Norbert Rier von den Kastelruther Spatzen über ihr neues Album "Herz und Heimat", den Wandel der Musikbranche und die Rolle der sozialen Medien.

Ein Interview

Sie sind die erfolgreichste Gruppe der Volksmusikszene: die Kastelruther Spatzen. Seit nunmehr 40 Jahren stehen die Musiker auf der Bühne, dürfen 13 "Echos" und diverse Platin- und Goldauszeichnungen ihr Eigen nennen. Im Gespräch mit unserer Redaktion hat Sänger und Frontmann Norbert Rier verraten, ob die Spatzen schon an den musikalischen Ruhestand denken und wie er zu den sozialen Medien steht.

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Herr Rier, "Herz und Heimat" ist der Titel des neuen Albums der Kastelruther Spatzen, das am 29. September erscheint. Ist das Album eine Art Hommage an Ihre Heimat Südtirol?

Norbert Rier: Das Herz und die Heimat sind zwei Dinge, die uns als Musiker miteinander verbinden. Wir sind sehr heimatverbunden und natürlich ist es wichtig, immer viel Herz in das zu stecken, was man macht. Grundsätzlich sollte man immer mit vollem Herzen hinter dem stehen, was man tut.

In den vergangenen 40 Jahren haben die Kastelruther Spatzen mindestens ein Album pro Jahr veröffentlicht – im Zeitalter der Streamingdienste ist das eher eine Seltenheit.

Das haben wir natürlich unseren Fans zu verdanken. Sie kaufen seit vielen Jahren fleissig unsere Alben, weil sie noch gerne CDs in den Händen halten. In Zeiten, in denen Streamingplattformen und Downloads eine grosse Rolle spielen, ist das natürlich nicht selbstverständlich. Vor allem im Rock- und Popbereich spielen CDs ja gar nicht mehr eine allzu grosse Rolle, das sieht im volkstümlichen Bereich etwas anders und macht uns natürlich sehr zufrieden.

Mit 13 "Echos" und diversen Platin- und Goldauszeichnungen sind die Kastelruther Spatzen die erfolgreichste Gruppe der Volksmusikszene. Strebt man nach so vielen Erfolgen noch mehr an?

In all den Jahren haben wir nie bewusst nach all diesen Erfolgen gestrebt. Wir haben immer alles auf uns zukommen lassen und rückblickend kann man vermutlich sagen, dass wir häufig zum richtigen Zeitpunkt das Richtige gemacht haben. Die Erfolge und Auszeichnungen waren dann für uns ein Zeichen dafür, offenbar etwas Besonderes geleistet zu haben – darüber freuen wir uns sehr. Wonach wir heute immer noch streben, ist, möglichst viele Konzerte zu spielen. Dass nach wie vor so viele Menschen zu unseren Auftritten kommen, macht uns natürlich sehr glücklich und ist eine schöne Entschädigung für die Arbeit und den Stress, die häufig dahinterstecken.

Bei allen Erfolgen gab es natürlich aber auch nicht so rosige Zeiten …

Das stimmt. Was uns sicherlich am meisten geprägt hat, war der Tod unseres damaligen Managers vor 25 Jahren, dessen Todesumstände bis heute ungeklärt sind. Dieses Erlebnis hängt uns immer noch nach, auch wenn es uns als Gruppe natürlich zusammengeschweisst hat. Wir mussten damals erfahren, wie brutal das Leben sein kann. Auf der einen Seite singen wir in unseren Liedern viel über Freiheit und wollen die Menschen von ihren Alltagssorgen ablenken, indem wir über die schönen Dinge des Lebens singen. Auf der anderen Seite passieren im Leben nun einmal aber auch schlimme Dinge – durch solche Erfahrungen merkt man, wie das Leben auch sein kann.

"Ich musste das Schlagzeugspielen erst einmal erlernen"

Sie waren gerade einmal 20 Jahre alt, als Sie bei den Kastelruther Spatzen eingestiegen sind. Hätten Sie damals gedacht, dass daraus eine wahre Lebensaufgabe wird?

Nein, überhaupt nicht. Das Schöne war, dass wir Bandmitglieder uns bereits kannten – das hat für ein gutes Gefühl gesorgt. Damals bin ich ja als Schlagzeuger eingestiegen und musste das Instrument erst einmal erlernen. Im Lauf der Zeit hat sich dann alles Weitere ergeben und aus Spass an der Freude haben wir dann zusammen Musik gemacht. Zunächst fand die Musik ja auch eher nebenbei statt – ich für meinen Teil habe damals noch vorrangig zu Hause auf unserem Hof gearbeitet. Sich mit der Musik neben der regulären Arbeit ein kleines Taschengeld zu verdienen, war aber natürlich ein gerne gesehener Effekt (lacht).

Sie und viele Ihrer Bandkollegen arbeiten nach wie vor in Ihren bürgerlichen Berufen. Sie zum Beispiel sind als Landwirt tätig und züchten Haflinger – und sind Musiker bei den Kastelruther Spatzen. Das klingt nach einem sehr herausfordernden Spagat.

Das ist es, auf jeden Fall. Wobei man dazu sagen muss, dass unser beruflicher Alltag inzwischen anders aussieht als damals. In jüngeren Jahren war man natürlich noch viel kräftiger und energiegeladener – wenn ich an diese Zeiten zurückdenke, war das schon eine extreme Zeit. An den Wochenenden fanden viele Veranstaltungen an verschiedensten Orten statt – das war wirklich harte Knochenarbeit mit sehr vielen stressigen Phasen. Insofern kann ich heute sagen, dass wir uns alle Erfolge über viele Jahre hart erarbeitet haben. Man muss auch dazu sagen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Wir mussten über die Jahre auch auf vieles verzichten. Nichtsdestotrotz schauen wir mit Freude auf alles zurück, was wir in den vergangenen 40 Jahren erleben durften, auch wenn es nicht immer einfach war.

Apropos Stress: Sie selbst haben vor einigen Jahren eine neue Herzklappe bekommen – wie geben Sie im stressigen Musikeralltag Acht auf sich?

Natürlich muss man mit Blick auf Stress und Hektik schon auf sich achten. Den Eingriff habe ich aber sehr gut überstanden und nach wie vor geht es mir wirklich gut. Dass ich irgendwann eine neue Herzklappe benötigen würde, hatte sich damals bereits über einen längeren Zeitraum angebahnt – insofern wussten wir, dass der Eingriff irgendwann anstehen würde. Inzwischen liegt die OP sechs Jahre zurück und ich kann nicht klagen. Natürlich muss man ein bisschen auf sich aufpassen – vor allem im fortgeschrittenen Alter muss man auch lernen, sich ein wenig anzupassen. Man darf nicht meinen, alles erreichen zu müssen – vielmehr müssen gewisse Dinge im Alter etwas gemütlicher angegangen werden.

Seit 1984 findet einmal im Jahr das Kastelruther Spatzenfest statt. Hätten Sie Mitte der Achtziger mit einem solchen Erfolg dieses Events gerechnet?

Dieser Erfolg gehört auf jeden Fall zu jenen Dingen im Leben, mit denen man nicht gerechnet hätte (lacht). Damals haben wir unsere erste Goldauszeichnung verliehen bekommen und wollten dieses sensationelle Ereignis besonders feiern. Es galt also, einen Verein zu finden, der das Fest mit uns ausrichtet. Wäre die Veranstaltung damals nicht erfolgreich gewesen, hätten wir als Kastelruther Spatzen übrigens die volle Verantwortung übernommen. Aber alles verlief erfreulicherweise sehr gut und über die Jahre hat sich das Event als feste Institution eingependelt. Seitdem konnten wir das Fest, mit Ausnahme der Pandemiejahre, jedes Jahr veranstalten.

Das Fest wird ja jährlich von rund 30.000 Menschen besucht.

Das ist wirklich toll, aber natürlich auch eine Herausforderung. Die Auflagen und Sicherheitskonzepte haben sich stark verändert in den vergangenen Jahren, das macht viele Vorgänge sehr kompliziert. Auf der einen Seite freut man sich Jahr für Jahr auf das Fest, ist auf der anderen Seite auch heilfroh, wenn alles gut über die Bühne gegangen ist.

"Das Leben ist wie ein Rad: Vieles wiederholt sich und kehrt immer wieder zurück"

Wie blicken Sie auf den Wandel innerhalb der Musikbranche? Fühlen Sie sich durch die Schnelllebigkeit und den Einfluss der sozialen Medien unter Druck gesetzt?

Ich persönlich zähle mich zur älteren Generation und reagiere etwas empfindlich, wenn es um den extremen Wandel und Fortschritt geht. Bei der jüngeren Generation, die mit der ständig voranschreitenden Technik aufwächst, sieht es da natürlich etwas anders aus. Trotzdem wird vieles von den Medien und Social Media gesteuert – das finde ich beängstigend. Ich denke, dass die Digitalisierung Fluch und Segen zugleich ist – häufig wird durch die Medien und die schnelle Berichterstattung Panik verbreitet. Bei den Menschen entstehen dann Ängste, Aggressionen und Unzufriedenheiten. Umso mehr spielt die Ruhe als Gegenpol eine grosse Rolle.

Inwiefern?

Ich beobachte, dass sich viele Menschen etwa hier in den Alpen Auszeiten nehmen, sich zurückziehen und die Zeit so richtig geniessen wollen. Sie reisen also in Gegenden, in denen es gemütlich ist und man zur Ruhe kommen kann.

Spielen denn die sozialen Medien für Sie eine Rolle? Einen Instagram-Account haben die Kastelruther Spatzen ja.

Ich persönlich befasse mich damit nicht wirklich und kenne mich in der Thematik auch nicht aus. Daher weiss ich gar nicht wirklich Bescheid, was auf der Plattform so abläuft (lacht). Natürlich sehe ich aber auch die Effekte, wenn man etwa über Instagram Werbung machen kann – insofern bringt all das bestimmt etwas. Nur ist mir persönlich das Persönliche und Gemütliche etwas lieber.

Auch ohne die Power durch die sozialen Medien sind die Kastelruther Spatzen weiterhin erfolgreich – wie erklären Sie sich diesen nicht abebben wollenden Erfolg?

Wir haben das Glück, seit Jahren viele treue Fans zu haben. Viele von ihnen gehören bereits einer etwas älteren Generation an und schätzen somit häufig das Normale und Unaufgeregte. Auch wir als Musiker sind in den vergangenen 40 Jahren auf dem Boden geblieben und nicht abgehoben und ich glaube, das gefällt den Fans, die uns die Treue halten.

Nichtsdestotrotz erreichen Sie auch jüngeres Publikum.

Ja, das freut uns sehr. Das Leben ist wie ein Rad: Vieles wiederholt sich und kehrt immer wieder zurück. So ist es auch bei der Musik. Zum Beispiel haben wir unser Jubiläums-Album auch als Vinyl produziert – das hätte ich bis vor einigen Jahren nie gedacht. Aber so ist es eben: Vieles kehrt zurück und auf diese Weise erreichen wir auch viele junge Menschen. Mir persönlich gefällt es natürlich sehr, zu sehen, dass viele junge Menschen sich für die Volksmusik interessieren und unsere Lieder "cool" finden.

Denken Sie und Ihre Kollegen auch mal daran, bald die Spatzen-Rente anzutreten?

Berechtigterweise wird uns diese Frage inzwischen häufiger gestellt (lacht). Ich hoffe, dass wir, solange es gesundheitlich bei uns passt und wir weiterhin Freude an unserer Arbeit haben, noch eine ganze Weile miteinander Musik machen werden. Ansonsten wäre es natürlich ideal, wenn man den richtigen Zeitpunkt erwischen würde, aufzuhören. Verschiedene Veranstalter etwa drängen schon seit Längerem darauf, mit uns eine Abschieds-Tournee zu machen. Dazu sagen wir aber: Wenn wir eine Abschieds-Tournee machen, dann soll es auch eine echte Abschieds-Tournee sein und nicht so wie bei vielen anderen Künstlern, die schon ihre x-te Abschieds-Tour gespielt haben und doch immer wieder zurück auf die Bühne kehren. Da verschwindet meiner Meinung nach nur die Glaubwürdigkeit. Lassen wir uns also überraschen, wie es mit uns weitergeht.

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