Der frühere "Baywatch"-Star Pamela Anderson trägt kein Make-up mehr. Ein persönlicher Befreiungsschlag und Gegentrend zum künstlichen Schönheitsideal, das sie einst selbst verkörperte.

Anja Delastik
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Anja Delastik dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Menschen, die die Paris Fashion Week besuchen, sind üblicherweise von den Zehen- bis in die Haarspitzen gestylt. Umso schockierender, wenn jemand wie Pamela Anderson bei den Prêt-à-Porter-Modeschauen "oben ohne" auftaucht: ohne Foundation, ohne Rouge, ohne Wimperntusche, ohne Lippenstift, sogar ohne Gloss. Stattdessen mit einem Lächeln, das einen Glow ins Gesicht zaubert, den kein Highlighter der Welt hinkriegt.

Mit ihrem "übernatürlichen" No-Make-up-Look auf der Fashion Week trifft Pamela Anderson bei vielen Frauen einen Nerv – und die feiern sie. Auch Hollywood-Kolleginnen applaudieren. Schauspielerin Jamie Lee Curtis, die einst aus Protest gegen unrealistische Abbilder des weiblichen Körpers unretuschierte Fotos von sich veröffentlichen liess, bezeichnet den ungeschminkten Auftritt der Kanadierin als "mutigen und rebellischen Akt." Er sei der offizielle Beginn einer "Natural Beauty Revolution".

Symbolkräftiger Auftritt

Dass nun ausgerechnet Pamela Anderson diese Revolution einläutet, ist umso bemerkenswerter und symbolkräftiger. Denn schon einmal markierte der einstige "Baywatch"-Star einen neuen Beautytrend – als Sexsymbol der Neunziger mit gemachten Brüsten, Hair Extensions, künstlichen Nägeln und Wimpern, einem dicken Lidstrich und übermalten Lippen.

30 Jahre später (den Kardashians und Jenners dieser Welt sei's gedankt) hat sich dieses künstliche Idealbild etabliert – und ist längst nicht mehr nur den Reichen und Schönen vorbehalten. Aufgespritzte Lippen, die von der Seite wie Schnäbel anmuten, aufgeklebte Wimpernkränze, so dicht und lang, dass sie bei Gegenwind wie kleine Flügel flattern, Gel-Nägel, die wie kleine Schaufeln aussehen, sieht (und kriegt) man heutzutage in jeder Fussgängerzone.

"Au naturel" statt künstlich

Pamela Anderson lebt den Gegentrend und ist – obwohl sie erst jetzt so richtig für Aufsehen damit sorgt – seit Jahren am liebsten "au naturel" unterwegs. Am Anfang ihrer Karriere habe sie einfach nur das gemacht, was andere ihr nahegelegt hätten, erklärte die 56-Jährige ihr früheres Aussehen in der Zeitschrift "Elle". Schon 1999 liess sie sich ihre Doppel-D-Implantate entfernen, trägt seit 2019 kaum mehr Make-up. Seitdem fühle sie sich freier, sagt sie, und das sieht man ihr an. Unter ihren Instagram-Fotos aus Paris schreibt sie: "Es gibt Schönheit in Selbstakzeptanz, Unvollkommenheit und Liebe."

Alicia Keys würde das sicher unterschreiben. Bereits 2016 entschied sich die US-Sängerin ("Fallin‘"), komplett auf Make-up zu verzichten. Heute schminkt sie sich wieder ab und zu. Make-up oder No-Make-up? Das sei gar nicht die Frage, erklärte sie diesen Sommer in der US-amerikanischen Modezeitschrift "InStyle". Vielmehr ginge es darum, welche Grenzen man für sich selbst akzeptiere.

Kein Zwang, sondern Spass

Der gemeinhin akzeptierte Standard ist indes ein anderer – insbesondere für Frauen, die im Rampenlicht stehen. So als schuldeten sie der Welt ihre Schönheit. Ob auf dem roten Teppich oder in der Chefetage, vor der Kamera oder hinter der Ladentheke, auf der Modeschau oder bei der Konferenz: In vielen Jobs und Situationen wird von Frauen erwartet, sich schön zu machen... es sei denn, sie sind es von Natur aus.

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Zugegeben, auch Pamela Anderson sieht ungeschminkt mit Mitte 50 noch überdurchschnittlich gut aus. Doch selbst sie muss in den Kommentarspalten lesen, ihr früheres Partyleben stünde ihr ins Gesicht geschrieben, sie sähe müde aus, altere nicht gut, sei kaum wiederzuerkennen.

Man kann es den Menschen nicht recht machen. Kein Wunder, dass sich viele Frauen auch dann lieber hinter Schminke verstecken, wenn sie gar keine Lust darauf haben. Dabei sollte Make-up kein Zwang sein, sondern Spass machen. Es kann die Persönlichkeit unterstreichen, die Stimmung boosten, dazu dienen, sich ausdrücken.

Echt revolutionär wäre es demnach, wenn jede Frau (und letztlich auch jeder Mann) frei entscheiden könnte, ob sie sich schminken oder eben nicht – frei von unrealistischen Idealen und Standards, frei von Erwartungen und Beurteilungen, frei nach Lust und Laune.

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