- Heute startet im ZDF (20.15 Uhr) die dreiteilige "ZDFzeit-Reihe" mit dem Titel "laut.stark.gleich.berechtigt."
- Als Presenterin taucht Collien Ulmen-Fernandes in die unterschiedlichsten Lebenswelten von Frauen ein.
- Im Interview mit unserer Redaktion spricht die 41-Jährige über die Frauenrolle, die automatisch auch die Männerrolle betrifft.
Frau Ulmen-Fernandes, der Titel der Sendung "laut.stark.gleich.berechtigt." beinhaltet gleich mehrere Statements in einem. Was steckt dahinter?
… sondern auch um die Rolle der Männer?
Ganz genau. Man kann diese Themen nicht losgelöst voneinander betrachten. Denn die Frauenrolle hängt gesellschaftlich immer automatisch mit der Männerrolle zusammen. Wenn die Frau zunächst zu Hause bleibt und sich irgendwann "das Recht herausnimmt", wieder arbeiten zu gehen, dann betrifft das natürlich auch die Rolle des Mannes.
Haben Sie ein konkretes Beispiel aus dem Leben parat?
Ich erinnere mich noch daran, als mein Mann und ich gleichzeitig Drehbücher für Kinofilme bekamen. Aus dem Kreise der Verwandtschaft wurde mir dann gesagt, dass ich meinen Film nicht drehen könne, weil ich ja meinem Mann den Rücken freihalten müsse. Ich habe das natürlich komplett anders gesehen.
Wie reagieren Sie auf Ungerechtigkeiten dieser Art oder auf übergriffige Fragen?
Natürlich mache ich meinen Standpunkt deutlich, aber damit ist das Thema ja nicht beendet. Im Gegenteil: Wenn Frauen Ansprüche stellen oder mal auf den Tisch hauen, dann sind sie zickig und hysterisch, während Männer in vergleichbaren Situationen als durchsetzungsstark gelten. Es wird ganz klar unterschieden. Sie können sich nicht vorstellen, wie häufig ich das am Filmset schon genauso erleben musste.
Ulmen-Fernandes: "Gleichberechtigung funktioniert nur, wenn alle Geschlechter mitmachen"
Müssen Frauen und Männer beim Thema Feminismus mehr an einem Strang ziehen?
Gleichberechtigung funktioniert nur, wenn alle Geschlechter mitmachen. Daher ist es so wichtig, dass sich auch die Männer mit dem Thema auseinandersetzen. All das, was wir in dieser Dokumentation zeigen, geht also auch die Männer etwas an.
Sie haben eine gemeinsame Tochter (10) mit Ihrem Ehemann Christian Ulmen. Wie oft müssen Sie sich für Ihre Berufstätigkeit rechtfertigen?
Täglich. Hier sehe ich keine grosse Verbesserung zu der in der Sendung thematisierten Vergangenheit. Die ehemalige Fussballerin Bärbel Wohlleben wurde damals in den 70ern gefragt: "Wer steht denn in der Küche, wenn Sie jetzt hier Fussball spielen?". Den Ausschnitt zeigen wir auch in der Sendung. Traurig ist, dass wir da heute nicht viel weiter sind. Ich werde jedes Mal mit ähnlichen Fragen konfrontiert, wenn ich für das "Traumschiff" ins Ausland fliege. Als mein Mann zu einem Dreh nach New York flog, fragte ihn wiederum niemand, wer sich denn um das Kind kümmern würde, wenn er weg sei – weil Männer eben nicht in dieser Zuständigkeit gesehen werden. Das finde ich erschreckend.
Und wenn das Kind krank ist, muss natürlich die Mutter zu Hause bleiben …
Absolut. In Meetings erlebe ich ständig, dass sich Frauen entschuldigen, weil sie nun leider den Termin verlassen müssen, da ihr Kind krank ist. Ich persönlich habe es noch nie erlebt, dass ein Mann aus diesem Grund aufgestanden und gegangen ist.
Fängt das Problem nicht schon mit den Begrifflichkeiten an? Es heisst nicht Mutterschaftsurlaub, sondern Elternzeit …
Wie oft hört man den Satz "Ich helfe meiner Frau im Haushalt." Es gibt viele Männer, die sich ganz toll finden, wenn sie der Frau "etwas von ihren Aufgaben abnehmen". Alleine diese Formulierungen zeigen doch schon, dass man die Frau in der Zuständigkeit sieht, der man aus Höflichkeit hilft.
Geschlechterklischees sind in vielen Köpfen tief verankert
Dieser Gedanke ist in vielen Köpfen genauso tief verankert wie gewisse Geschlechterklischees. Warum dürfen Jungen kein Rosa tragen und Mädchen kein Blau?
Vor rund 100 Jahren war es genau umgekehrt. Damals war Rosa die Farbe der Jungs und Blau die Farbe der Mädchen. Es liegt also nicht in der Natur der Kinder, wie von einigen Eltern fälschlicherweise angenommen wird, dass Mädchen nun mal auf Rosa stehen. Wäre dem so, hätte man das, was vor 100 Jahren war, nicht einfach umdrehen können.
Vieles wurde lange einfach so hingenommen. Wie war das bei Ihnen: Hat dort eine Entwicklung stattgefunden oder waren Sie für das Thema Feminismus bereits in jungen Jahren Feuer und Flamme?
Man muss ja erst einmal lernen und Dinge wahrnehmen. Ich fuhr zum Beispiel lange Zeit einen Sportwagen. Ich war damals Anfang 20. Häufig war es so, dass ein Mann an meine Scheibe klopfte und mich fragte: "Soll ich für dich einparken?" Damals hinterfragte ich das nicht und ging fest davon aus: Klar, Männer können das eben einfach besser.
Wer kann besser einparken: Ihr Mann oder Sie?
Ich sage mal so: Wenn mein Mann meint, dass es nicht geht, übernehme ich gerne mal das Steuer. Ich stelle dann fest, dass ich es in die allerkleinsten Parklücken schaffe. Ich kann also eigentlich total gut einparken, dachte aber, dass ich es nicht können würde – weil mir das gesellschaftlich so eingeredet wurde. Das nennt man "Gender-Stereotype-Threat". Dazu gibt es viele spannende Studien, die wir auch in der Sendung beleuchten.
Sie sind als erste "Traumschiff"-Ärztin in die TV-Geschichte eingegangen. Haben Sie diese Rolle auch angenommen, um aufzuzeigen, dass der Beruf des Arztes längst nicht mehr männerdominiert ist?
Ich war vor Kurzem im Krankenhaus. Neben meinem Krankenbett gab es zwei Knöpfe – auf dem einen war ein Mann und auf dem anderen war eine Frau abgebildet. Man konnte damit natürlich nicht darüber entscheiden, ob ein Mann oder eine Frau den Raum betreten soll. Nein! Der Knopf mit dem Mann stand für "Ich brauche einen Arzt" und der Knopf mit der Frau stand für "Ich brauche einen Pfleger" – wobei: in dem Fall dann eher "Ich brauche eine Pflegerin" (lacht). Tatsächlich kamen aber sehr viel mehr Männer, wenn ich den Frauen-Knopf drückte, weil dort offensichtlich mehr Pfleger als Pflegerinnen arbeiten. Also ja, auch das war ein Grund, die Rolle der Ärztin anzunehmen.
Gäbe es auf dem "Traumschiff" einen Ärzte-Knopf, müssten demnach Sie, also eine Frau, abgebildet sein. Hat Sie die Anfrage damals überrascht?
Schon, denn die fiktionale Welt ist wesentlich stereotyper als die Realität. Nur 20 Prozent der Frauen in der fiktionalen Welt werden arbeitend dargestellt, während 80 Prozent als Hausfrauen inszeniert werden. Und nur ein Prozent hat einen akademischen Grad. Das heisst im Umkehrschluss: Es gibt viel zu wenig Ärztinnen im Fernsehen. Ich selbst wurde zigfach angefragt, ob ich eine Krankenschwester spielen möchte. Die Rolle als Ärztin wurde mir nun erst zum zweiten oder dritten Mal angeboten. Von daher halte ich den Kurs, den das "Traumschiff" mit mir als Ärztin, zudem noch als erstes festes Ensemblemitglied mit Migrationshintergrund, eingeschlagen hat, für ziemlich progressiv.
Lesen Sie auch:
- Selbstliebe und Feminismus: Wie Miley Cyrus, Bella Thorne und Co. mit ihrer Körperbehaarung ein wichtiges Zeichen setzen
- "Keine Rosen zum Weltfrauentag": Sexismus wird immer noch banalisiert
- Eine Gründerin im Interview über Sexismus und ihren Weg zur Selbstständigkeit
Der nächste Schritt wäre eine Kapitänin. Stünden Sie bereit?
Ich bin ja schon die Ärztin und wenn ich Ja zu einer Kapitänin sagen würde, würde ich vermutlich einen bösen Anruf von Herrn Silbereisen bekommen (lacht). Er macht seine Sache als Kapitän Parger ja auch gut. Und ich finde unser Vierer-Gespann toll so wie es ist. Ich würde auf niemanden von den anderen dreien verzichten wollen.
Es muss ja auch nicht das "Traumschiff" sein …
Das stimmt. Es muss auch nicht auf See, sondern kann auch in der Luft sein. Schliesslich ist auch das Cockpit vorwiegend männlich besetzt. In "laut.stark.gleich.berechtigt." haben wir daher eine Lufthansa-Kapitänin begleitet. Denn Stereotype reproduzieren sich. Wenn hauptsächlich Männer Flugzeuge steuern, dann können sich Frauen beziehungsweise Mädchen das auch nicht anders vorstellen. Bei "No more Boys and Girls" hatten wir dazu ein Experiment gemacht: Kinder sollten eine Person zeichnen, die ein Flugzeug fliegt. Natürlich zeichneten fast alle Kinder einen Mann. Am Ende betrat eine Pilotin den Raum, woraufhin viele erstaunte Mädchen zu mir sagten: "Wir wussten ja gar nicht, dass Frauen so etwas auch können." Wie sollen sie das auch wissen, wenn sie in ihrem Leben noch nie eine Frau im Cockpit gesehen haben? Aus dem Grund ist weibliche Sichtbarkeit ein so wahnsinnig wichtiges Thema.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.