Im Interview spricht Entertainer Riccardo Simonetti über Anke Engelke und erklärt, warum unsere Gesellschaft in Sachen Sichtbarkeit noch immer Aufklärung benötigt.

Ein Interview

Moderator, Entertainer, Autor – Riccardo Simonetti ist aus der deutschsprachigen Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken. Mit unserer Redaktion hat der 30-Jährige über den gemeinsamen Podcast mit Entertainerin Anke Engelke gesprochen und das ganz besondere Verhältnis zu ihr beschrieben. Zudem verrät er, welche Vorbilder ihn in seiner Jugend prägten und erklärt, warum die Gesellschaft es anders wahrnimmt, wenn ein Kleid von einem Mann statt von einer Frau getragen wird.

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Herr Simonetti, als Podcast-Gast waren Sie schon häufig in verschiedenen Produktionen zu hören – inzwischen sind Sie Host des Podcasts "Quality Time" mit Anke Engelke. Wofür steht "Quality Time"?

Riccardo Simonetti: Der Name ist Programm. Wir sprechen über die Dinge, die uns bewegen, manchmal zum Lachen bringen, aber auch zum Nachdenken anregen. "Quality Time" bedeutet für mich, persönlich Zeit zu verbringen, nach der es einem besser geht als vorher. Und so ergeht mir das mit Anke Engelke. Wir können nur hoffen, dass sich das auch auf unsere Hörerinnen und Hörer überträgt.

Wie kam es zu der Idee eines gemeinsamen Podcasts? Woher kennen Sie und Anke Engelke sich?

Wir haben uns am Set von "Wer stiehlt mir die Show" kennengelernt und hatten dort sehr tolle Gespräche, auch wenn die Kamera schon aus war. Das war eine super Grundlage für mehr gemeinsame Gespräche.

Bisher spielte sich Ihre und Anke Engelkes Karriere vor TV-Kameras ab. Wie ist es jetzt, hinter einem Mikro zu sitzen und alle Emotionen ausschliesslich über Stimme und Gespräche zu transportieren?

Wir haben beide mal beim Radio angefangen, also ist das gar nicht so ungewöhnlich für uns, aber es ist sehr schön, so viel Raum einzunehmen und wirklich mal laut nachdenken zu können und seinen Emotionen freien Lauf lassen zu dürfen. Das würde man in einer zeitlich limitierten TV-Sendung vielleicht so nicht machen.

Wie würden Sie Anke Engelke und die Bindung zu ihr beschreiben?

Intensiv. Ich liebe diese Frau. Ich meine, das tut der Rest von Deutschland auch, aber ich bin so verliebt in die Person, die sie ist, auch wenn die Kamera aus ist. Ich bin sehr dankbar für ihre Freundschaft.

Während Anke Engelke ein Mensch ist, der in den sozialen Medien bewusst gar nicht stattfindet, folgen Ihnen bei Instagram mehr als 400.000 Menschen – prallen hier zwei Welten aufeinander?

Im besten Sinne, ja! Wir kommen aus unterschiedlichen Welten und auch aus unterschiedlichen Generationen und ich glaube, deshalb sind unsere Gespräche vielleicht auch so interessant. Wir kommen nicht immer aus der gleichen "Bubble" und klopfen uns einfach auf die Schulter und loben uns dafür, wie toll wir alles machen, sondern müssen auch mal nachfragen. Und lernen ganz viel von der anderen Person.

Haben die intensiven Gespräche, die Sie im Rahmen des Podcasts führen, etwas an Ihrem persönlichen Blick auf das Leben geändert?

Definitiv. Gerade weil wir aus zwei unterschiedlichen Generationen kommen, hat mir das vor Augen geführt, wie wertvoll und wichtig es ist, Generationsgespräche zu führen.

Ihr Podcast sowie TV-Auftritte zur Primetime machen Sie einem breiten Publikum bekannt – nehmen ältere Menschen Sie anders wahr als jüngere?

Bestimmt, aber ich finde es auch wichtig, ein älteres Publikum zu erreichen. Ich denke, das ist oft die Gefahr, dass man sich nur auf eine Gruppe Menschen beschränkt, dabei möchte man ja Menschen jeden Alters ermutigen, unterhalten, ihnen etwas mitgeben. Was für ein Geschenk, dass ich das für jüngere und ältere Menschen tun darf.

Bei Events und TV-Shows zeigen Sie sich häufig in pompösen Kleidern mit Pailletten, Spitze und Make-up. Warum wird ein Kleid anders wahrgenommen, wenn es von einem Mann statt von einer Frau getragen wird?

Ich denke, unsere Gesellschaft hat zu lange verinnerlicht, dass "anders" auch automatisch "weniger wertvoll" bedeutet. Wir haben zu oft nur eine Version in den Medien repräsentiert gesehen. Ich hoffe dadurch, dass Menschen mich zum Beispiel im Fernsehen sehen und eine positive Bindung zu mir aufbauen, sie auch positiver auf Menschen reagieren, die aussehen wie ich und die sie vielleicht im Bus oder auf der Strasse treffen.

Vor allem die sozialen Medien ermöglichen es heute, aktivistische Impulse zu setzen und Sichtbarkeit zu schaffen. Gab es während Ihrer Jugend Vorbilder, die Sie für Ihren Weg ermutigt haben?

Ich war ein grosser Fan von Menschen, die mit Konventionen gebrochen haben. Lady Gaga, Elton John, Madonna … Es gibt so viele tolle Vorbilder, die mir so viel gegeben haben.

Lassen Sie uns bei den sozialen Medien bleiben: Wie begegnen Sie Hasskommentaren im Internet?

Manchmal fällt es mir sehr schwer, damit umzugehen, in anderen Momenten ist mir das sehr egal. Ich versuche auch oft, darauf aufmerksam zu machen, damit Menschen sehen, dass ich jeden Tag den Preis dafür bezahle, das Leben zu führen, das ich führen möchte. Das hört nicht einfach auf, weil man prominent wird. Im Gegenteil. Probleme bekommen nur ein neues Gesicht.

Was raten Sie Betroffenen von Hate-Speech?

Offen und ehrlich darüber sprechen, dass es einen verletzt und nicht verdrängen. Und wenn man sie braucht, dann unbedingt Hilfe suchen. Sich nicht zu schämen. Das braucht Mut, ist aber sehr wichtig.

Sie sind kürzlich 30 geworden. Haben sich die aktivistischen Kämpfe, denen Sie sich in Ihrem Alltag stellen, in den vergangenen zehn bis 15 Jahren verändert?

In bestimmten Blasen bestimmt, in anderen wiederum gar nicht, deshalb ist es, glaube ich, immer noch wichtig, solche Themen anzusprechen. Wir dürfen uns über kleine Erfolge freuen, uns aber nicht darauf ausruhen. Es ist wichtig, achtsam zu bleiben. Und das nicht nur für die Themen, die einen selbst betreffen, sondern ganz allgemein. Man muss nicht immer von einem Problem betroffen sein, um sich für die Lösung des Problems starkzumachen. Das Stichwort ist Empathie.

Vor zwei Jahren haben Sie die "Riccardo Simonetti Initiative" ins Leben gerufen – ein Verein für Aufklärung und Sichtbarkeit. Welche Rolle spielt Sichtbarkeit, wenn es um die Lebensrealitäten von queeren und trans Menschen geht?

Ich denke, Sichtbarkeit ist notwendig, um Menschen zu zeigen, wie unsere Gesellschaft wirklich aussieht – und eben nicht nur die Mehrheitsgesellschaft. Trotzdem ist Sichtbarkeit alleine nicht genug und man muss auch lernen, Geschichten mit marginalisierten Gruppen richtig zu erzählen.

Was konnte die Initiative bisher bewirken?

Wir arbeiten gerade an einer Broschüre, die LGBTQ*-Themen jugendgerecht erklärt und Schulen, Bildungseinrichten oder anderen Trägern kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Wir planen gerade unsere diesjährige Awareness-Kampagne: In den letzten beiden Jahren konnten wir in den Sommermonaten grosse Sichtbarkeitskampagnen produzieren, die unter anderem in deutschen Grossstädten auf Plakaten waren. Ausserdem konnten wir bereits diverse andere bereits bestehende Vereine finanziell unterstützen.

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