Vor zehn Jahren verliess Harald Schmidt seinen Haussender Sat.1 - und fand seitdem nie wieder zu seiner alten Form zurück. Jetzt droht im das endgültige Fernseh-Aus. Ein Blick zurück auf eine einst grosse TV-Karriere.
Der Abend des 23. Dezember 2003 blieb vielen Fernsehzuschauern noch lange in Erinnerung. Weil ein Showmaster sich in eine "Kreativpause" verabschiedete. Der letzten Sendung der "
"Wie es ist, wenn das Denken pausiert" schrieb die FAZ, auch "Gott ist tot" war in den Medien zu lesen. Deutschland hatte, so schien es, keine Late-Night-Show verloren, sondern eine intellektuelle Instanz. Um den Rückzug von Harald Schmidt trauerten nicht nur seine Fans, sondern fast das gesamte deutsche Feuilleton. Die Debatte hatte leicht hysterische Züge.
Dabei war das Jahr 2003 für Millionen Zuschauer, die die "Harald Schmidt Show" damals noch allabendlich einschalteten, zunächst sehr gut verlaufen. Harald Schmidt und sein kleines Ensemble um Redaktionsleiter Manuel Andrack, Bandleader Helmut Zerlett und die sexy Kartenhalterin Suzana Novinščak befanden sich auf dem Höhepunkt ihres Erfolges. Noch wenige Monate vor dem Aus war die wöchentliche Zahl an Shows auf fünf erhöht worden.
"Aus Liebe zu Deutschland" sendete Harald Schmidt jetzt auch am Montag. Er erzählte die griechische Mythologie mit Playmobil-Männchen nach und machte ganzen Sendungen auf Französisch. Oder im Dunkeln. Harald Schmidt war für Millionen Deutsche eine spätabendliche Auszeit vom Alltagsstress einer durchgestylten (Medien-)Welt.
"Der Marktführer der Herzen"
Bis der selbsternannte "Marktführer der Herzen" am 8. Dezember völlig überraschend das Aus seiner Show zum Jahresende ankündigte. Und damit eine Welle von Protesten, Trauer und Empörung bei seinen Fans, aber auch bei den kurz vor Weihnachten arbeitslos gewordenen Mitarbeitern auslöste. Einen offiziellen Grund nannte "Dirty Harry" nicht.
Aber es ist ein offenes Geheimnis, dass er seinen Vertrag mit Sat.1 auch deshalb nicht verlängerte, weil ihn die kurzfristige Entlassung des Senderchefs Martin Hoffmann verstimmt hatte, zu dem Schmidt ein sehr gutes Verhältnis hatte. Vielleicht war der Entertainer aber auch einfach des Erfolges überdrüssig und der öffentlichen Idealisierung seiner Arbeit in einem Masse, wie es ein Intellektueller wie Schmidt kaum noch ernst nehmen konnte.
"Im Endspiel nicht die Taktik ändern"
Fast ein Jahr lang wurde spekuliert, wo Schmidt wieder auftauchen könnte, nachdem er sich allen Protesten zum Trotz mit einer Inszenierung des Beckett-Stücks "Endspiel" verabschiedet hatte ("Jetzt bloss im Endspiel nicht die Taktik ändern"). Als er dann genau ein Jahr nach seinem Rücktritt in der ARD wieder anfing, glaubten viele an ein triumphales Comeback. Doch schnell zeigte sich: Schmidt hatte mit der einjährigen Auszeit den Zuspruch vieler Fans dauerhaft verspielt.
Wie in einer Liebesbeziehung hatten die enttäuschten Fernsehzuschauer gelernt, ohne ihn zu leben. Und sahen jetzt viel mehr die Fehler, die ein zunehmend gelangweilt wirkender Schmidt in den langen ARD-Jahren machte. Dass er selbst den Ausflug zu den Öffentlich-Rechtlichen heute kritisch sieht, bekannte er in einem Gespräch vor zwei Jahren: "Meine Erfahrung ist, alles, was passiert, geschieht zu Recht. Egal, ob es positiv oder negativ bewertet wird. Und damals habe ich das für richtig gehalten, zur ARD zu gehen, habe ja auch die Konsequenzen, die es in der öffentlichen Wahrnehmung bewirkt hat, dann akzeptiert", sagte Schmidt. Aber richtig gut finden kann er diese Entscheidung im Nachhinein wohl nicht.
Rückkehr zu Sat.1: Harald allein zu Hause
Als Schmidt 2011 endlich zu Sat.1 zurückkehrte, war es zu spät. Zwar sendete er wieder regelmässig an drei Tagen die Woche, und das Studio sah wieder backsteinrot aus wie in alten Tagen. Aber die Fans bleiben weg. Harald Schmidt, "endlich daheim", sendete teilweise nur vor knapp einer halben Million Zuschauer. Das war selbst für Sat.1 zu wenig. Bereits 2012 war wieder Schluss. Seine Show wurde ersetzt durch die Reportage "24 Stunden", die bei weit geringeren Kosten höhere Quoten bringt.
Dass nun für die "Harald Schmidt Show" auch auf Sky die Zeit zu Ende geht, überrascht nicht wirklich. Eine Late-Night-Show, die weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, verfehlt ihre sinnstiftende Funktion, Tagesgespräch zu sein. Und über den Abend hinaus den Alltag der Zuschauer zu begleiten. Was bleibt, ist eine Erinnerung an goldene Jahre und Playmobil-Figuren. Eine Erinnerung an eine Zeit, die bereits 2003 unwiederbringlich zu Ende ging.
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