Er gilt als der bekannteste Wissenschaftsjournalist Deutschlands. Ranga Yogeshwar erklärt seit vielen Jahren den Laien in unterschiedlichsten Formaten komplexe Zusammenhänge. Den Begriff des "Infotainments" lehnt der Physiker dabei aber strikt ab. Im Interview zu seinem 60. Geburtstag erklärt er, warum er damit ein Problem hat.

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Herr Yogeshwar, Sie haben sich vorab ein wenig geziert bei der Interview-Anfrage zu ihrem 60. Geburtstag. Dürfen wir fragen warum?

Ranga Yogeshwar: Weil es zunächst einmal sehr viele Menschen gibt, die runde Geburtstage feiern – und ich bin nur einer davon. Die Frage medialer Aufmerksamkeit ist bei mir eigentlich immer eine, die sich weniger auf meine Person, als mehr auf eine Sache fokussiert.

Ich bin kein Verfechter von Eitelkeiten, deswegen finde ich es eigentlich besser, wenn ein Thema im Vordergrund steht und nicht ich.

Ist Eitelkeit Ihnen völlig fremd?

Nein, das auch nicht. Für Menschen, die in den Medien arbeiten, kann das natürlich gar kein Fremdwort sein. Aber ich versuche schon, meine Eitelkeit in einem notwendigen Rahmen zu halten.

Somit ist die Zahl 60 auch nichts Besonderes?

Nein, es kommen sogar dieselben Freunde wie bei meinem 59. Geburtstag. Es gibt auch überhaupt keine grosse Feier, bei der ich Ministerpräsidenten - oder wen auch immer ich meine zu kennen - einlade.

Seit vielen Jahren bringen Sie komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge den Menschen in den verschiedensten Formaten näher, vor allem auch Menschen, die sich mit dem Thema sonst nicht auseinandersetzen. Woher kommt diese Leidenschaft, Ihr Wissen zu vermitteln?

Ich weiss gar nicht genau, woher meine eigene Begeisterung für Wissen kommt. Möglicherweise habe ich mir einfach etwas kindliche Neugier bewahrt.

Die Leidenschaft, dies denjenigen Menschen zu vermitteln, die nicht aus diesem Fach kommen, war tatsächlich eine ganz bewusste Entscheidung. Ich hätte als Physiker auch in der akademischen Welt bleiben können.

Wie kam es dann zu der Entscheidung, die Welt zu wechseln?

Zunächst einmal glaube ich, dass ich auch in der anderen Welt nette Menschen kennengelernt hätte und vielleicht auch weniger bei der Wortwahl hätte aufpassen müssen, weil die Insider immer wissen was gemeint ist. (lacht)

Mein Ziel war es aber eben nicht, nur reines Wissen zu vermitteln, sondern das Ganze auch zu reflektieren. Sonst wäre ich nicht in die Massenmedien gegangen.

Was ist für Sie die grösste Herausforderung dabei, wissenschaftliche Themen für Laien aufzubereiten?

Viele Dinge, die wirklich kompliziert sind, bleiben es auch. Daran kann ich nichts ändern.

Aber ich kann zumindest Prinzipien dieser Vorgänge erläutern und zwar so, dass der ein oder andere eine Vorstellung davon bekommt, um was es geht.

Man muss das immer mit einer gewissen Demut tun, weil die Komplexität bleibt ja.

Gibt es Bereiche, die Sie nicht anfassen würden?

Klare Antwort: ja. Es gibt ungemein faszinierende mathematische Entwicklungen, die extrem viel Wissen voraussetzen. Das macht es natürlich wahnsinnig schwer, deren Charme einem Laien zu erläutern.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Ich habe vor vielen Jahren mal eine Sendung gemacht "Die Relativitätstheorie einfach erklärt", was schon ein Widerspruch in sich ist.

Es war mir aber wichtig, diese grossartige Theorie, die ja auch als Synonym für Komplexität im Sprachgebrauch verwendet wird, zumindest ansatzweise zu erklären.

Das ist mir aber sicher nur teilweise gelungen, da der eigentliche Charme sich erst offenbart, wenn man anfängt zu rechnen und die Tiefen dieser mathematischen Betrachtung geniesst.

Der Medienkritiker Hans Hoff schrieb einst in der "Süddeutschen Zeitung", dass Sie "kurioserweise so etwas wie ein Star in einem Gewerbe" sind, dem Sie selbst "höchst skeptisch" gegenüberstehen. Er zielte darauf ab, dass Sie sich immer wieder von dem Begriff "Infotainment" distanziert haben. Warum fremdeln Sie damit?

Ja, da hat er mich ganz gut charakterisiert. Wenn wir uns einmal die Medien mit ein bisschen Abstand betrachten: In einer Gesellschaft mit ihren relevanten Themen, die es zu verstehen, zu beleuchten und zu diskutieren gilt, stelle ich fest, dass diese Medien oft gefangen sind in ihren eigenen Gesetzen.

Was meinen Sie damit?

Das Anliegen vieler Medienschaffender ist es nicht, mehr Verständnis zu erzeugen, sondern im Wesentlichen diesen medialen Gesetzen zu genügen.

Das kann man täglich beobachten: Fragen sie einmal, wie politische Talkshows besetzt werden. Da geht es auch hauptsächlich um den Unterhaltungseffekt.

Nach dem Motto: Wenn zwei sich streiten und die Quote stimmt, ist man zufrieden. Auch wenn der Inhalt dabei auf der Strecke bleibt. Ich denke da einfach total anders.

Glaubwürdigkeit ist in Zeiten von "Fake News" ein immer wichtigeres Gut. Nicht nur Politikern oder Journalisten, sondern auch Wissenschaftlern wird unterstellt, die Unwahrheit zu erzählen, zum Beispiel von Klimawandelleugnern oder Impfgegnern. Warum ist das so?

Ich glaube, dahinter steckt weniger die tiefe Überzeugung der Menschen, sondern eine fast schon hysterische Medienlandschaft, die diese Blasen mit erzeugt.

Das sind Effekte einer Entgleisung: Aus den Massenmedien sind die Medien der Massen geworden.

Ist das nicht ein reines Social-Media-Problem?

Viele herkömmliche Medien sind davon aber infiziert und eifern dem nach. Zum Beispiel das Credo "speed counts", also Geschwindigkeit ist im Zweifel wichtiger als der Wahrheitsgehalt.

Nehmen wir zum Beispiel den Brexit: Die Briten waren immer schon skeptisch gegenüber Europa. Aber ich wage zu bezweifeln, dass es ein derartiges Votum auch ohne die beschleunigende und verfälschende Wirkung der sozialen Netzwerke gegeben hätte.

Sie sagten in einem Interview vor Kurzem: "'Fake News' töten tatsächlich. Das ist eine Pest und da müssen wir ran." Aber wie?

Es geht nicht um Zensur, aber zum Beispiel darum, sich zu fragen, ob die rein kommerzielle Funktionsweise der sozialen Netzwerke in einem für die Demokratie so relevanten Bereich so laufen darf.

Brauchen wir nicht öffentliche Klarheit über die Mechanismen der Algorithmen? Niemand weiss so genau, wie das überhaupt funktioniert.

Also über Regulierungen und Gesetze?

Ja, ich denke schon. Es ist zumindest Zeit für solche Überlegungen. Die Franzosen fordern ja zum Beispiel schon eine Offenlegungspflicht für solche Algorithmen.

Man muss einfach darüber nachdenken, dass soziale Netzwerke keinen pluralistischen Austausch ermöglichen, durch die Filterung der Inhalte, die einem dargeboten werden. Eine Demokratie braucht das aber.

Auch in Bezug auf die Digitalisierung haben Sie öfter auf Probleme hingewiesen. Verstehen Sie sich als Mahner?

Nein, sicher nicht. Ich bin keiner, der nur die Ethik anführt und nur auf die Gefahren neuer Entwicklungen hinweist. Aber auch niemand, der alles bedenkenlos gut findet.

Ich sehe mich da eher zwischen den Stühlen. Ich plädiere aber in jedem Falle dafür, dass Deutschland aktiver wird und ich möchte, dass wir unsere Zukunft selbst gestalten und nicht gestalten lassen.

Wäre nicht die Politik auch für Sie ein interessantes Feld?

(lacht) Ich bin als Luxemburger ja noch nicht einmal wahlberechtigt in Deutschland. Ich bin ein sehr politischer Mensch und habe viele Gespräche mit der Politik, auch mit Ministern, gehöre aber keiner Partei an.

Dennoch mal darüber nachgedacht, eine zweite Karriere als Parteipolitiker anzustreben?

Ich würde völlig scheitern. Allein schon der Parteizwang. Da wäre ich als Freidenker komplett ungeeignet.

Die Politik hat natürlich sehr viel mit Wahlen, Mehrheiten, Koalitionen und so weiter zu tun und bedauerlicherweise richten viele Politiker ihre Agenda nach diesen Kriterien aus.

Sie überlegen: Mit welchen Themen, Debatten, Sätzen kann ich Menschen rekrutieren. Ich habe die Freiheit, auch mal ein Thema zu behandeln, das eben nicht Mainstream ist.

Herr Yogeshwar, wir bedanken uns für das Gespräch. (dr)  © 1&1 Mail & Media/spot on news

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