Schauspieler Patrick Dempsey wurde vom amerikanischen "People"-Magazin zum "Sexiest Man Alive" gekürt. Mit 57 Jahren, grauen Haaren und zahlreichen Lachfalten um die Augen. Eine Auszeichnung, die mal wieder zeigt: Für Männer gelten einfach andere Regeln als für Frauen.

Eine Kritik
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Der Mann mit dem meisten Sexappeal

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Die Auszeichnung sei gut für sein Ego, sagte Patrick Dempsey dem amerikanischen "People"-Magazin. Dieses hat dem Schauspieler ("Grey’s Anatomy") jüngst den Titel "Sexiest Man Alive" verliehen. Mit 57 Jahren soll Dempsey also der Mann sein, der gegenwärtig über den meisten Sexappeal verfügt, weltweit. Eine schmeichelnde Auszeichnung, zumal Dempsey in den vergangenen Jahren mehrfach auf der Shortlist stand, beim Titel aber immer anderen Hollywood-Kollegen den Vortritt lassen musste, darunter George Clooney, Ryan Reynolds oder Chris Evans.

Nun hat es also endlich für den Titel gereicht. Im "People"-Interview gab sich Dempsey bescheiden ("ich hatte meine besten Zeiten eigentlich vor vielen Jahren"), auf den Fotos strahlt er aber in freudiger Eitelkeit in die Kamera. Kein Wunder: Immerhin ist Dempsey der zweitälteste "Sexiest Man Alive" seit dem legendären James-Bond-Darsteller Sean Connery, der den Titel 1989 mit 59 Jahren erhielt.

Da kann man schon mal stolz sein. Talkshow-Moderator Jimmy Kimmel, in dessen Sendung Dempsey die Auszeichnung öffentlichkeitswirksam enthüllte, kommentierte: "Es ist eben wie bei einem guten Wein – man muss einfach auf den richtigen Jahrgang warten."

Männer reifen wie Weine, Frauen verschleiern das Alter

Ein Witz, der einen wunden Punkt trifft. Männer reifen wie Weine – so die uralte, ziemlich unfaire Perspektive, mit der auf das Älterwerden der Geschlechter geblickt wird. Aus irgendeinem Grund wird Männern mit zunehmendem Alter steigende Attraktivität zugeschrieben, während Frauen sich für ihre schwindende Jugend ständig rechtfertigen müssen.

Sie werden dafür gelobt, sich "gut gehalten" zu haben (Jennifer Aniston) oder dafür kritisiert, "zu viel" gemacht zu haben (Madonna). Sexyness aber ist für Frauen ab einem gewissen Alter keine Kategorie mehr, in der sie stattfinden – es geht nur noch darum, wie gut oder schlecht sie ihr wahres Alter optisch verschleiern.

In der Hinsicht geht es wohl nirgends auf der Welt brutaler zu als in Hollywood, wo Männer in Filmen noch locker bis zum 60. Geburtstag den sexy Schwarm spielen dürfen, ihre weiblichen Gegenüber aber nie älter als 35 sind.

Hollywoods Dating-Leben

Manch einer datet sogar im echten Leben mit locker einer Generation Altersunterschied, so wie etwa Leonardo DiCaprio, 49, der mittlerweile berüchtigt dafür ist, dass seine wechselnden Freundinnen nie älter als 25 sind. Für DiCaprio kein Problem. Model Heidi Klum hingegen muss regelmässig erklären, wie es sein kann, dass ihr Ehemann Tom Kaulitz 16 Jahre jünger ist als sie. Ihre Antwort auf Instagram in diesem Jahr: "Ich denke nur darüber nach, wenn mich andere darauf aufmerksam machen."

Ein guter Punkt: Egal, wie gut und selbstsicher sich Frauen fühlen, immer müssen sie Stellung nehmen zur Aussenwahrnehmung. Erklären, einordnen, relativieren, was andere über sie denken – gerade mit Blick aufs Alter. Männer werden mit 57 Jahren ganz selbstverständlich zum ultimativen Sexsymbol gekürt.

Diese Lässigkeit gibt es für Frauen nicht. Frauen, die auf die 60 zugehen, gelten schliesslich schon als "mutig", wenn sie sich "trauen", sich ungeschminkt in der Öffentlichkeit zu zeigen, so wie kürzlich Pamela Anderson auf der Modewoche in Paris. Warum mutig? Weil Alter für Frauen eben nicht in reifende Sexyness umgemünzt wird, sondern in einen Makel, den es so gut wie möglich zu vertuschen gilt.

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Natürlich müsste die eigentliche Frage lauten, ob Sexyness-Rankings überhaupt noch zeitgemäss sind. Ob sexuelle Anziehungskraft eine Kategorie sein sollte, nach der Menschen öffentlich bewertet werden – egal, bei welchem Geschlecht. Ob es eine solche Auszeichnung wirklich wert ist, vor dem zugehörigen Fotoshooting einen Monat lang zu fasten, so wie Patrick Dempsey das nach eigenen Angaben getan hat.

Momentan gibt es solche seltsamen Krönungen der Äusserlichkeiten aber noch. Und selbst wenn man den "People"-Preis nicht ernst nimmt – Patrick Dempsey selbst will die Aufmerksamkeit vor allem für einen guten Zweck nutzen und für seine Stiftung zur Unterstützung von Krebspatienten und ihren Familien werben –, dann zeigt die Auszeichnung doch ganz klar einen uralten Fakt: Für Männer und Frauen gelten immer noch unterschiedliche Regeln beim Älterwerden.

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