Am Donnerstag verstarb mit Helmut Berger eine der grössten Schauspieler-Legenden im Alter von 78 Jahren. Zu den Freunden des Österreichers gehörte der 42 Jahre jüngere Julian F. M. Stoeckel. Der It-Boy spricht über das Leben und die Skandale des Mannes, der als einer der letzten grossen Stars im deutschsprachigen Raum galt.

Ein Interview

Herr Stoeckel, wie werden Sie den verstorbenen Helmut Berger in Erinnerung behalten?

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Julian F. M. Stoeckel: In erster Linie bin ich unglaublich dankbar und glücklich darüber, dass wir uns in diesem Leben haben kennenlernen können. Es ist ja nicht immer gegeben, dass man die Menschen, die einen inspirieren, auch kennenlernen darf. Denn manche Idole haben vor deiner Zeit gelebt und so hattest du nie die Chance, ihnen persönlich zu begegnen.

Es war mehr als ein flüchtiges Aufeinandertreffen, Sie kannten einander gut. Glauben Sie, dass er sich trotz schwieriger Zeiten zufrieden von der Lebensbühne verabschiedet hat?

Die vergangenen Jahre waren auf jeden Fall nicht einfach. Gezeichnet von Krankheit und schwierigen Zeiten war es nicht immer leicht für Helmut. Ich glaube allerdings, dass sein Tod eher eine Befreiung war und ein Abschluss für ein sensationelles Leben. Ich bin komischerweise auch nicht traurig im herkömmlichen Sinne, sondern glücklich darüber, dass er ein so sagenhaftes Leben geniessen konnte.

Wann hatten Sie letztmalig Kontakt und konnten Sie sich verabschieden? Gab es letzte Worte an Sie?

Wir haben uns in Abständen immer gesehen. Die letzte Zeit hatten wir meistens über WhatsApp Kontakt, auch über Sprachnachrichten oder Videos. Das letzte Mal schickte ich ihm ein Video von meinem Freund und mir aus unserem Urlaub aus Rom. Leider habe ich ihn nicht mehr treffen können, obwohl ich eingeplant hatte, ihn in Salzburg zu besuchen.

Warum Helmut Berger Stoeckel trotz 40 Jahren Altersunterschied inspirierte

Es liegen über 40 Lebensjahre zwischen Ihnen beiden. Warum haben es Ihnen die Diven und Legenden so angetan?

Meine Freunde sind alle zwischen 50 und 100 Jahre alt. Ich habe mich schon immer für die Menschen interessiert, die mir auch etwas erzählen können. Als Kind wollte ich schon nicht mit anderen Kindern spielen, weil mir alles so langweilig und belanglos vorkam. Ich wollte immer bei den Erwachsenen sitzen. Ich konnte vielleicht nicht immer mitsprechen, aber die Themen und die Atmosphäre hat mir immer besser gefallen. Daher habe ich auch nur sehr, sehr wenig Freunde in meinem Alter oder jünger. Ich finde sie meistens nicht inspirierend genug für eine Freundschaft. Meine älteste Freundin ist Sängerin Ruth Megary. Mit ihr habe ich vor einigen Tagen ihren 100. Geburtstag gefeiert. Sie verstehen... (lacht)?

Was hat Helmut Berger Ihnen für Ihr Leben mit auf den Weg gegeben? Wofür sind Sie ihm besonders dankbar?

In erster Linie seine Exzentrik – das pausenlos Unangepasste, das Unbequeme, das Widerspenstige, die Dinge nicht zu nehmen, wie sie sind, nur weil andere Menschen behaupten, dass man es so tun muss. Das hat er mir mitgegeben. Das waren auch Dinge, die ich von anderen berühmten Freunden wie Hannelore Elsner oder Karl Lagerfeld gelernt habe. Man muss die Dinge nicht so nehmen, wie sie sind. Man muss es einfach tun und nicht immer darüber nachdenken, ob etwas klappt oder nicht.

Stimmt es, dass Sie Helmut Berger damals zum "Dschungelcamp" geraten haben? 2013 nahm er dann auch teil.

Bevor er ins "Dschungelcamp" gegangen ist, haben wir zusammen gesessen und er hat mich gefragt: "Julian, soll ich ins 'Dschungelcamp' gehen?". Und ich habe ihm dazu geraten. Ich habe gesagt: "Du wirst über Nacht bei einem jüngeren Publikum bekannt, das dich bis gestern vielleicht noch gar nicht kannte." Davon abgesehen, dass RTL so bedeutenden Persönlichkeiten natürlich auch eine gute Gage für ihre Teilnahme bezahlt. Ich war dafür und seine Staffel hatte ja wahnsinnig gute Quoten, was natürlich auch auf eine Teilnahme von Helmut Berger zurückzuführen ist.

Hat er seine Teilnahme später – auch gegenüber Ihnen – jemals bereut?

Mir gegenüber hat er es nie bereut und man muss es auch nicht bereuen!

Stoeckel: "Stars wie Helmut Berger gibt es heute fast nicht mehr"

Wie würden Sie ihn als Persönlichkeit einordnen? Callas, Taylor, Berger: War das für Sie eine Liga?

Da könnte ich jetzt ausholen, machen wir es kurz: Es gibt die "Stars", die es heute fast nicht mehr gibt. Wir haben noch Prominente, aber Stars waren eben Menschen wie Maria Callas, Elizabeth Taylor oder Helmut Berger. Stars sind auch Menschen wie Joan Collins, Mario Adorf oder Sophia Loren. Das ist die letzte Garde der A-Promis. Es kommt ja leider nichts mehr nach. Jeder Influencer, jeder "Love Island"-Kandidat glaubt, dass er durch seine blosse Existenz zum Star wird. Das ist es aber nicht. Ein Star ist anders, unerreichbar, zeitlos, divös, schwierig, talentiert, humorvoll, charmant und exzentrisch. Wer ist das heute noch? Naja, vielleicht dieser Stoeckel (lacht).

Sicherlich haben ihm seine Skandale, seine Alkohol- und Drogengeschichte das Leben erschwert. Doch wäre Helmut Berger ohne diese verletzliche Seite dieser schillernde Star geworden, als den wir ihn kannten?

Ich glaube, dass sie ihm das Leben nicht erschwert haben. Ich sehe es eher so, dass sie ein Teil seines Lebens waren. Darüber kann man jetzt streiten oder urteilen, aber ich bin der Meinung, dass das auch Teil seiner komplexen Persönlichkeit gewesen ist.

Der Tod seines früheren Lebenspartners Luchino Visconti Mitte der 70er brach dem jungen Helmut Berger das Herz. Was war das für eine Beziehung, die sie führten?

Luchino hat Helmut entdeckt. Helmut stand bei Dreharbeiten in der Nähe des Sets und Luchino erblickte ihn. Da er zu frisch angezogen war, liess er ihm durch einen Assistenten einen Schal bringen und eine Karte von ihm und so kamen sie in Kontakt. Ich glaube, dass das Fügung und Schicksal war. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die Götter haben ihn dahin gelotst. Und daraus entstand über die Arbeit eine kongeniale Verbindung.

Inwiefern unterschied sich der öffentliche Helmut Berger von dem privaten, den Sie kennenlernen durften?

Helmut war sofort präsent, wenn auch nur ein vermeintlicher Fan, ein Bewunderer, ein Verehrer in seine Nähe kam. Wenn wir ganz alleine unter uns waren, dann war er absolut aufgeräumt, ruhig und fast introvertiert. Aber sobald ein Scheinwerfer, ein Licht, etwas Besonderes in seiner Welt passierte, war er da. Er war präsent und dann begann sie, die Helmut-Berger-Show. Aber ich glaube, dass das nicht mal etwas Besonderes ist, weil wir dazu alle in der Lage sind. Wenn wir unbeobachtet sind, sind wir ruhiger, normaler, aufgeräumter – aber wir merken und spüren sofort, wenn wir die Show abspielen müssen.

Stoeckel: Bergers Attitüden waren durchaus mit Kinski vergleichbar

Werden ihm die Vergleiche mit Klaus Kinski überhaupt gerecht? War Berger nicht in Wirklichkeit ein viel herzlicherer Mensch?

Er hatte auf jeden Fall auch ein paar Attitüden, die man durchaus mit Klaus Kinski vergleichen kann. Allerdings finde ich, dass Kinski manchmal einfach wahnsinnig bodenlos und unverschämt war. So habe ich Helmut nie wahrgenommen. Natürlich können wir alle mal frech, ungerecht und böse sein. Aber das gehörte nicht zu seinem Daily Business.

Mit welchen Gefühlen blicken Sie heute auf einige TV-Auftritte des Österreichers? Es war Entertainment pur, aber häufig auch besorgniserregend zugleich...

Seine Auftritte bei Harald Schmidt, das Kochen mit Alfred Biolek, der legendäre Auftritt bei Markus Lanz, die Eskapaden in der Show von Thomas Gottschalk natürlich. Aber es bleiben vor allem die wahnsinnig tollen Rollen als Adaption von Arndt von Bohlen und Halbach in "Die Verdammten" oder auch seine sensationelle Rolle in "Der Denver-Clan". Er wird uns fehlen – gerade in einer Welt, in der alle angepasst und gleich sein wollen.

Die grossen Ikonen sterben so langsam leider aus. Kürzlich durften Sie Dame Joan Collins bei der "Goldenen Sonne" treffen. Welche Namen von echten Stars, die Sie gerne einmal treffen würden, stehen noch auf Ihrer Liste?

Ich habe immer nach der Devise gelebt, dass ich die Menschen, die ich mochte, auch kennenlernen will. So ging es mir mit Helmut Berger, mit Hannelore Elsner, mit Karl Lagerfeld. Aber es gibt noch einige Menschen, die mir besonders gut gefallen und die ich auch noch treffen möchte. Dazu gehört Grace Jones, Sophia Loren, Shirley Bassey, Barbra Streisand, Dolly Parton, Tina Turner oder Julio Iglesias usw. usw. usw. Sie sehen, die Liste ist lang.


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