In der Serie "Die StiNos" spielen Sebastian Bezzel und seine Ehefrau Johanna Christine Gehlen ein Ehepaar, das ein stinknormales Leben führt.
Im Interview mit unserer Redaktion sprechen die beiden, die seit 15 Jahren verheiratet sind, über den Wunsch nach einem "StiNo"-Leben, das Verlassen der eigenen Komfortzone und gemeinsame Projekte vor der Kamera.
Frau Gehlen, Herr
Johanna Christine Gehlen: Beate und Robert sind Menschen, die eher reagieren und weniger agieren und sich entsprechend von ihrer Aussenwelt lenken lassen. Bis Beate realisiert, dass ihr all das zu wenig und sie unglücklich ist. Um sowohl sich selbst als auch ihre Beziehung aus diesem Trott herauszubringen, gehen sie und Robert gewissermassen auf eine Reise. Die Frage bleibt aber, ob sie den Weg dieser Reise gleichsam mitgehen oder sich währenddessen verlieren.
Sebastian Bezzel: Neben dieser Challenge, die vor allem die Figur der Beate durchlebt, kommen dann noch jene Herausforderungen, die wir alle aus unserem Leben kennen: Beruf, Familie, Freunde, das Stadtleben und der alltägliche Wahnsinn, der um einen herumtobt.
Mögen Sie Robert und Beate und ihre Sehnsucht nach einem unaufgeregten Leben?
Sebastian Bezzel: Grundsätzlich gilt in der Schauspielerei die Regel "Du musst deine Rolle lieben, um sie spielen zu können". Insofern gilt es immer, Aspekte an der Rolle zu finden, mit denen man d‘accord ist. Robert ist eine Figur, die ich sehr gerne mag. Manchmal erinnert er mich mit seiner simplen Art an Homer Simpson, dabei ist er durchaus ein sensibler Mensch, der sich Gedanken macht. An anderen Stellen ist Robert aber auch sehr naiv und tappt hier und da in entsprechende Fallen und Fettnäpfchen. All das mochte ich von Anfang an sehr gern und hatte auch von Beginn an eine konkrete Fantasie, wie ich in diese Rolle schlüpfen könnte.
Johanna Christine Gehlen: Ich habe Beate sehr liebgewonnen. Aus schauspielerischer Sicht habe ich mich sehr darauf gefreut, einen Menschen spielen zu dürfen, dem man beim Durchleben eines inneren Prozesses zusehen darf. Denn Beate reagiert zunächst gar nicht auf das Chaos um sich herum, sondern fühlt sich sehr klein und verwundbar. Insofern war es für mich spannend, eine Rolle zu spielen, die vermeintlich schwach ist. Ihre Grösse zeigt sich also eher durch Stille als durch Stärke, was mir in der Umsetzung riesigen Spass bereitet hat.
Glauben Sie, dass in vielen Paaren mittleren Alters der Wunsch nach einem StiNo-Leben schlummert?
Sebastian Bezzel: Grundsätzlich schlummert auch in uns dieser Wunsch, und obwohl meine Frau und ich in der Schauspielerei zu Hause sind, leben wir normaler, als viele Menschen vermutlich denken mögen. Ich glaube, hier ist es wichtig, den Wunsch nach Ruhe und den Wunsch nach Langeweile voneinander zu trennen. Insofern denke ich, dass das StiNo-Leben, das wir in der Serie beschreiben, ein Zustand ist, der sich häufig in das Leben einschleicht. Irgendwann beginnt man dann, sich diesen Zustand schönzureden und langweilige Routinen als witzige Traditionen zu feiern. Auch bei Robert und Beate in "Die StiNos" war dieses stinknormale Leben nicht geplant. Es war ein ruhiges und sicherlich auch bescheidenes Leben geplant, aber dass plötzlich gar nichts mehr passiert in Sachen Aktivitäten, Ehrgeiz oder Reisen, haben die beiden sicher nicht kommen sehen. Ich glaube, es kann uns allen passieren, in ein StiNo-Leben zu rutschen. Dafür muss man nicht zwingend ein solides Vorstadtleben in einem Mietblock führen. Im Gegenteil: Meiner Meinung nach kann das in allen gesellschaftlichen Ebenen geschehen. Umso wichtiger ist es, sich diesbezüglich wachzurütteln und seine Ziele und Wünsche an das Leben neu zu überdenken.
Johanna Christine Gehlen: Ich kann mir vorstellen, dass auch die Pandemie etwas in uns Menschen verändert hat. Wir mussten uns einen eigenen Kosmos schaffen, konnten nicht mehr spontan ins Kino gehen und haben zwangsläufig viel Zeit zu Hause auf dem Sofa verbracht. Dieser Umbruch hat sicherlich vieles verändert. Bei unseren Figuren Robert und Beate steht dennoch weniger die Frage im Raum, wann die beiden so geworden sind, sondern vielmehr die Tatsache, dass sie eigentlich schon immer ein StiNo-Leben geführt haben. Umso spannender ist der Aspekt, wie die Aussenwelt auf solche Menschen reagiert. Letztlich geht es doch um die Frage: Was macht einen Menschen eigentlich zum StiNo?
Schauspiel-Paar stand schon häufiger gemeinsam vor der Kamera
Glauben Sie, dass man das Glück im Leben finden kann, ohne dabei auch mal die eigene Komfortzone zu verlassen?
Johanna Christine Gehlen: Genau dieser Herausforderung stellt sich Beate in der Serie, indem sie beginnt, Fragen an sich und das Leben, das sie führt, zu stellen.
Sebastian Bezzel: Hinzu kommt, dass die Figuren im mittleren Alter sind und demnach schon auf einen gewissen Lebensweg blicken. Sie haben keine Kinder, sind um die 50, verhalten sich aber selbst wie Kinder. In diesem Moment stellt sich die Frage, ob dieser Weg tatsächlich schon die Zielgerade ist, auf die man einbiegt. Denn jetzt mal ehrlich, das kann es mit 50 eigentlich nicht sein. Meiner Meinung nach ist das ein Grund, warum viele Menschen in diesem Alter in eine Midlife-Crisis stürzen.
Sie sind seit 15 Jahren verheiratet und haben in der Vergangenheit schon häufiger gemeinsam vor der Kamera gestanden. Ich nehme also an, dass Sie gerne miteinander arbeiten – sind Sie denn auch gut darin, miteinander zu arbeiten?
Sebastian Bezzel: Streng genommen müssten unsere Teams diese Frage beantworten (lacht). Unser Beruf ist unsere Leidenschaft. Insofern fällt es uns als Paar leichter, miteinander zu drehen, als etwa den typischen Alltag mit all den Terminen oder Absprachen zu führen. Zusammen zu drehen, ist toll, dennoch ist es natürlich Arbeit. Aber eben Arbeit, die wir sehr gerne machen.
Johanna Christine Gehlen: Ich empfinde die Zusammenarbeit mit Sebastian als sehr heilsam. Man tut etwas, was man gerne tut, und man tut es zusammen. Dabei ist es spannend, den Partner bei etwas zu beobachten, was er total gerne tut, und umgekehrt. All das findet in einem sehr konzentrierten Raum statt, und ich finde es wunderbar, meinen Partner in solchen Momenten begleiten zu dürfen. Das sehe ich als Geschenk und fast schon als eine Art therapeutische Massnahme, weil durch die Arbeit ein Raum geschaffen wird, in dem wir uns beide voller Respekt füreinander beim Arbeiten zusehen und erleben dürfen.
Sebastian Bezzel: Wichtig ist uns bei den gemeinsamen Projekten der Spassfaktor. Wir haben in der Vergangenheit beispielsweise ein Theaterstück zusammen gemacht, in dem wir kein Paar gespielt haben. Das war spannend und wirklich toll. Es werden aber auch Angebote abgelehnt. In den Rollen eines gut situierten Paares, das auf einem historischen Bauernhof vor einer Alpenkulisse lebt, sehen wir uns eher nicht (lacht).
Was, wenn Sie unterschiedlicher Meinung bezüglich eines Drehbuchs im Rahmen einer gemeinsamen Anfrage sind?
Sebastian Bezzel: Entweder lehnen wir das Projekt ab oder ich beziehungsweise Johanna steigen alleine in das Projekt ein, sofern jemand von uns von dem Drehbuch begeistert ist. Es gab aber schon mehrere Situationen, in denen wir für ein gemeinsames Projekt angefragt wurden, aber zusammen abgelehnt haben.
Johanna Christine Gehlen: In der Regel haben Sebastian und ich einen sehr ähnlichen Instinkt bezüglich unserer Projekte. Meiner Meinung nach hat das immer mit einem humorvollen und lockeren Abstand auf ein Projekt zu tun, und ich finde, diesen Abstand haben wir beide.
Herr Bezzel, von 2004 bis 2016 waren Sie im Konstanzer "Tatort" als Kommissar Kai Perlmann zu sehen; seit 2013 ermitteln Sie im Eberhoferkrimi als Provinzpolizist Franz Eberhofer. Die Rollen sind – bis auf das Polizistenamt – sehr unterschiedlich. Welchem Charakter fühlen Sie sich persönlich näher?
Sebastian Bezzel: Es mag nach einer abgedroschenen Schauspielerantwort klingen, aber ich fühle mich immer der Rolle am nächsten, die ich gerade spiele. Ich mag sowohl Kai Perlmann als auch Franz Eberhofer total gerne. Ich drehe aber lieber die "Eberhofer"-Krimis als damals den "Tatort".
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Inwiefern?
Sebastian Bezzel: Das hat nichts mit der Figur zu tun, sondern damit, dass die "Eberhofer"-Drehbücher schlichtweg skurriler sind. Dennoch habe ich es geliebt, gemeinsam mit Eva Mattes zu spielen und die Figur des Kai Perlmann mit Evas Figur der Klara Blum darzustellen.
Frau Gehlen, steckt in Ihnen auch eine gute Ermittlerin?
Johanna Christine Gehlen: Die Rolle einer "Tatort"-Kommissarin würde ich sofort übernehmen. Der "Tatort" hat bis heute eine unglaubliche Stellung im deutschsprachigen Fernsehen. Er war immer da und bietet eine gewisse Verlässlichkeit – nur eben immer mit neuen Plots und Besetzungen. Insofern könnte ich mir eine solche Herausforderung sehr gut vorstellen.
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