• Zum 25-jährigen Todestag von Falco am 6. Februar hat unsere Redaktion mit seinem Entdecker gesprochen.
  • Markus Spiegel (70) erinnert im Interview an die österreichische Legende und erklärt, warum Falco heute noch angesagt ist.
  • Zudem blickt Spiegel auf den tragischen Unfall des mit 40 Jahren verstorbenen Sängers zurück.
Ein Interview

Herr Spiegel, blocken Sie die Zeit vor Falcos Geburts- und Todestagen inzwischen in Ihrem Terminkalender? Vermutlich können Sie die Uhr danach stellen, wann die ersten Anfragen eintrudeln …

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Markus Spiegel: Es stimmt, Sie sind nicht der Einzige, der angefragt hat. Aber ich habe diesmal einige Interviews an den künstlerischen Produzenten Robert Ponger abgegeben, weil ich zum Thema Falco in den Medien eigentlich schon genug gesagt habe. Irgendwann vergeht einem einfach die Lust. Zudem schreibe ich seit Jahren für das Kulturressort der Wiener Tageszeitung "KURIER". Doch um auf Ihre Frage zurückzukommen: Eine Anfrage aus Deutschland nehme ich natürlich gerne an (lacht).

Wir haben zu danken. Auch rund um seinen 25. Todestag am 6. Februar ist Falco nach wie vor aktuell. Ein klassisches Beispiel für einen zeitlosen Künstler?

Es ist auf jeden Fall erstaunlich, dass die für Falco heute zuständige Plattenfirma (Sony Music) immer noch sehr hohe Umsätze generiert. Er ist nach wie vor ein Top-Künstler. Es deutet also tatsächlich alles darauf hin, dass Falco – obwohl er schon so viele Jahre tot ist – über Generationen hinweg ein Thema bleiben wird.

"Es mangelt heutzutage schlichtweg an Idolen"

Woran machen Sie diese generationsübergreifende Strahlkraft fest?

Es mangelt heutzutage schlichtweg an Idolen. Das ist der eine Punkt. Der andere ist, dass die höchsten Gewinne mit den sogenannten Repertoireumsätzen und nicht mit Neuerscheinungen gemacht werden – mit Ausnahme von etablierten Chartkünstlern wie etwa Beyoncé, Harry Styles oder Taylor Swift. Hingegen ist es sehr aufwendig und kostenintensiv, neue Künstler zum Erfolg zu führen. Bei einer Ikone wie Falco, die relativ früh verstorben ist, ist das etwas ganz anderes. An ihm kann sich die junge Generation festmachen.

Aber warum gerade Falco? Es gibt viele Musikerinnen und Musiker, die viel zu früh von uns gegangen sind …

Ich gebrauche dieses Wort sehr selten: Aber Falco hat die "Coolness" fast erfunden. Man darf nicht vergessen, dass er im Prinzip der erste deutschsprachige Rapper war. Falco hat den Rap nach Deutschland und Österreich gebracht. Hinzu kommt die Kombination aus Deutsch und Englisch, die er in seinen Songs präsentierte. Seine bildhaften Metaphern in Kurzform sind bis heute ebenso beispiellos.

Sein erstes Album erschien vor über 40 Jahren. Welchen Einfluss hatte "Einzelhaft" auf die Musikbranche?

Nun ja, es ist beinahe ein epochales Werk, weil es den urbanen Pop begründet hat. Ich persönlich sowie viele andere Wiener konnten sich damals an "Einzelhaft" nicht satthören. Mich hat diese pulsierende Rhythmik in der Melancholie und die ungemeinen erfrischenden Akzente in Falcos Lyrik imponiert. Es war das Suchtmittel meiner Wahl. Dieses Album gilt als ein Manifest der 80er. Für alle an diesem Album beteiligten Personen bedeutete die Produktion eine entscheidende Zensur.

Sie gelten gemeinhin als der Falco-Entdecker, betonen aber selbst, dass Sie ihn "nur" gefunden haben. Worin liegt der Unterschied?

Also ich habe ihn nicht nur gefunden, sondern habe ihm auch den Vertrag über die ersten drei Alben gegeben, die im Übrigen seine erfolgreichsten werden sollten: "Einzelhaft", "Junge Roemer" und "Falco 3". Auf letzterer LP befinden sich seine Hits "Rock Me Amadeus", "Vienna Calling" und "Jeanny, Part I". Dann endete der Vertrag und wir konnten ihn als Label nicht mehr halten, weil direkt Summen im Raum standen, die eigentlich für Fussballer gezahlt werden.

"Wir reden hier von siebenstelligen DM-Beträgen"

Über Geld spricht man nicht, aber es ist lange her. Wie viel hätten Sie für Falco auf den Tisch bringen müssen, um ihn zu halten?

Wir reden hier von siebenstelligen DM-Beträgen. Das konnten wir uns wirklich nicht leisten. Aber er blieb uns insofern treu, als uns die österreichischen Vertriebsrechte auch in den folgenden Jahren immer zustanden. Das war sozusagen Falcos Dankeschön an uns.

Können Sie inzwischen gut damit leben, wenn man Sie als Falco-Entdecker bezeichnet?

Ja, damit habe ich mich im Grossen und Ganzen arrangiert. Er war ja bereits Falco, als ich ihn fand. Wir haben uns allerdings darauf verständigt, ihn noch mehr in Richtung einer Kunstfigur aufzubauen – ähnlich, jedoch nicht so stringent, wie Klaus Nomi oder David Bowie. Auch Bowie hat sich in seiner Karriere immer wieder neu erfunden. Das zweite Ziel unserer Zusammenarbeit war, die Anerkennung des Feuilletons zu bekommen und dabei dennoch so kommerziell wie möglich zu agieren. Dieses Wunschdenken haben viele Künstler und Bands, doch ich glaube, dass es uns letztlich gelungen ist.

Worin unterschied sich Johann Hölzel, wie er mit bürgerlichem Namen hiess, von Falco?

Immens. Falco war eine Kunstfigur mit einer ungeheuren Selbstsicherheit und sogar mit einer Arroganz. Diese Unnahbarkeit war das komplette Gegenteil zu der Privatperson Johann Hölzel. Wobei wir die Wahrnehmung zwischen Nüchternheit und Alkoholismus nicht ausser Acht lassen dürfen. Er hatte ein Jekyll-und-Hyde-Syndrom: Im nüchternen Zustand war er extrem sensibel, feinfühlig und höflich. Bedauerlicherweise war er aber auch ein Sturztrinker. Aber wir leben von den Neurosen unserer Künstler, denn Kreativität sublimiert diese.

"Wenn man sich einmal umgedreht hat, war die Flasche auf einmal halb leer war"

In welchen Massen hat Falco Alkohol konsumiert?

Wenn man sich einmal umgedreht hat, war die Flasche auf einmal halb leer war. Sobald das passierte, wusste man, dass mit ihm 20 Minuten später nicht mehr zu rechnen sein würde. Er ist dann tatsächlich zu Mr. Hyde geworden – unhöflich, unsympathisch, zuweilen flegelhaft. Verwundert hat mich das nicht wirklich. Sowohl der wirtschaftliche Druck seitens der Plattenfirma und deren Lizenznehmern weltweit als auch der Öffentlichkeit bezüglich der Chartplatzierungen war dermassen hoch, dass es gerade für einen jungen Menschen extrem war. Diese Fluchtbewegung in Alkohol und Drogen war letztendlich nachvollziehbar.

Haben Sie seinen Tod am 6. Februar 1998 insofern kommen sehen? Falco starb mit 40 Jahren bei einem Autounfall in der Dominikanischen Republik.

Er verbrachte dermassen exzessive Nächte, bei denen ich mich schon mit der Frage beschäftigt hatte, wie er den nächsten Morgen überhaupt noch erleben will. Wie es sich für einen anständigen Wiener gehört, trug er offenbar eine gehörige Portion an suizidalen Gedanken in sich. Das lag irgendwo in seiner DNA. Natürlich ging der Unfall mit Alkohol und diversen Suchtmitteln einher. Aber genau dadurch entwickelt man einen Tunnelblick – man sieht weder rechts noch links, sondern nur geradeaus. Wie es der Zufall wollte, kam von links dann eben der Lastwagen.

"Es war eindeutig ein Unfall"

Einen möglichen Selbstmord, über den nach wie vor spekuliert wird, schliessen Sie aus?

Ja, ganz klar. Ich habe noch zwei, drei Tage vor seinem Tod mit ihm noch sehr positiv über das Album "Out of the Dark" gesprochen. Von einem Selbstmord wart hier keine Rede. Es war eindeutig ein Unfall.

Man hat den Eindruck, dass über Falco eigentlich schon alles gesagt wurde. Doch was wurde Ihrer Meinung nach viel zu selten gesagt?

Es wurde viel zu selten gesagt, dass er immer auf einer innovativen Seite stehen wollte. Falco wollte Vorreiter sein, das war seine Bestimmung. Niemals wollte er etwas nachmachen, sondern immer der Erste sein.

Ist das innovative "Jeanny" Falcos bester Song oder "nur" der Titel, der am stärksten polarisierte?

Nein, "Jeanny" ist nicht Falcos bester Song. Es ist Falcos bester Marketing-Clou. Diese bewusste Provokation war zur damaligen Zeit eher der linken Seite zuzuschreiben, etwa Ton Steine Scherben oder Nina Hagen, wobei auch sie nur zum Teil provokativ war.

"Ich werde sein Grab besuchen"

Werden Sie Falcos Grab zum 25-jährigen Todestag am 6. Februar auf dem Wiener Zentralfriedhof besuchen?

Ich werde sein Grab besuchen, aber nicht am 6. Februar, weil mir dann einfach zu viele Menschen da sind. Es ist im Sinne des Wiener Zentralfriedhofs zu einer echten Sehenswürdigkeit geworden, überall liegen Blumen und Kränze.

Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade für Ihre Zeitung schreiben oder über Falco sprechen?

Mir persönlich liegt das Gärtnerplatztheater in München ganz besonders am Herzen, weil es um neue Talente geht. Es gibt einen im Jahr 2009 von dem Staatsintendanten Josef E. Köpplinger initiierten MUT-Wettbewerb (musikalisches Unterhaltungstheater).

Hier können Nachwuchsleute bis 28 Jahre vor Intendanten und Regisseuren innerhalb eines Wettbewerbs auftreten. Dazu finden Vorcastings statt, über die man sich auf der Homepage des Gärtnerplatztheaters informieren kann. Ich finde das ganz toll und bin als Jurymitglied auch in allen Städten dabei. MUT ist europaweit ausgeschrieben, der Bewerbungsschluss ist der 1. März.

Über den Gesprächspartner:
Markus Spiegel ist Musikproduzent und gilt als der Entdecker Falcos.
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