"Ich kann niemandem guten Gewissens empfehlen, mit einer Behinderung in dieser Branche zu arbeiten," mahnt Samuel Koch. Der Schauspieler, der seit seinem "Wetten, dass..?"-Unfall im Rollstuhl sitzt, plädiert daher für mehr Vielfalt und Barrierefreiheit im Kulturbetrieb.
Die Schauspielerei ist seine grosse Leidenschaft, auch wenn diese Welt "für Menschen wie mich nicht gemacht ist", wie
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Welche Barrieren begegnen Ihnen bei der Arbeit und im Alltag am häufigsten?
Samuel Koch: Barrieren sind für mich nicht nur Stufen oder das Fehlen von Aufzügen, sondern vor allem die Hürden in den Köpfen. Barrierefreiheit ist somit eine Frage der Haltung. Ich begegne oft Menschen, die vorsichtig und skeptisch sind und vielleicht Angst vor dem Unbekannten haben und deswegen so eine "Hände in die Hosentaschen-Mentalität" an den Tag legen. Es ist nicht nur im öffentlichen Raum so, sondern auch in Theatern, dass Leute sagen: "Oh, das ist schwierig", "Nein, das geht nicht", "Hier haben wir jetzt ein Problem", "Das haben wir noch nie gemacht und dafür sind wir nicht versichert, "Ich darf nur Gegenstände transportieren und keine Menschen". Das ist manchmal schwierig und oft schade.
Dann erlebe ich aber auch das genaue Gegenteil, Menschen, die nicht die Arme vor der Brust verschränken, sondern in die Hände spucken und zupacken. Das sind die Aktiven, die Schwierigkeiten und Probleme als Herausforderung sehen und sich freuen, etwas Neues zu schaffen und Pionierarbeit zu leisten. So ist das Spannungsfeld, in dem ich mich heute in verschiedenen Produktionen bewege. Man kann relativ schnell ausmachen, wer zu welcher Fraktion gehört.
Wie steht es aus Ihrer Sicht um Inklusion und Selbstbestimmung im Kulturbetrieb, speziell in der Schauspielbranche?
Selbstbestimmung ist natürlich erstrebenswert, bleibt aber doch eine gewisse Illusion. Am Ende kann man auch mit noch so viel Talent und noch so viel Hingabe die Dinge nicht selbst bestimmen. Man ist in dieser Branche abhängig vom Markt und davon, was Redaktionen und Produzenten entscheiden. Und danach wird besetzt.
Sehen Sie auch positive Aspekte?
In den vergangenen zehn Jahren ist ein grosser Wandel zu beobachten von den Darstellern, die makellos und extrem schön sind und perfekt Hochdeutsch sprechen, hin zu mehr Diversität, also zu einem Spiegel der Gesellschaft. Das ist eine erfreuliche Entwicklung.
Dennoch ist die Schauspielerei eine Welt, die nicht für Menschen wie mich gemacht ist, die sehr auf Hilfe angewiesen sind. Ich kann niemandem guten Gewissens empfehlen, mit einer Behinderung in dieser Branche zu arbeiten, weil man dort allein nicht überleben kann. Obwohl ich Schauspiel vier Jahre lang studiert und mein Diplom gemacht habe, und obwohl wir in Deutschland in den Theatern stark subventioniert sind, ist es doch eine eher brotlose Kunst. Wenn ich nicht die Möglichkeit hätte, anderweitig - beispielsweise mit Vorträgen und Büchern - mein Geld zu verdienen, wäre ich schlecht dran. Und so bleibt die Arbeit am Theater doch eher ein sehr schönes Hobby.
Zuletzt wirkten Sie bei dem neuen Stück "Läuft" am berühmten Berliner Inklusionstheater RambaZamba mit. Was unterscheidet die Arbeit in einem inklusiven Theater von anderen Schauspielstätten?
Es ist - das will ich nicht verhehlen - durchaus herausfordernd. Ich bin nie zuvor mit so viel Improvisationsflächen in eine Premiere gegangen wie hier. Es schwingt immer eine gewisse Unsicherheit mit, weil man nie genau weiss, was passiert. Dass jede Vorstellung anders ist als die vorhergegangene, hat aber auch eine besondere Qualität, nämlich eine grosse Wahrhaftigkeit.
Was nehmen Sie persönlich mit?
Für mich war das Ganze ein Lehrstück in Sachen Empathie. Die Spielenden sind so einfühlsam aufeinander eingegangen, wenn es an biografische Grenzen ging oder wenn emotionale Wunden aufgerissen wurden, dass ich oft dachte: Oh Mann, hier kann man sich noch einiges davon abschauen, wie man emphatisch aufeinander zugeht und miteinander arbeiten kann. Ich bin davon überzeugt, dass das auch auf die Zuschauer überschwappt.
Die Aktion Mensch hat Samuel Koch anlässlich ihrer aktuellen Kampagne #VielVor bei den Proben zum Stück begleitet. © 1&1 Mail & Media/spot on news
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