Kultsängerin Wencke Myhre blickt im Gespräch mit unserer Redaktion auf ihr 70-jähriges Bühnenjubiläum sowie auf ihre überstandene Krebs-Erkrankung und verrät, ob sie ihren bekanntesten Hit "Er hat ein knallrotes Gummiboot" immer noch gerne auf der Bühne singt.

Ein Interview

Am 15. Februar feiert Schlagersängerin Wencke Myhre ihren 77. Geburtstag. Einen Tag später erscheint ihr neues Album "Gute Jahre – Das Beste und viel mehr…". Unsere Redaktion hat mit der norwegischen Entertainerin über ihr nunmehr 70-jähriges Bühnenjubiläum und den Wandel in der Musikbranche gesprochen. Ausserdem verrät die Interpretin des Kult-Hits "Er hat ein knallrotes Gummiboot", warum sie alle Telefone ausschaltet, wenn im Mai der ESC übertragen wird.

Mehr News zu Stars & Unterhaltung

Frau Myhre, an diesem Donnerstag – also einen Tag vor der Veröffentlichung Ihres neuen Albums "Gute Jahre – Das Beste und viel mehr..." – feiern Sie einen besonderen Geburtstag. Ist das für Sie denn ein Grund zu feiern oder letztlich ein Tag wie jeder andere?

Wencke Myhre: Das stimmt, der 77. ist ein besonderer Geburtstag (lacht). Und es ist schon auch ein Grund zu feiern – vor allem, wenn man bedenkt, dass ich vor ziemlich genau 70 Jahren meinen allerersten Job auf der Bühne angenommen habe. Dafür habe ich damals als junges Mädchen umgerechnet vielleicht 50 Cent bekommen. Mir ging es dabei aber nicht um die Höhe des "Honorars", sondern darum, dass ich auf eine Bühne durfte und dafür auch noch bezahlt wurde.

Sie feiern in diesem Jahr demnach Ihr 70-jähriges Bühnenjubiläum

Genau. Man muss jeden Anlass im Leben nutzen und dankbar dafür sein, wenn man ihn feiern darf. Bei meinen Geburtstagen weiss ich aber im Vorfeld nie ganz genau, wer mich aus meiner Familie wann besuchen kommt. Manchmal kommen vier Personen, manchmal 20 (lacht). Ich habe vier Kinder und zehn Enkelkinder.

Ihr Sohn Dan, mit dem Sie das Duett "Wir beide gegen den Wind" singen, wird doch bestimmt vorbeischauen, nicht wahr?

Davon gehe ich aus. Ich habe das Glück, ihn hier in Oslo ganz in meiner Nähe zu haben. Ohnehin habe ich viel Kontakt mit meinen Jungs, die alle in Norwegen leben. Da meine Tochter in Schweden wohnt, kriege ich sie nicht so häufig zu sehen – aber auch wir kommunizieren viel miteinander.

Das Duett mit Ihrem Sohn ist auch Teil Ihr neues Album "Gute Jahre – Das Beste und viel mehr...". Welche Jahre waren rückblickend bisher denn Ihre besten?

Ich würde mir jetzt keine einzelnen Jahre herauspicken und von meinen besten Jahren sprechen wollen. Es waren rückblickend einfach gute, tolle, verrückte Jahre. Und ich möchte mich mit diesem Album bei meinem Publikum bedanken, dass ich diese Jahre mit ihnen erleben durfte. Das Eine bedingt das Andere. Natürlich waren für mein persönliches Leben die Geburten meiner Kinder das Wichtigste. Beruflich gesehen war es ein Geschenk, dass ich auf der Bühne stehen, mich weiterentwickeln und viele Länder bereisen durfte. Ich kann mich wirklich nur bedanken. Und es ist noch lange nicht Schluss …

Auf Ihrem Album sind natürlich die besten Lieder aus Ihren vielen, guten Jahren als Sängerin enthalten, aber auch die eine oder andere Rarität …

Richtig. Es sind vier komplett neue Lieder dabei, die von den Autoren geschrieben worden sind, die schon an meinem Album "Eingeliebt - ausgeliebt" (erschienen 2010; Anm. d. Red.) mit mir zusammengearbeitet haben. Da ich damals leider erkrankt bin, konnte ich die Songs meinem Publikum nicht in dem grossen Stil präsentieren, wie sich das meine Plattenfirma und ich zuvor ausgemalt hatten. Aus diesem Grund war es mir wichtig, mein Best-of-Album um ein paar neue Titel, darunter der Titelsong "Gute Jahre" oder "Kein Leben ohne Liebe", zu erweitern. Ich finde, das ist sehr schön gelungen.

Lesen Sie auch

Wencke Myhre: "Singe gerne Lieder, die gute Laune machen"

Viele Ihrer grossen Schlager der 1960er- und 1970er-Jahre leben von einem besonderen Wortwitz. Sie haben uns zum Beispiel beigebracht, dass man nicht gleich in jeden Apfel beissen sollte, weil er ja sauer sein könnte. Songtexte wie diese gibt es heute kaum noch. Ist uns Deutschen etwa der Humor abhandengekommen?

Es war einfach eine andere Zeit, damals wurde noch ganz anders getextet. Ich bin immer mit grosser Freude auf die Bühne gegangen. Genau dieses Gefühl spiegelte sich dann auch in meinen Songs wider. Auch wenn nicht alles Gold ist, was glänzt, wie es in "Beiss nicht gleich in jeden Apfel" so schön heisst, versuche ich immer, irgendwo am Ende des Tunnels einen Lichtschein zu sehen. Ich singe gerne Lieder, die gute Laune machen und zu denen man feiern kann.

Das kann man vor allem zu Ihrem Kult-Hit "Er hat ein knallrotes Gummiboot". Singen Sie diesen Song heute noch gerne?

Ja, ich singe das "knallrote Gummiboot" nach wie vor gerne und habe den Song bei meinen Auftritten immer im Rucksack mit dabei. Ich bin stolz und dankbar, dass dieses Lied so vielen Generationen Spass bereiten konnte … und immer noch kann.

Sie sind in Deutschland als Frohnatur bekannt. Hat Sie dieses positive Denken durch Ihre schwere Zeit getragen? Sie haben im August 2010 Ihre Brustkrebs-Erkrankung öffentlich gemacht …

Die Diagnose damals war im ersten Moment natürlich ein Schock für mich. Aber Gott sei Dank habe ich meinen Beruf, der für mich schon immer mein Rückgrat gewesen ist. Mir hat das immer Power gegeben. Ausserdem habe ich Kinder. Diese Verantwortung gegenüber meiner Familie hat mir ein gewisses Stehvermögen verliehen. Weil ich in dieser Zeit so viel Liebe gespürt habe, kann ich heute, da es bei mir am Ende gut ausgegangen ist, ein positives Résumé ziehen und sagen: Das Jahr meiner Krankheit war mit das beste meines Lebens.

Gab es dennoch Momente, in denen Sie kurz davor waren, Ihren Optimismus zu verlieren?

Natürlich gab es schwierige Phasen. Diese Krankheit macht einen ja krank. Wenn man Chemotherapien oder Strahlenbehandlungen über sich ergehen lassen muss, dann geht es einem nicht gut. Dennoch bin ich für mich fest davon überzeugt, dass man mit einer guten Portion Optimismus – und natürlich guten Ärzten an seiner Seite – gute Heilungschancen hat.

Wencke Myhre: "Letztendlich musste die Polizei kommen"

Viele grosse Entertainer, die auch jahrelang Ihre Wegbegleiter waren, sind leider nicht mehr unter uns. Stimmt es Sie wehmütig, wenn Sie an Ihre gemeinsame Zeit mit Peter Alexander oder Udo Jürgens zurückdenken?

Ich denke viel an die beiden. Auch 2023 haben uns viele grosse Künstler verlassen, es war ein schweres Jahr. Meine gemeinsame Zeit mit Peter oder Udo liegt ja schon länger zurück, sie waren gute Freunde von mir. Ich komme an dieser Stelle gerne noch einmal auf Ihre Frage zurück, welche Jahre für mich die besten waren: Mit solchen Wegbegleitern und Menschen durchs Leben gegangen zu sein, war einfach fantastisch. Ich habe die Besten der Besten kennenlernen dürfen, dazu gehört auch eine Hildegard Knef oder eine Caterina Valente, mit der ich heute noch in Kontakt bin. Diese Künstlerinnen und Künstler haben mich auf das Showbusiness vorbereitet, mich sozusagen erzogen. Eine bessere Schule hätte es gar nicht geben können.

Sie wurden später selbst zu einem Teenager-Idol und Ende der 1960er-Jahre mit dem einen oder anderen "Bravo Otto" ausgezeichnet. Konnten Sie damals überhaupt noch auf die Strasse gehen, ohne von Fans belagert zu werden?

Viel Zeit verbrachte ich damals sicher im Ton-, Fernseh- und Filmstudios, öffentlich auf der Strasse bekam man mich eher selten zu Gesicht. Aber ich erinnere mich noch gut an eine Situation in Köln: Ich wollte in der Fussgängerzone in einem grossen Kaufhaus einkaufen gehen. Als ich das Kaufhaus betrat, war noch alles ganz normal. Als ich jedoch wieder herauskam, standen auf einmal Menschenmassen davor. Letztendlich musste die Polizei kommen und mich in mein Hotel chauffieren (lacht). Solche lustigen Momente habe ich im Laufe der Jahre immer mal wieder erleben und – so verrückt sie auch manchmal waren – geniessen dürfen.

Wencke Myhre: "König Harald und Königin Sonja sind fantastische Menschen"

Wenn wir Deutsche an norwegische Persönlichkeiten denken, dann fallen schnell die Namen der Königsfamilie sowie Ihr Name. Macht Sie das als Norwegerin besonders stolz?

Für mich ist das eine grosse Ehre. Als Sängerin möchte ich ja auf die Bühne und von den Menschen wahrgenommen werden. Ich versuche bis heute, eine gute Botschafterin für Deutschland in Norwegen zu sein – und umgekehrt.

Apropos Royals: Was trauen Sie Haakon und Mette-Marit zu, die eines Tages die Nachfolge von König Harald V. und Königin Sonja antreten werden?

König Harald und Königin Sonja sind fantastische Menschen. Und unser Kronprinzenpaar, Haakon und Mette-Marit, passen gut auf Harald auf. Unser König ist ein humorvoller und kluger Mann. Auf Haakon freut man sich in Norwegen sehr. Haakon und Mette-Marit stehen als Paar für ein breites Spektrum an Interessen und engagieren sich mit ihren Projekten sozial, unter anderem machen sie sich für Obdachlose stark. Die beiden geniessen bei uns einen guten Ruf.

ESC 2024: Wencke Myhre vergibt privat Punkte

Im Mai wird der Eurovision Song Contest im schwedischen Malmö ausgetragen. Werden Sie vor dem Fernseher sitzen? Sie selbst waren 1968 für Deutschland beim damaligen Grand Prix vertreten – mit dem Lied "Ein Hoch der Liebe".

Für mich ist das ein heiliger Tag. Die nationalen Vorentscheide schaue ich mir allerdings nicht an, weil ich am Abend der Entscheidung unvoreingenommen sein möchte. Ich schalte dann meine Telefone aus, lege die Beine hoch und führe sogar Listen.

"Schlagerchampions": Helene Fischers Auftritt sorgt für Unmut

Helene Fischer kehrte nach anderthalb Jahren erstmals in einer Show von Florian Silbereisen zurück, doch ihr Auftritt sorgte bei den Zuschauern für Unmut. (Photocredit: IMAGO/Future Image/Matthias Wehnert) © ProSiebenSat.1

Sie vergeben am ESC-Abend Punkte?

Ja, nur für mich ganz alleine. Das ist mein eigenes Spiel mit mir selber. Ich höre da immer nur auf mein Bauchgefühl und habe dabei keine skandinavische Brille auf. Ich denke europäisch! Und tatsächlich liege ich oft richtig, wenn es um die besten Platzierungen geht.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.