden, der wird diese Öffentlichkeit meiden. Das können wir uns als Gesellschaft auf die Dauer nicht leisten.
Warum sich Sch**** nicht als Konfliktmittel eignet
Zudem variiert natürlich auch der Grad der persönlichen Befindlichkeit. Für den einen kratzt selbst eine deftige Beleidigung nicht am Gemüt, für den anderen ist das zweiminütige Warten auf die Bestellung schon Affront genug, einen Beutel voll Hundekot zu zücken. Selbst wenn wir uns als Gesellschaft auf das Kotbeschmieren als legitime Wutäusserung einigen, blieben noch dieses und viele andere praktische Probleme.
Denn oft ereilen einen Erregung und Ärger ja spontan und dann kann man nicht erst kurz seinen Hund holen oder seinen Schlagzeuger. Manche Menschen haben auch überhaupt keinen Hund und noch nicht einmal einen Schlagzeuger. Auch ein prophylaktisches Mitführen der Hinterlassenschaften erscheint nicht praktikabel, zum Beispiel bei einem Date. Dann wäre man zwar auf alles vorbereitet, müsste sich aber einige Fragen gefallen lassen.
Im Auto zum Beispiel erweist sich zur Wutbekanntmachung auch eine Hupe als deutlich praktikabler als eine Tüte Hundekot. In anderen Fällen muss man auch einfach die Hände frei haben, kann nicht noch zusätzlich mit Kacketütchen hantieren. Ich persönlich würde dann jedenfalls Restaurants mit wütenden Köchen meiden. Alles in allem denke ich: Wir sind gut beraten, auf das Mit-Kot-Beschmieren bei der Austragung von Konflikten zu verzichten.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.