Trotz Trennung führen Amira und Oliver Pocher ihren Podcast "Die Pochers" fort - und die Zuhörer sind ganz nah dran. Was ist echt, was nicht? Eigentlich egal, solange es unterhält. Nur die Migrationsdebatte sollte das Ex-Paar anderen überlassen.
"The show must go on", "Die Show muss weiter gehen", singt
Aber das war 1991, Freddie Mercury ist tot und heute sieht die Entertainment-Welt anders aus. Es ist ein Trend unserer Zeit, aus seinem Privatleben ein Geschäftsmodell zu machen. In guten wie in schlechten Zeiten. Bilder und Videos von Urlaub, Mittagessen und Fitnessstudio wechseln sich mit Trauer, persönlichen Niederlagen und psychischen Problemen ab.
Das hat die "herkömmlichen" Stars unter Zugzwang gebracht. Es reicht nicht mehr, nur auf der Bühne, im Fernsehen, mittels eines Podcasts präsent zu sein. Die Fans und Follower wollen intime Einblicke, mehrmals täglich. "Authentizität" ist das Schlagwort, das in diesem Zusammenhang immer fällt.
Aber: Wie authentisch kann etwas sein, das für die Öffentlichkeit produziert wird? Das inszeniert und nachbearbeitet ist und letztlich nur einen Teil der Persönlichkeit abbildet, und zwar den, den man zeigen will?
In diesem Spannungsfeld befinden sich gerade
Der Zuhörer ist dabei, wie sich ein Paar trennt
In der letzten Woche zeichnete das Paar vor Live-Publikum auf. Die beiden umarmten sich, sie hatten Tränen in den Augen. Die Boulevard-Presse berichtete vor der Veröffentlichung der Podcast-Folge, die perfekte PR. In der neuesten Ausgabe jetzt der Weiterdreh in Form einer ausführlichen Nachbesprechung. Die Tränen zeigten, "dass noch ein Restgefühl in dir ist", sagt Oliver Pocher zu seiner Noch-Ehefrau.
Sie antwortet knapp: "Nein." Sie könne das erklären: "Ich kann dich nicht weinen sehen." Und fügt noch hinzu: "Du wirst mir immer sehr wichtig sein." Der Zuhörer ist dabei, wie sich ein Paar trennt. Auf der einen Seite der verletzte Ehemann, auf der anderen die Ehefrau, die schon einen Schritt weiter ist.
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Dass sich das in den nächsten Folgen ändert, ist nicht zu erwarten. Die beiden liefern sogar mögliche Handlungsstränge. In der aktuellen Folge geht es um eine weitere Ex von Oliver Pocher, Sandy Meyer-Wölden, mit der er zwei Söhne und eine Tochter hat. Zu ihr war Pocher nach der Trennung nicht sehr freundlich. "Wenn etwas nicht richtig ist, muss man es auch benennen können", sagt er dazu. "Man muss da ja nicht in der Öffentlichkeit machen", entgegnet ihm Amira, was umso kurioser ist, weil die beiden genau das seit einigen Wochen tun.
"Authentisch" ist letztlich nur eine Floskel
Ein weiterer Programmpunkt: Der anstehende Geburtstag von Amira Pocher, zu dem Oliver zu seiner eigenen Verwunderung eingeladen ist. Sein abschliessender Kommentar: "Da haben wir ja dann in zwei Wochen was zu erzählen." Es wird also immer so weiter gehen.
Inwieweit das nun wirklich alles "authentisch" ist, sei dahingestellt. Der Zuhörer sollte nie vergessen, dass es sich hier um zwei Medienprofis handelt, die einen Teil ihrer Persönlichkeit inszenieren. Die öffentlichen Amira und Oliver Pocher sind andere Menschen als die privaten. "Authentisch" ist letztlich nur eine Floskel.
Vielleicht sollte man unter diesem Aspekt auch das einzige Thema des Podcasts betrachten, das sich nicht um die beiden selbst dreht: den Übergriff im Agrippabad in Köln. In dem Aussenbecken des Schwimmbads wurde am 17. September eine Dreizehnjährige sexuell missbraucht, acht Männern zwischen 16 und 26 wurden von der Polizei gestellt.
Die mutmasslichen Täter wurden verhaftet, ihre Personalien aufgenommen. Danach wurden sie entlassen, die Ermittlungen laufen. Vier von ihnen haben die syrische, drei die türkische Staatsbürgerschaft, einer ist Iraker.
Das nutzen Amira und Oliver Pocher für einen Rundumschlag gegen Einwanderung und Islam, denn: "Das muss man auch offen aussprechen dürfen." "Wir haben hier ein Migrationsproblem in Deutschland", sagt Oliver Pocher. Immer mehr illegale Einwanderer würden sich "daneben benehmen". "Religionsmässig sind das nicht einfach nur Katholiken", fügt er noch hinzu.
Sein Schluss: "Da darf man sich nicht wundern, dass die AfD landesweit 22 Prozent hat." Für seine Frau, die ägyptische Wurzeln hat, ist es ein ebenso emotionales Thema: Sie prangert den Umgang des Islam mit Frauen an und teilt aus: "Aber Hauptsache, wir haben 80 Geschlechter."
Komplexe Themen lassen sich nicht auf einfache Formeln herunterbrechen
Faszinierend ist daran vor allem, dass es zu einem wahren Trend geworden ist, komplexe Themen möglichst einfach herunterzubrechen und sich dann darüber zu beschweren, man dürfe all das, was man gerade sagt, gar nicht sagen. Die Pochers liefern ein Paradebeispiel dafür: Zwei prominente Menschen mit grosser Reichweite sprechen über ein "verbotenes" Thema, das sie bewegt.
Nur führen sie diese Diskussion nicht nüchtern, sondern rein emotional. Dann werden komplexe Sachverhalte schnell unscharf: Was sind Fakten, was ist Gefühl?
Davon abgesehen, dass das Verhalten der katholischen Kirche bezüglich sexuellen Missbrauchs nun wahrlich nicht als Positiv-Beispiel für den Übergriff im Agrippabad taugt, ist aktuell weder bekannt, welcher Religion die Täter angehören, noch, ob um es sich um "illegale Einwanderer" handelt.
Es ist verständlich, dass Amira und Oliver Pocher als Eltern, die dieses Schwimmbad in der Vergangenheit mit ihren Kindern besucht haben, aufgebracht sind. Es hilft aber nicht, Fakten mit Vermutungen zu verbinden, einen einzelnen Fall in einen grösseren Zusammenhang zu stellen und so Stereotype zu verbreiten.
Die Pochers sind Eltern, sie sind keine Migrations-Experten. Gefühlte Wahrheit ist etwas anderes als objektive Wahrheit. Wer diese Diskussion führt, sollte sie anhand von Fakten führen. Kann man das nicht, sollte man es lassen. Und vielleicht doch besser das Ende der eigenen Beziehung thematisieren.
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