Sie ist Schauspielerin und Moderatorin, Vize-Dschungelkönigin und in ihrer jüngsten Filmrolle ein Zombie. Heute wird Michaela Schaffrath 50 Jahre alt – und muss ohne Gäste feiern. Ein Gespräch über ihre Theaterkarriere, einen wichtigen Mentor, die analogen 80er, Nacktheit in der Öffentlichkeit und warum sie das jüngste Jenke-Experiment nicht nachmachen würde.

Ein Interview

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Frau Schaffrath, was hatten Sie für 2020 geplant – und wie haben Sie das Jahr dann tatsächlich verbracht?

Michaela Schaffrath: Ich hätte dieses Jahr vor allem auf der Theaterbühne verbracht, auch mit dem ein oder anderen Filmdreh. Im Januar habe ich noch im Bonner Contra-Kreis-Theater gespielt – und dann kam alles anders und man wurde von hundert auf null herunter katapultiert. Wir haben die freigewordene Zeit dann genutzt um unser Haus in Bremen weiter zu sanieren. Damit haben wir vor zwei Jahren begonnen und jetzt sind wir fast fertig.

Aber natürlich habe ich mir 2020 ganz anders vorgestellt, nicht nur wegen des Geburtstages, sondern auch weil es für mich mein zwanzigjähriges Schauspiel- und zehnjähriges Bühnenjubiläum ist.

Nun gibt es also keine Party mit vielen Gästen...

Nein, auf keinen Fall. Ich nehme dieses Virus sehr ernst, ebenso die Auflagen und ich möchte niemanden in Gefahr bringen. Ich bin jetzt einfach gespannt, was sich mein Lebensgefährte für mich ausgedacht hat.

Insgesamt bin ich aber optimistisch und denke, dass es bald wieder bergauf gehen wird und wir die Feste dann wieder wie früher feiern können.

Wie bewerten Sie die finanziellen Hilfen, mit denen die Regierung die Kultur unterstützt?

Ich hatte das Glück, dass ich zu Beginn der Pandemie Arbeitslosengeld bekommen habe, was nicht bei allen Schauspielern gegeben ist. Bei den jetzt angekündigten Novemberhilfen falle ich allerdings durch das Raster, wie viele andere auch. Denn um diese Hilfe zu beantragen muss man 51% des Gehalts aus selbstständiger Arbeit nachweisen, was aber nicht funktioniert, wenn man am Theater als 'Gast' engagiert ist. Das ist im Moment noch ein grosses Problem.

Insgesamt habe ich das Gefühl, dass der Staat zu wenig für Kunst und Kultur tut. Und eine Lobby für unsere Branche ist so gut wie nicht vorhanden. Dabei hängen ja sehr viele Arbeitsplätze daran, in einem Theater sind es zum Beispiel die Maskenbilder, Kostümbildner, Bühnentechniker, die Toilettenfrau, Garderobenpersonal usw.

Im Oktober standen Sie für kurze Zeit wieder auf der Bühne...

Ja, da durften am Ende 75 Personen im Saal sitzen, statt sonst 260. Das war etwas gewöhnungsbedürftig, hat aber der Stimmung überhaupt keinen Abbruch getan. Denn sowohl die Zuschauer als auch wir Schauspieler hatten eine sehr grosse Sehnsucht nach Theater. Leider wurden wir nach nur neun Vorstellungen wieder geschlossen, was mich erst mal in ein tiefes Loch gestürzt hat. Wenn man sich nach sechs Monaten Quasi-Berufsverbot darauf freut, endlich wieder auf die Bühne zu dürfen und dann heisst es nach neun Tagen 'Feierabend bis auf unbestimmte Zeit' – das macht einen schon traurig.

Nun haben es Schauspieler an Stadttheatern auch jenseits einer Pandemie nicht unbedingt leicht. Wie kam es, dass Sie sich dem verschrieben haben?

Weil ich das Theaterspielen einfach liebe. Ich mag es, vor Publikum aufzutreten, weil ich so ein direktes Feedback bekomme. Da spielt auch die Grösse des Theaters keine Rolle. Die Menschen zwei Stunden mitzunehmen in eine andere Welt, das erfüllt mich.

Ich stehe natürlich auch gerne vor der Kamera, aber da bekomme ich das Feedback höchstens über die Einschaltquote, vielleicht spricht mich auch mal jemand am nächsten Tag auf der Strasse an. Beim Theater dagegen gibt es oft die Möglichkeit, sich im Anschluss an eine Vorstellung noch mit Zuschauern zu unterhalten.

Und dann ist es natürlich der Prozess, sich in den Probenwochen an eine Rolle immer weiter heranzutasten, diese Möglichkeit hat man beim Film nur selten.

Sie haben zehn Jahre als Kinderkrankenschwester gearbeitet. Was gab den Ausschlag, in einen Beruf zu wechseln, der in der Öffentlichkeit stattfindet?

Ich bin da ja eher reingeschlittert, war mir also am Anfang gar nicht so bewusst, was diese Öffentlichkeit alles mit sich bringt. Es bedeutet ja längst nicht nur Glamour und roter Teppich, sondern damit ist auch viel Verzicht verbunden. Als öffentliche Person interessieren sich die Leute eben oft für dein Privatleben, dein persönliches Umfeld.

Ich bin diesen Schritt zum Einen aus purer Neugierde gegangen, zum Anderen war ich nach zehn Jahren als Kinderkrankenschwester an einem Punkt angekommen, wo mich dieser Beruf sehr ausgelaugt hat. Ich habe auf einer neuropädiatrischen Station gearbeitet und die Krankheiten dort, auch Todesfälle haben mich sehr mitgenommen. Wobei mich der Umgang mit Menschen auch positiv geprägt hat, im Sinne von Demut und Dankbarkeit.

Aktuell werden in Deutschland Impfzentren aufgebaut – könnten Sie noch eine Spritze setzen?

Ich denke schon. Es gibt bestimmte Handgriffe in dem Beruf, die man nicht verlernt, das ist so ein bisschen wie Fahrradfahren. Ich habe auch schon mal im Zug einem Herren mit Verdacht auf Herzinfarkt Erste Hilfe geleistet oder bei einem Verkehrsunfall angehalten und geholfen. In solchen Momenten fühle ich mich dazu auch verpflichtet.

Wer waren für Sie, bei der Laufbahn als Schauspielerin, Vorbilder?

Vorbilder hatte ich so direkt nicht, dafür aber einen grossartigen Mentor, Dieter Pfaff. Er hat mich überhaupt erst auf den Weg zur Schauspielerei geführt und mich bei meinen ersten Schritten begleitet. Von ihm habe ich sehr viel gelernt.

Und dann gibt es natürlich viele Kollegen am Theater, die ich liebevoll die "alten Hasen" nenne, bei denen ich mir Einiges abgeguckt habe. Denen schaue ich auch immer noch gerne beim Proben zu, denn man lernt in diesem Beruf nie aus.

Was hätte denn Dieter Pfaff zu Ihrem Auftritt im Zombie-Film "Sky Sharks" gesagt?

Da bin ich mir nicht ganz sicher. (lacht) Ich glaube, er hätte gesagt: Wenn du Lust drauf hast, mach es, aber konzentriere dich danach wieder auf 'ernsthaftere' Rollen.

Dass ein Film wie "Sky Sharks" Trash ist, wissen wir ja. Für mich war es eine Herausforderung, einen Zombie zu spielen – wofür ich übrigens immer ganze drei Stunden in der Maske sass. Der Film ist gut gemacht, er hat durchaus amerikanisches Niveau. Als Zuschauerin mag ich Horrorfilme überhaupt nicht, aber mal selbst dabei gewesen zu sein, war schon sehr spannend.

Es scheint, dass für Sie der Ausflug in einen Trash-Film oder auch ins "Dschungelcamp" zur Karriere durchaus dazu gehören...

Ja, klar, sonst wäre das Leben doch auch viel zu langweilig. Ich finde, ein paar Herausforderungen muss man zwischendurch annehmen und sich mal ein bisschen aufs Glatteis begeben. Natürlich kenne ich viele Menschen, die ihr Leben lang lieber auf der sicheren Seite bleiben wollen, aber das ist nicht die Vorstellung, die ich für mein Leben habe.

Würden Sie denn so weit gehen wie Jenke von Wilmsdorff, der sich kürzlich für eine TV-Sendung mehreren Schönheitsoperationen unterzog?

Nein, da bin ich raus. Wenn ich morgens in den Spiegel schaue, möchte ich mein Gesicht sehen und nicht das, was ein Chirurg irgendwie glattgezogen hat. Erstens ist das Gesicht ein Spiegel meiner Seele und zweitens brauche ich es für meinen Beruf. Wenn ich keine Mimik mehr habe, wie soll ich dann noch schauspielern? Vor kurzem habe ich einen Film gesehen, in dem Renée Zellweger mitspielte – ganz ehrlich, ich habe sie nicht mehr erkannt.

Nein, ich finde es völlig in Ordnung, natürlich zu altern und dem Alter entsprechend auszusehen.

Nun gibt es von Ihnen als 18-Jährige dieses sehr alte Führerscheinfoto, mit dicker Brille und lockiger Frisur, das so ganz anders aussieht ...

...und das Journalisten immer wieder gerne ausgraben. Also, ich kann heute über dieses Bild sehr gut lachen.

Für die junge Generation sind Selfies und Instagram ein ständiger Begleiter geworden. Wie sehen Sie das als Frau, die ihre Jugend noch in den analogen 80ern verbracht hat?

Ich denke, dass generell die Heranwachsenden etwas weniger mit ihren Smartphones unterwegs sein sollten. Ich bin ohne Handy aufgewachsen und sehne mich manchmal nach dieser Zeit zurück. Denn ich glaube, die junge Generation hat zum Teil eine ganz andere Wahrnehmung ihrer Umwelt, mir scheint, dass sie viele Dinge in der analogen Welt gar nicht mehr wirklich wahrnehmen.

Dazu kommt, dass Kinder mit geringem Selbstbewusstsein durch die sozialen Netzwerke Gefahr laufen, immer jemandem anders nacheifern zu wollen, anstatt eine eigene Persönlichkeit und Individualität zu entwickeln. Weil einem immer vorgehalten wird, wie man sein sollte, damit man überhaupt geliebt, anerkannt oder akzeptiert wird. Wenn man sich nur noch wahrgenommen fühlt, wenn man 'geliked' wird, halte ich das für eine schwierige Entwicklung.

Teilen Sie auch die Sorge, dass wir durch Medien, Werbung und soziale Netzwerke oft einem falschen Schönheitsideal hinterherlaufen?

Ich persönlich bin nie einem bestimmten Schönheitsideal hinterhergelaufen, sondern habe mir gedacht: Entweder mögen die Leute mich so, wie ich bin, oder eben nicht.

Was mir heute positiv auffällt, ist, dass 'curvy Models' immer mehr Präsenz in der Öffentlichkeit erlangen. Und letzten Endes ist es doch eigentlich völlig egal wie man aussieht. Hauptsache, man fühlt sich im eigenen Körper wohl.

Haben wir denn Ihrer Meinung nach einen guten Umgang mit Nacktheit in der Öffentlichkeit gefunden? Musikvideos etwa werden häufig noch für ihre Freizügigkeit kritisiert...

Das sehe ich ehrlich gesagt auch kritisch. Wenn ich mich an die Musikvideos der 80er und 90er erinnere, da hat man vielleicht mal eine Frau im Bikini gesehen, aber im Gegensatz zu heute war das alles sehr zurückhaltend.

Das mag jetzt aus meinem Munde komisch klingen, aber mir sind viele Medienangebote mittlerweile zu sehr sexualisiert, zu platt, zu niveaulos. Ich finde es auch erschreckend, was für Videos sich junge Menschen inzwischen auf ihr Handy herunterladen können. Dabei gibt es natürlich einen grossen Widerspruch und eine Doppelmoral: Als jemand, der aus der Erotikbranche kam, habe ich es eine Zeit lang erlebt, dass diese moralische Decke über mir schwebte. Sprich, einerseits wird Sex immer mehr enttabuisiert, andererseits rümpft man darüber die Nase.

Früher gab es in Videotheken einen abgetrennten Bereich, heute ist ein Jugendschutz bei Erwachsenenfilmen so gut wie nicht existent. Würden Sie heute zu Jugendlichen sagen: 'Wartet, bis ihr 18 seid'?

Unbedingt, auf jeden Fall. Wenn mir Freunde erzählen, was sich ihre Kinder zum Teil für Videos auf dem Schulhof angucken, wird mir ganz schlecht. Denn dadurch wird den Jugendlichen im Grunde die Möglichkeit genommen, ihre eigene, persönliche Sexualität zu entwickeln. Das macht mich schon traurig, denn Sexualität muss doch jeder für sich selbst, in seinem eigenen kleinen Kosmos entdecken und erleben, die erste Liebe, das erste Mal. Das solche Darstellungen überall gestreut werden halte ich nicht für richtig. Das trifft genauso auf Gewaltdarstellungen zu.

Das hat jetzt auch überhaupt nichts mit Prüderie zu tun, sondern mit Schutz. Denn das Material, was heute für Jugendliche zugänglich ist – darüber haben wir früher als Teenager noch nicht einmal gesprochen. Wenn Jugendliche so etwas heute sehen und für normal halten, dann erschrickt mich das. Denn es ist nicht normal.

Sie haben 2001 ein autobiografisches Buch veröffentlicht, in dem der Satz steht "Ich glaube daran, dass das ganze Leben vorherbestimmt ist." Sehen Sie das heute immer noch so?

Ja. Ich bin keine regelmässige Kirchengängerin, denke aber immer noch, dass es da irgendetwas oder irgendjemanden gibt, der eine Hand über uns hält. Es wird einem nicht alles in den Schoss gelegt, aber wir bekommen Möglichkeiten und Chancen, die wir im Leben dann auch nutzen müssen.

Sie schauspielern, moderieren, waren Vize-Dschungelkönigin, nehmen Hörbücher auf, waren in einem Musikvideo der "Toten Hosen" zu sehen – fehlt noch etwas?

In der Tat habe ich sehr viele Dinge geschafft, die ich mir als Ziel gesteckt habe – und eigentlich noch viel mehr. Ich wohne jetzt in einem sehr schönen Haus in Bremen, ich habe hier im Stadtmagazin regelmässig meine eigene Kolumne...

Was mir im Moment etwas fehlt, ist das Reisen. Mein Lebensgefährte und ich sind grosse Outdoor-Fans und hoffen, dass es bald wieder einfacher wird, andere Länder zu bereisen.

Ist Ihre Zuversicht heute grösser oder kleiner als noch mit 20 Jahren?

Ich glaube, meine Zuversicht ist die gleiche wie damals. Verändert hat sich vielleicht, dass ich mit dem Alter etwas vorsichtiger geworden bin. Aber auch entspannter. Vor einer Entscheidung denke ich jetzt etwas länger nach, schlafe lieber nochmal eine Nacht drüber.

Aber die Zuversicht habe ich mir erhalten. Ich betrachte das Leben als Geschenk, wir alle sind ja nur zu Besuch hier. Natürlich gibt es im Leben negative Zeiten, die habe ich auch erlebt. Aber irgendwie hat mich mein Optimismus dann immer weiter getragen. Bei mir ist das Glas immer halb voll.

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