Talkrunde, Late Night Show, "Wetten, dass ..?" – wieso orientiert sich gerade der innovative Jan Böhmermann so sehr an angestaubten Fernsehformaten?

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Gerade Jan Böhmermann sollte es doch wissen: Der Fernseher läuft hauptsächlich bei Menschen heiss, die entweder etwas älter sind, einen merkwürdigen Sadismus in Bezug auf besonders seichte Unterhaltung haben oder die zu bequem sind, um sich im Internet ihr eigenes Programm zusammenzustellen. Seine Zielgruppe jedenfalls kann mit den Staubfängern im XXL-Plastikrahmen nicht mehr viel anfangen.

Aber Jan Böhmermann liebt sie eben, die alte Fernseh-Schule. Mit vollem Körper- und Stimmeinsatz und innovativen Inhalten tut er alles dafür, den alten Kasten nicht erkalten zu lassen und den Jungen die alten Formate wieder schmackhaft zu machen.

Aus alt mach neu?

Erst mit Charlotte Roche und jetzt Olli Schulz belebte er die Talkrunde am runden Tisch wieder – inklusive Zigarettenrauch und Whiskeybesäufnis. "Schulz & Böhmermann" war (und ist bald wieder!) allerdings so retro und Punk, dass es schon wieder cool war. In der Radio-Sendung "Fest und Flauschig" (früher "Sanft und Sorgfältig") haben er und Schulz ein paar Jahre und Hassreden gebraucht, bis sie das Radio-Medium hinter sich lassen konnten und sich an den modernen Podcast gewagt haben. Und im "Neo Magazine Royale" hangelt Böhmermann seinen grandiosen Satire-Content, der wunderbar auch nur im Internet stattfinden könnte, am starren Konzept der Late Night Show entlang.

Das komplette Gegenteil von Böhmermann

Und jetzt auch noch "Wetten, dass ..?". Erst mal spielt er die Sendung im "Neo Magazin Royale"-Sendeplatz nur nach. Das könnte so zur Abwechslung ganz unterhaltsam werden. Aber wer Böhmermanns Karriere verfolgt hat, weiss: Die Wiederbelebung der laut Wikipedia "grössten Unterhaltungsshow Europas" ist ein vollkommen unironisch gemeinter Herzenswunsch von ihm. Darüber dürfte sich nicht nur Tom Hanks verwundert die Augen reiben. Denn mit den Merkmalen peinlich, verstaubt, altbacken und absolut irrelevant versammelt "Wetten, dass ..?" eigentlich alle Probleme des Fernsehens in einer Sendung. Und ist damit das komplette Gegenteil von Böhmermann. Falls er nicht eine vollkommen neue Sendung daraus macht, wird es problematisch: Die Jungen, die das Ganze wegen Böhmermann gucken würden, wären vom Format genervt und die Alten, die es wegen "Wetten, dass ..?" sehen würden, wären von Böhmermann genervt.

Überflüssige Nostalgie

Kurz: Es passt einfach nicht. Die Show als Event, für das man sich sogar Karten kauft – das funktioniert höchstens, wenn man Helene Fischer eine Bühne bietet oder das Publikum, wie beim "Neo Magazin Royale", die Chance wittert, einem historischen Moment (Verafake, Polizistensohn, Schmähgedicht ...) beizuwohnen.

Man sollte grundsätzlich immer alles in Frage stellen, auch Böhmermann selbst – diesen Grundsatz hat der Satiriker selbst in der vorbildlich vorwärtsgewandten Kommentare-Kommentier-Show gebracht. Vielleicht wird es Zeit, dass er seine eigene Nostalgie in Frage stellt.  © top.de

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