Der aus seiner Sicht beklagenswerte Zustand des deutschen Fernsehens ist Oliver Kalkofe seit mehr als 20 Jahren ein Dorn im Auge. In seinen Parodien nimmt er Sendungen und deren Protagonisten aufs Korn und ist dabei alles andere als zimperlich. In Teil 1 unseres Interviews bekommen die Öffentlich-Rechtlichen ihr Fett weg - vor allem die "teure, alte Schnarchshow 'Wetten, dass..?'" samt Moderator Markus Lanz.
Herr
(lacht) Das bin ich schon oft gefragt worden und es tut immer wieder weh, denn auf diese Frage kann man keine wirkliche Antwort geben. Sehr gerne würde ich sagen: 'Keine Sorge, das Fernsehen hat gerade einen Tiefpunkt erreicht, aber das kriegen wir schon wieder hin.'
Dem ist aber nicht so, oder?
Ehrlich gesagt: Ich weiss es nicht. Die Hoffnung stirbt zuletzt und ich hoffe wirklich sehr, dass sich die sich seit Ewigkeiten nach unten drehende Spirale wieder ganz nach oben bewegt. Ich glaube, so einige Sender haben es bereits bemerkt: Der Erdkern ist erreicht und man läuft nun Gefahr, dass die Lava hochkommt und alles explodiert. Noch tiefer geht einfach nicht mehr. Punkt. Ende.
Aber einen Weg der Besserung sehen Sie nicht?
In kleinen Babyschritten. In den letzten zwei Jahren haben einige Sender schon bemerkt, dass sie sich selbst den Boden unter den Füssen weggemeisselt und in den absoluten Sumpf des Irrsinns geritten haben. Die Sender geben sich nun Mühe, ganz langsam wieder an ihrem Image zu arbeiten. Allerdings haben sie es so sehr vergeigt, dass es ein harter Kampf für sie wird. Es dauert eben lange. Auf der anderen Seite gibt es dann auch wieder ganz schlimme Gegensignale. RTL schickt zum Beispiel Frauen in die Wüste und ProSieben daraufhin an den Kilimandscharo.
"Die Öffentlich-Rechtlichen haben ein Rückgrat aus Gelatine"
Gibt es denn keine Möglichkeit, das deutsche Fernsehen zu retten?
Mein Vorschlag wäre ein einfacher, hilfreicher und schneller Weg, um das Fernsehprogramm zu verbessern. Alle Redakteure, die für irgendwelche Sendungen zuständig sind, müssen ihre Programme in Zukunft komplett anschauen und zwar an einem Stuhl gefesselt. Das wäre, glaube ich, der erste Schritt in Richtung besseres Fernsehen.
Aber das tun doch die Macher sowieso, oder?
Nein, ein Grossteil von ihnen lacht nur über das Publikum, das sich die Grütze später anschauen muss. Zynisch, aber wahr. Die Scripted-Realitys und die vielen furchtbar schlecht produzierten Doku-Soaps schaut sich kaum ein Redakteur mehr an. Diese Programme werden einfach in Auftrag gegeben, weil sie wenig kosten, kaum Mühe machen und unkompliziert Sendeplatz füllen. Es ist einfach nur ein Job. Wenn die Verantwortlichen, die im Stuhl sitzen und solche Programme verwalten, auch dazu gezwungen wären sich diese Scheisse komplett selbst anzuschauen, dann würde sich einiges in Bewegung setzen.
Klingt so, als sprechen wir gerade nur von den privaten Fernsehsendern. Machen es die Öffentlichen-Rechtlichen besser?
Nein, leider nicht! Von den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten bin ich wahnsinnig enttäuscht. Hier kommt mein Ärger aus Enttäuschung. Bei den Privaten kocht die Wut, weil man mich für bescheuert hält und weil sich die Sender nur versuchen in Irrsinn, Billigkeit und Trashigkeit gegenseitig zu überbieten. Aber von denen ist man nichts anderes gewöhnt.
Und was machen die öffentlich-rechtlichen Sender falsch?
ARD und ZDF hätten die Aufgabe, wirklich innovatives Fernsehen zu machen. Dafür werden sie schliesslich von uns allen bezahlt, ob wir wollen oder nicht. Die öffentlich-rechtlichen Sender glauben aber, sie müssten alles in alle Ewigkeit genauso machen wie vor 30 Jahren. Sie stellen sich dar wie ein gesendeter Streichelzoo. Es wird gestreichelt, gekuschelt, jeder soll sich wohlfühlen. 'Wir sind höflich, lieb und schleimig.' Sie haben ein Rückgrat aus Gelatine, da ist keine Haltung, da ist nichts Freches, nichts Herausforderndes.
Dafür stimmt doch die Qualität, oder?
Klar, sie machen natürlich tolle Nachrichten, investieren ihr Geld für aufwändige Dokumentationen und strahlen manchmal auch einen guten Fernsehfilm aus. Aber während die privaten Anstalten Scripted-Realitys zeigen, setzen ARD und ZDF nichts Besseres dagegen, sondern zeigen dürftige Telenovelas in der Endlosschleife, die sich kaum voneinander unterscheiden lassen. Während uns bei RTL und Co. Gina-Lisa Lohfink und Micaela Schäfer auf die Nerven gehen, sind es bei ARD und ZDF Veronika Ferres und Christine Neubauer. Es ist echt der gleiche Horror, nur in Lulle, und das ist furchtbar. Statt kreativem Feuerwerk bietet man uns ein einlullendes lauwarmes Fussbad.
Sie wünschen sich also mehr Innovation von ARD und ZDF?
ARD und ZDF müssten ihr Fernsehprogramm umstrukturieren. Bei ZDFneo finden die einzigen Experimente der öffentlich-rechtlichen Sender statt. Hier laufen viele gute Sendungen, und viele Leute fragen sich nicht zu Unrecht, warum man die nicht im Hauptprogramm bei ARD und ZDF unterbringt. Ist doch egal, wenn die Quote mal nicht stimmt, oder sich ein paar Zuschauer beschweren. ARD und ZDF müssen zeigen, dass sie nicht nur durch irgendwelche Schläuche am Leben gehalten werden, sondern dass sie noch wirklich lebendig sind. Es ist manchmal bitter, was dort passiert, und das macht mich traurig.
"Da schlägt man sich vor den Kopf und möchte laut schreien"
Das bringt uns doch gleich zu "Wetten, dass..?".
Ja, das zeigt genau den Fehler. Am Ende dieser "Wetten, dass..?" -Staffel hat man gesehen, dass es nach jeder Sendung schlimmer geworden ist. Das Format und das Konzept der Show blieben unverändert. Man hat gedacht, dass man jünger wird, indem man statt Mario Adorf und Peter Maffay einfach Paul Panzer und die Geissens einlädt.
Und das ist es eben nicht?
Nein! Man hat es doch gemerkt: Ein einziger lustiger Spruch von Stefan Raab zu Michelle Hunziker genügt, um durch die Presse zu gehen. Nur weil
Wenn man nur den Moderator austauscht, ein neues Sofa kauft und das Licht ein wenig anders setzt, dann verändert sich die Sendung überhaupt nicht. Stattdessen versucht man weiterhin, absolut alles noch grösser und hollywoodmässiger zu präsentieren, dann aber mit Eiswürfeln in der Hose oder Katzenmütze auf dem Kopf zu brechen, weil man fälschlicherweise denkt, das wäre lustig oder ein ironischer Bruch. Man hat nur auf das Äusserliche geachtet, aber nicht auf den Inhalt und die Haltung der Show.
"Wetten, dass..?" soll jetzt wieder verändert werden …
Ja, offenbar mit diesem uralten ängstlichen Grundgedanken, der beim ZDF vorherrscht. Als man nämlich erkannt hat, dass man mit der sogenannten Überarbeitung gescheitert ist, haben sich die Macher einfach gesagt: Dann machen wir es eben genauso wie vorher, die Leute wollen ja anscheinend keine Veränderung. Da schlägt man sich vor den Kopf und möchte einfach nur laut schreien. Mal sehen, wie die Veränderungen aber genau aussehen werden. Es heisst ja inzwischen, dass fast das ganze Team ausgetauscht wird. Man kann es nur hoffen.
Lesen Sie am Freitag in Teil 2 des Interviews mit Oliver Kalkofe, welche Sendungen sich im TV noch lohnen und was wir von seiner neuen Tele-5-Show "Die schlechtesten Filme aller Zeiten" erwarten können.
Mitarbeit: kom
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