Seit 1. September 2021 haben die Brüder Kaulitz ihren eigenen Podcast, der den kreativen Namen "Kaulitz Hills – Senf aus Hollywood" trägt. Und – wer hätte es erwartet – natürlich versorgen die beiden Tokio-Hotel-Mitglieder ihre Zuhörerschaft, die "Kaulquappen", jeden Mittwoch mit den neuesten Anekdoten und tiefschürfenden Gedanken aus ihrem Leben in der Glamourwelt Hollywoods. Wir haben einmal in die neueste Folge "Es ist geil ein Arschloch zu sein" hineingehört – und sind nicht überzeugt.

Daria Raegany
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht der Autorin dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Wer sich das letzte halbe Jahr aus der Welt des Promi-Klatschs und -Tratschs etwas zurückgezogen hatte, dem wird es spätestens letzte Woche klargeworden sein: Die Gebrüder Kaulitz haben seit September letzten Jahres einen eigenen Podcast.

Ja, wir reden von Bill und Tom Kaulitz, den Zwillingen, die in den 2000ern Furore mit ihrer Band Tokio Hotel machten. Der eine ist inzwischen unter die Modedesigner gegangen und der andere ist mit Model Heidi Klum verheiratet, die derzeit mit einer neuen Staffel GNTM im Fernsehen zu sehen ist.

Ab und an machen die beiden übrigens auch noch Musik, die sie mit Hilfe des Podcasts auch fleissig bewerben, aber dazu später mehr. Letzte Woche war die Folge "Feurige Liebe mit Jan & Olli", in der die Kaulitz-Brüder sich mit dem Duo des Podcasts "Fest & Flauschig" zusammengetan hatten, in der Podcast-Welt in aller Munde. Ein Grund, sich den "Senf" der beiden einmal zu Gemüte zu führen. Und der Name ist definitiv Programm.

"Kaulitz Hills: Senf aus Hollywood": Struktur ist den Brüdern ein Fremdwort

Fangen wir am Anfang an. Oder doch in der Mitte? Oder am Ende? Moment, was war noch mal das Thema dieser Folge? Struktur scheint den Gebrüdern Kaulitz ein Fremdwort zu sein. Munter springen sie von Thema zu Thema, unter einem richtigen Motto scheinen die Episoden nicht zu stehen. So gibt es zwar Kategorien wie ihre Presse-Review "Kaulitz Kolumna", wirklich übersichtlich gestaltet sich das Hörerlebnis dadurch aber trotzdem nicht.

Aber das muss es auch gar nicht. Dieser Podcast lebt von seiner Fanbase, dem Plaudern aus dem Nähkästchen und den Anekdoten, die die Brüder zum Besten geben. Besonders gut scheint bei den Hörern anzukommen, dass Bill und Tom sich jede Folge ein paar Fragen aus ihren Fan-Mails herauspicken und diese dann beantworten.

Als wirklich eingefleischter Tokio-Hotel-Fan mag das genug sein. Als neutraler Podcast-Hörer bieten die Brüder dann doch eher recht mässige Unterhaltung. Diese besteht vor allem aus gefährlichem Halbwissen, mehr oder weniger intelligentem "Senf" und vor allem aus der Zurschaustellung des eigenen Prominenten-Status und der damit einhergehenden Privilegien.

Themaverfehlung im Podcast?

Veranschaulichen wir diese steile These anhand der aktuellen Folge "Es ist geil ein Arschloch zu sein". Namensgebend für den Titel ist der relativ zu Anfang der Episode erwähnte Song von Christian Möllmann aus dem Jahr 2001. Nun könnte man aufgrund des Titels davon ausgehen, die Podcast-Folge drehe sich um Situationen, in denen sich die Kaulitz-Brüder mit unangemessenem Verhalten konfrontiert sahen, sich selbst schlecht verhalten haben oder vielleicht einfach nur um eine Diskussion über die Ellenbogen-Gesellschaft Hollywoods, in der die beiden leben.

Alles halbwegs interessante Themen, die den ahnungslosen Hörer neugierig auf die Folge klicken lassen. Aber nein. In der Folge finden wir von Beschwerden über die (Nicht-)Beleuchtung des Hollywood-Schriftzugs, über aktuelle Engpässe bei der Lieferung von Range Rovern bis hin zu halbgaren Diskussionen über das Thema Sekten alles, was wir uns unter der Folge nicht vorgestellt hatten – und wissen am Schluss nicht mehr, wo vorne und hinten ist.

Natürlich ist klar, dass ein Podcast, wie der der beiden Tokio-Hotel-Frontmänner keine Struktur und kein Thema nötig hat, allerdings ist der Hörspass für den unbedarften Nutzer doch recht eingeschränkt.

Belanglosigkeiten – und ein Fauxpas

Über die Belanglosigkeiten der einzelnen Gesprächsthemen mag man schmunzeln und sie als wenig relevant abtun. Ein Detail stösst dann doch sehr sauer auf: Als die Brüder auf das Thema der verzögerten Anlieferung in der Automobilbranche zu sprechen kommen, erwähnen sie mit keinem Wort den derzeitigen Krieg in der Ukraine, der unter anderem für die Engpässe ursächlich ist.

Stattdessen witzeln sie darüber, dass sie darüber nachdenken sollten, ihre eigenen Autos zu verkaufen, da die Nachfrage und somit der Gewinn derzeit ja wohl hoch sei. Im Zusammenhang mit den Gräueltaten in der Ukraine wirkt dieser Abschnitt des Podcasts leider sehr geschmacklos. Man hätte sich von einer Produktion dieses Formats mit nicht zu unterschätzender Reichweite mehr Feingefühl und Einordnung gewünscht.

Abgesehen von diesem Fauxpas plätschert die aktuelle Folge "Senf aus Hollywood" vor sich hin: Zu Anfang besprechen die Brüder ihre zahlreichen kleineren oder grösseren körperlichen Wehwehchen (Tom hat etwa ganz im Stile Hollywoods gerade eine Master-Cleanse-Kur hinter sich), belächeln Leute, die mit dem Laptop im Café arbeiten ("Ich setz' mich doch nicht an so 'nen klebrigen Tisch im Starbucks"), "analysieren" oberflächlich und mit sehr viel Halbwissen im Gepäck die Strukturen von Sekten wie Scientology ("Ob ich mir vorstellen kann, ein Anführer meiner eigenen Sekte zu sein? Absolut.") und philosophieren über ihren neuen Song "HIM", in dem Bill wohl seine Bindungsprobleme aufarbeitet ("Wahrscheinlich habe ich ein Problem mit wirklicher Intimität").

Was die beiden dabei oft komplett zu vergessen scheinen: Die Position des unfassbaren Privilegs, aus dessen Blickwinkel sie sich jeglichen Themen zuwenden. Zumindest wird dieses mit keinem Wort erwähnt, obwohl es in der Episode "Es ist geil ein Arschloch zu sein" doch einige Male um das Geld und den sozialen Status der Brüder geht ("Da ist ja noch 'ne Jacht in Planung").

Kaulitz-Podcast für Publikumsvoting des Deutschen Podcast Preises nominiert

Gegen Ende hin offenbaren die Zwillinge dann noch ein Highlight: Ihr Podcast "Kaulitz Hills – Senf aus Hollywood" ist tatsächlich für den Deutschen Podcast Preis nominiert und zwar in der Kategorie Publikumsvoting "Lifestyle". Mit einem Blick auf die Kriterien der Teilnahme bei diesem Preis stellt man allerdings fest, dass eine Nominierung bereits dann erfolgt ist, wenn der Podcast vom eigenen Team eingereicht wurde.

Das Voting in dieser Kategorie erfolgt dann durch die Zuhörerschaft – die die Kaulitz-Brüder im Übrigen liebevoll ihre "Kaulquappen" nennen. Halten kann man davon, was man möchte.

Abschliessend kann man über den Podcast der Gebrüder Kaulitz im Allgemeinen und über die aktuelle Folge im Besonderen sagen: Über eine Stunde Inhalt mit wenig Aussage. Kann man als Fan der Band Tokio Hotel machen, muss man allerdings wirklich nicht.

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Verwendete Quellen:

  • "Kaulitz Hills – Senf aus Hollywood": Folge "Es ist geil ein Arschloch zu sein" (12.04.2022)
  • deutscher-podcastpreis.de: Kaulitz Hills – Senf aus Hollywood
  • deutscher-podcastpreis.de: Teilnahmebedingungen
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