Wo fängt Gewalt an und wo hört Liebe auf? "Die Grenzen sind nicht immer leicht einzuschätzen", betont Riccardo Simonetti. Der Entertainer unterstützt aktuell das Programm "Liebe ohne Gewalt" und blickt dabei auch auf sein eigenes Liebesglück, das er vor Kurzem mit seinem Jawort besiegelt hat.
Riccardo Simonetti (31) kämpft seit vielen Jahren leidenschaftlich für Gleichberechtigung und Toleranz. Der Entertainer setzt sich regelmässig für Themen ein, die ihm am Herzen liegen. Aktuell unterstützt er das Programm "Liebe ohne Gewalt" von
Lieber
Riccardo Simonetti: Ich möchte zu Gesprächen anregen und die Aufklärung fördern. Es ist wichtig, dass wir offen über Gewalt sprechen, den Diskurs untereinander suchen und auch die Vielfalt an Gewaltformen aufzeigen, die oft im Verborgenen bleiben. Denn: Gewalt ist nicht gleich Gewalt - das habe ich auch erst vor Kurzem so verstanden - eine Sensibilisierung darüber, dass Gewalt von körperlicher, sexueller, psychischer bis zu finanzieller Gewalt reichen kann, ist ein grosser und wichtiger Schritt in Bezug auf die thematische Aufklärung.
Auch in Partnerschaften, die nicht dem heterosexuellen Beziehungsmodell entsprechen, ist Gewalt keine Seltenheit. Wie würden Sie hier den Status Quo der Aufklärung und Forschung beschreiben?
Simonetti: Gewalt kann in jeder Beziehung vorkommen, unabhängig von der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität der Partner. Meist findet sie im Verborgenen statt, Forschung und Aufklärung gibt es wenig. Insbesondere bei Gewalt ausserhalb heteronormativen Beziehungen. Die von YSL Beauty 2023 durchgeführte Studie rund um die LGBTQIA+ Community hat hier ein wichtiges Zeichen gegen diese existente Forschungslücke gesetzt. Denn: Rund 39% der Befragten der LGBTQIA+ Community in Deutschland wissen nicht, wo sie Unterstützung bei Gewalt in Partnerschaften erhalten können. Solche Erkenntnisse sind in meinen Augen unglaublich wichtig - denn nur so können Massnahmen daran anknüpfend wirkungsvoll ergriffen werden. Wir müssen in der Prävention von Gewalt breiter aufgestellt sein und alle Beziehungsformen berücksichtigen, aber auch das Netzwerk an Hilfs- und Beratungsstellen weiter ausbauen.
Wurden Sie in Ihrem privaten Umfeld selbst schon einmal Zeuge von Gewalt in Partnerschaft?
Simonetti: In meinem direkten Umfeld kam es zum Glück bislang zu keinem Vorfall. Dennoch würde ich behaupten, dass wir alle schon einmal Anzeichen von Gewalt in Partnerschaften bemerkt haben. Manchmal sind es nicht die offensichtlichen Taten, die zuerst ins Auge fallen, sondern eher ganz subtile Anzeichen. Dazu gehören Dinge wie übermässige Eifersucht, das ständige Kontrollieren des Partners oder das Isolieren von Freunden und Familie. Auch abwertende Kommentare, die das Selbstwertgefühl der anderen Person untergraben, sind alarmierend. Ich habe gelernt, dass es entscheidend ist, aufmerksam zu sein und nicht wegzuschauen. Gewalt in Partnerschaften beginnt oft schleichend, aber je eher man eingreift oder Unterstützung anbietet, desto besser kann man helfen. Genau hierfür sind die im Rahmen der Initiative formulierten 9 Warnzeichen hilfreich. Es ist eine gemeinsame Verantwortung, dass wir sie erkennen und aktiv werden - für die Menschen, die uns wichtig sind, und für eine Gesellschaft, die auf Respekt und Sicherheit basiert.
Warum ist das vielerorts immer noch ein Tabu-Thema? Was muss sich politisch und gesellschaftlich ändern?
Simonetti: Gewalt in Partnerschaften wird leider noch immer primär als persönliches, privates und stark intimes Problem gesehen, welches ungern an Aussenstehende kommuniziert wird. Betroffene haben Angst vor Stigmatisierung oder trauen sich nicht, Hilfe zu suchen. Auch sind die Grenzen nicht immer leicht einzuschätzen: Wo fängt Gewalt an und wo hört Liebe auf? Sind Kommentare und Vorschriften über die Kleidung süss oder zeugen sie von kontrollartigem Verhalten? Ist das Lesen der Nachrichten auf dem Handy des Partners wirklich schon übergriffig? Politisch und gesellschaftlich müssen wir diesen Teufelskreis durchbrechen, indem wir das Thema stärker in den öffentlichen Diskurs bringen, umfassendere Aufklärung betreiben und den Zugang zu Schutzangeboten sowie Unterstützung für alle Betroffenen erleichtern.
Welche Rollen spielen die Medien in diesem Kontext?
Simonetti: Die Medien und Darstellung dieser Themen in Filmen und Serien spielen eine ganz entscheidende Rolle. Sie beeinflussen schliesslich unsere Wahrnehmung von Gewalt, von Beziehung und auch von Geschlechterrollen - das ist nicht zu unterschätzen. Fiktion und Berichterstattung können durchaus verzerrte Bilder der Gesellschaft zeigen und Stereotype fördern. Auch können sie Gewalt verherrlichen. Dieses Potential kann sicherlich noch viel, viel weiter ausgeschöpft werden. Dennoch ist einer der aktuell erfolgreichsten Filme "Nur noch ein einziges Mal" ein Film über häusliche Gewalt und trotzdem wird immer noch zu wenig über das Thema gesprochen."
Ein zunehmend relevantes Thema ist auch die digitale Gewalt. Das Netz und soziale Medien bieten mehr Raum für verschiedene Formen der Belästigung und Gewalt. Sie selbst werden immer wieder mit Hass-Kommentaren konfrontiert. Um Ihren Mann vor solchen Anfeindungen zu beschützen, zeigten Sie sein Gesicht bis zur Hochzeit im Sommer vier Jahre lang nicht in der Öffentlichkeit. Sind Sie froh, jetzt offen Ihre Liebe zeigen zu können?
Simonetti: Ich bin derjenige, der sich ein Leben in der Öffentlichkeit ausgesucht hat, nicht er. Deshalb habe ich es als meine Pflicht empfunden, ihn so weit ich konnte zu schützen. Jetzt wo wir verheiratet sind, hat es sich einfach nicht mehr richtig angefühlt, ihn zu verstecken und es war unsere gemeinsame Entscheidung, sein Gesicht mit den Menschen zu teilen. Zumindest ab und an.
Wie waren die Reaktionen?
Simonetti: Die Reaktionen waren überwältigend. Wir konnten kaum glauben, wie viel Support es von den Menschen gab und hoffen sehr, dass andere gleichgeschlechtliche Paare dadurch ermutigt werden zu ihrer Liebe zu stehen. Dennoch gab es natürlich leider auch homophoben Mist zu lesen, der beweist, dass es für viele Menschen auch im Jahr 2024 noch nicht selbstverständlich ist, dass Liebe auch zwischen zwei Männern existieren kann.
Wie fühlt sich die Ehe bisher an?
Simonetti: Ich liebe es, verheiratet zu sein. Es gibt mir irgendwie das Gefühl, mit meinem Mann verbunden zu sein, auch wenn wir gerade nicht am selben Ort sind. Wir haben uns dazu entschlossen, diesen Weg von nun an gemeinsam zu gehen, und so fühlt es sich auch an.
Was zeichnet für Sie eine glückliche Partnerschaft aus?
Simonetti: Sich für die Freude des anderen freuen zu können, auch wenn man selbst mal nichts damit zu tun hat, halte ich für besonders wichtig. Und viel kuscheln natürlich auch! (obr/spot) © spot on news
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