Es geht um eine männerdominierte Szene, um Hate im Internet und um das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden: Im Podcast "G-Spot" von Topmodel Stefanie Giesinger rechnet Comedienne Parshad Esmaeili mit der Comedy-Branche ab. Ihre Wut aufs Geschäft sei aber auch Motivation.
Eigentlich, so kündigt
"Nur, wenn ich meine Grenzen respektiere, kann ich geerdet bleiben, authentische Freund:innenschaften führen und auf meine mentale Gesundheit achten", erklärt sie. Also habe sie sich eine, aus ihrer Sicht, Expertin für dieses Thema eingeladen: Comedienne Parshad Esmaeili, im Internet bekannt als Parshad – für Giesinger die "geborene Grenzensetzerin".
Parshad Esmaeili über das Verhältnis zu ihrer Mutter und dem Weg zum Erfolg
Im Gespräch der beiden wird allerdings schnell klar: So leicht ist das nicht mit dem Grenzen setzen, die eigenen Bedürfnisse achten, "einfach man selbst sein" – und wie die schönen Instagram-Coaching-Floskeln noch so lauten. Parshad erzählt zunächst von ihrem Werdegang: Als Hertie-Stipendiatin träumte sie als Jugendliche von einer Karriere in der Politik, begann auch ein Studium in dem Bereich – bis ein Burnout sie ausbremste. Anschliessend erkannte sie, dass das, was sie eigentlich nur nebenher machte, sie viel mehr erfüllte: Comedy im Internet.
"Ich wollte schon immer Leute zum Lachen bringen", sagt sie. Ihrer Mutter, eine gebürtigen Iranerin, sei die extrovertierte Art der Tochter immer ein wenig unangenehm gewesen und eine mögliche Karriere als Bühnenkünstlerin habe ihr überhaupt nicht gepasst. Als Parshad von Comedystar Enissa Amani entdeckt wurde und ihren ersten Management-Vertrag als Künstlerin unterschrieb, reagierte die Mutter entsetzt. "Es war für sie, als hätte sie einen Kampf verloren."
Parshad machte weiter, inzwischen habe sich das Verhältnis zur Mutter geklärt, die beiden kämen bestens miteinander aus, Mama Esmaeili sei nun endlich auch mal zu einer ihrer Stand-up-Shows gekommen. Hört sich nach einer typischen Geschichte vieler junger Menschen an, deren Eltern grosse Hoffnungen auf eine Karriere in "seriösen" Berufsfeldern setzen; doch statt im Raubtierdschungel der deutschen Politszene landete Parshad in der Comedy-Branche – die zwar Witze vermarktet, hinter den Kulissen aber nicht ganz so lustig drauf ist.
Zumindest bringt das Podcast-Gespräch die 26-Jährige immer wieder zum Weinen. Die Branche sei "dreckig", so das Urteil von Parshad. Sie nerven die Mechanismen, die darüber entscheiden, wer im Showbusiness wann und wo auftaucht, sie möchte kein "Token" sein, ihr Gesicht und ihren Migrationshintergrund nicht für Produktionen herhalten, die nach vorne divers rüberkommen wollen, es im Grund aber nicht sind ("ich wurde bei einem Dreh mal als 'Person ausserhalb der Gesellschaft' bezeichnet"). Sie leidet unter unerbetenen Karrieretipps ("du darfst den Absprung ins Fernsehen nicht verpassen!"), unter Männern, die erstaunt sind, wenn sie in Meetings schlaue Gedanken beiträgt ("soll ich dir meinen Lebenslauf vorlegen?"), überhaupt unter dem Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.
Sie liebe das, was sie mache, versichert Parshad, wie man das eben als Künstlerin macht, um nicht undankbar für den Erfolg und die Aufmerksamkeit der Fans zu erscheinen – und doch habe sie oft keinen Bock mehr auf den Job, berichtet Parshad: "Manchmal denke ich: Ich lösche alles und studiere wieder." Später erwähnt sie, dass sie eigentlich Lust auf ein Auslandsjahr in Japan habe – "ohne Social Media."
Dann fliessen wieder Tränen, wofür sich Parshad entschuldigt. Es ist ihr peinlich, so emotional aufzutreten und vor allem möchte sie wohl den Eindruck vermeiden, nur "für die Kameras" zu heulen. "Lass es raus", ermutigt Moderatorin Stefanie Giesinger die Gefühlsausbrüche, es sei "voll schön", Emotionen so offen zeigen zu können. Klar, ein Podcast, der mit Ehrlichkeit und Tabulosigkeit wirbt, profitiert von authentischen Auftritten, bei denen auch mal die Tränen fliessen. Und doch zeigt sich genau in diesen Momenten die ganze Schwierigkeit beim Anspruch, im Internet "authentisch" wirken zu wollen: Nicht darüber nachzudenken, wie ein Auftritt beim Publikum wirken wird, ist zum Ding der Unmöglichkeit geworden.
Die Wut auf die Branche ist auch ein Antrieb
Darüber, wie man im Job und im Privatleben besser Grenzen setzen kann, darüber lernt man in diesem Podcast nicht viel. Am Ende bleiben die gleichen Fragen offen, die so ziemlich jede Frau, die Karriere machen will, schon mal ereilt haben: Warum mache ich das alles? Will ich das wirklich? Und muss ich vielleicht einfach weniger nett sein, um meine Ziele zu erreichen?
Parshad zumindest glaubt: Die Wut und die Unzufriedenheit, die sie mit Blick auf ihre Branche beschäftigen, können ein Katalysator sein, ein Antrieb, die Dinge anders und besser zu machen. "Sei stolz auf dich", ermutigt Giesinger sie, "du ebnest den Weg für viele andere Frauen". Woraufhin die Comedienne zurückrudert: "Die tun mir leid." Überhaupt wolle sie nicht als Vorbild agieren, sondern "einfach nur Parshad sein".
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Ein letzter Rat von Parshad zum Abschluss
Die Ratlosigkeit, die Parshad beim anekdotischen Erzählen auf ihre Branche durchblicken lässt, hinterlassen beim Publikum mehr als Mitgefühl. Man fragt sich: Was ist eigentlich mit der Gesellschaft falsch, dass junge Frauen, die engagiert und mit viel Talent ihre Karriere verfolgen, gleichzeitig so oft daran verzweifeln? Kann es denn sein, dass man als Frau immer wieder das Gefühl hat, kämpfen, kämpfen und noch mehr kämpfen zu müssen, um das berufliche Leben so gestalten zu können, wie einem selbst das vorschwebt?
Denn das Gespräch zwischen Stefanie Giesinger und Parshad könnte so ähnlich zwischen allen Frauen zwischen 25 und 35 stattfinden, die sich im Berufsleben den Kopf an manchmal nicht konkret zu beschreibenden gläsernen Decken stossen. "Es ist schwer, in dieser Welt eine Frau zu sein", sagt Parshad und es ist nicht ganz klar, ob sie damit ihre Branche oder tatsächlich das gesamtgesellschaftliche Klima meint. Wahrscheinlich beides. Einen konkreten Tipp hat sie fürs Publikum zum Schluss aber doch noch: "Ich sag' immer, lass meine Eierstöcke in Ruhe, wenn mir jemand auf den Keks geht".
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