- Wigald Boning ist vor allem als Komiker und Musiker bekannt, der 55-Jährige ist aber auch sein sehr ambitionierter Ausdauersportler.
- Im Jahr 2021 lief Boning jede Woche einen Marathon und schrieb darüber das Buch "Lauf, Wigald, Lauf!", das am 2. April erscheint.
- Im Interview mit unserer Redaktion spricht Boning über die sportliche Belastung, Sportlerausrüstung und sportgerechte Ernährung, aber auch über Shitstorms in den sozialen Medien und den Tod seines Kollegen Mirco Nontschew.
Wigald Boning, würden Sie sich als Extremsportler bezeichnen?
Extremsportler ist so ein Etikett…(überlegt). Aber das letzte Jahr war tatsächlich extrem. Normalerweise treibe ich so zehn bis 20 Stunden Sport die Woche, bewege mich an der frischen Luft. Das kommt mir eher normal als extrem vor. Aber ich gebe zu, die 52 Marathons hintereinander entpuppten sich tatsächlich als das erwartet anspruchsvolle Unterfangen. Für meine Verhältnisse fühlte sich das durchaus extrem an.
Wie viele Laufkilometer haben Sie im Jahr 2021 gesammelt?
Das kann ich so direkt gar nicht sagen. In der ersten Hälfte des Jahres waren es etwa 80 Kilometer die Woche, in der zweiten Hälfte etwa 60 Kilometer im Schnitt. Sie wissen schon, wie man das nun zu Ende rechnet (lacht).
Wigald Boning: "Meine Marathon-Bestzeit ist 3:20 Stunden"
Sie haben in den letzten knapp zwanzig Jahren immer wieder an Marathons, Ultramarathons oder ähnlichen Sportveranstaltungen teilgenommen. Wann haben Sie gemerkt, dass Sie ein talentierter Ausdauersportler sind?
Ich bin gar nicht begabt. Mir macht das Spass, aber mein Tempo ist äussert moderat. Meine Marathon-Bestzeit ist 3:20 Stunden, die bin ich vor 20 Jahren gelaufen. Mit den höheren Weihen habe ich nichts zu tun. Das ist alles relativ. Es gibt Leute, die laufen einen Marathon in knapp über zwei Stunden. Ich kenne auch Leute, die viel langsamer sind. Aber ich bin begeistert bei der Sache. Und dass mir das Spass macht, wusste ich schon als Kind. Da habe ich mit meinem Papa lange Wanderungen unternommen. Und wenn er gesagt hat, dass wir heute 20 Kilometer gehen, habe ich innerlich frohlockt. So richtig planmässig habe ich mich der Sache wieder gewidmet, als ich 33 Jahre alt war. Und seitdem laufe ich ja praktisch jeden Tag durch. Oder ich fahre Fahrrad. Oder Tretroller. Oder ich mache Skilanglauf. Irgendetwas in dieser Art muss es schon sein.
In 2021 sind Sie ein Jahr lang jede Woche einen Marathon gelaufen. Ist das etwas, das sie zum Nachmachen empfehlen können?
Es war ein wirklich spannendes Abenteuer. Aber ich würde es nicht jedem empfehlen. Das bringt gesundheitlich nichts, glaube ich. Es ist mental wirklich sehr herausfordernd gewesen. Es gab zehn Wochen im Herbst, da habe ich mich verflucht für die Idee. Aber in der Rückschau ist es dann natürlich befriedigend, wenn man so etwas hinter sich gebracht hat. Das ist sehr beglückend, wenn man sieht, dass man so etwas kann. Aber es muss ja nicht ein Marathon die Woche sein. Manchen reicht auch ein Halbmarathon oder 10 Kilometer. Das kann man nicht verallgemeinern.
Ihr Buch dreht sich auch um die Suche nach dem Runners High. Ist Laufen für Sie eher Pflichterfüllung oder auch eine meditative Erfahrung?
An guten Tagen ist Laufen auf jeden Fall eine meditative Erfahrung. Da schalte ich ab und denke nicht viel nach. Ich summe meine musikalischen Mantras vor mich hin, schaue irgendwann auf die Uhr und denke: Huch, schon wieder eine Stunde rum!
"Ein festes Tageskorsett liegt mir, das gebe ich zu"
Sie berichten von immer gleichen Abläufen, nicht nur beim Joggen, sondern auch beispielsweise bei Ihrer Morgenroutine oder bei Saunagängen am Abend. Welche Bedeutung hat Ordnung und Disziplin für Ihr Leben?
Ich bin tatsächlich jemand, der sich freut, wenn ein Tag wie der andere verläuft (lacht). Ich bin aber auch froh, wenn im Alltag Inseln sind, in denen ich beispielsweise ein Buch lesen kann. Und das muss dann nicht immer dasselbe sein (lacht). Aber so ein festes Tageskorsett liegt mir, das gebe ich zu.
Wie passt das zu der Anarchie, die ein Komiker braucht?
Vielleicht ergänzt sich das gerade, das ist gut möglich. Ich freue mich immer, wenn ich pünktlich essen kann. Damit dann der Mittagsschlaf spätestens um 14:00 Uhr beginnt. Das klingt jetzt sehr spiessig und zwanghaft (lacht). Aber vielleicht erlaubt mir das, umso freiere Gedanken in den Minuten zu haben, die zwischen diesen festen Tagesordnungspunkten stecken.
Sie äussern sie gerade auf Ihrem Twitter-Account sehr aktiv zum Krieg in der Ukraine. Sind Sie ein sehr politischer Mensch?
Ich bin schon immer politisch und von den sozialen Netzwerken bietet sich Twitter an, um verschiedene Sichtweisen kennenzulernen.
Trotzdem hat man den Eindruck, dass sie kein grosser Fan von sozialen Netzwerken sind?
Ich habe MySpace verwendet. Der eine oder andere mag sich an dieses sehr frühe Netzwerk erinnern. Dort habe ich viele tolle und interessante Leute kennengelernt. Dort konnte ich mir einen Freundeskreis mit Leuten in Paris aufbauen, mit denen ich viel Zeit verbracht habe. Die wussten nur so am Rande, dass ich in Deutschland im Fernsehen agiere. Das war toll. Dann kam Facebook, zunächst inspirierte mich auch dies. Ich postete die von mir gesammelten Einkaufszettel und diskutierte sie mit meinen Facebook-Freunden. In letzter Zeit gerieten jedoch viele Diskussionen schnell heftig, aggressiv, beleidigend. Instagram gefällt mir momentan besser. Ich poste ulkige Bilder und zaubere meinen Followern ein Lächeln ins Gesicht.
"Es gab auch jene, die die unsinnigste Massnahme mit grösster Vehemenz verteidigten"
In Ihrem Buch berichten Sie von dem einen oder anderen Shitstorm, gerade in der Corona-Pandemie. Dabei verwenden Sie den Begriff "Hygiene-Jakobiner". Wer ist damit gemeint?
Während der Pandemie gab es auf der einen Seite die Querdenker. Wenn Leute behaupten, es gäbe das Virus überhaupt nicht, oder irgendwelchen anderen Verschwörungsmythen anhängen, kann man nicht mehr viel machen - wo soll man da anfangen? Auf der anderen Seite gab es aber auch die Hundertfünfzigprozentigen. Jene, die auch die unsinnigste, entglittene Massnahme mit grösster Vehemenz verteidigten. Die einen persönlich schurigelten (jemandem durch dauerhaftes Schikanieren das Leben schwer machen, Anm. d. Red.), wenn man sie nur anzweifelte. Die wahrscheinlich auch noch eine Maske trugen, wenn sie alleine zwei Wochen zu Hause sassen. Einen ähnlichen Fall kenne ich aus dem Bekanntenkreis. Dafür habe ich dann irgendwann diesen Begriff verwendet, mit Rückgriff auf die Jakobiner-Partei in der französischen Nationalversammlung.
Zurück zum Laufsport: Sie berichten in Ihrem Buch auch von Ihrer Ernährung, von Schweinshaxen, Dampfnudeln, oder Ihrer Trinkblase, die Sie während eines Marathons mit Milch auffüllen. Wie kann das funktionieren?
Ich habe Anfang der 2000er Jahre mit dieser Marathon- und Ultra-Marathon-Geschichte angefangen. Da gab es Jahre, in denen ich sehr auf meine Ernährung geachtet habe. Im Zuge dieser langen Läufe habe ich unzählige Riegel gegessen. Irgendwann hing mir dieser Geschmack so zu zum Halse raus, dass ich gesagt habe, jetzt esse ich etwas Deftiges und Salziges. Ich achte vor allem darauf, dass es mir schmeckt. Da bin ich nicht besonders streng. Gleichwohl weiss ich, dass das keine sportgerechte Ernährung ist. Ich hatte in dem Jahr bisweilen den Eindruck, dass die wöchentlichen Marathons selbstauferlegte Pflichtaufgaben sind. Die Disziplin verlangen. Und wenn ich mir jetzt bei der Ernährung auch noch Disziplin auferlege, überfordere ich mich selbst. Deshalb habe ich mir da ganz ausdrücklich Freiheiten gestattet. Allerdings auch mit der Folge, dass ich am Ende des Jahres einige Kilo zugelegt hatte.
Sie berichten vom Kampf mit der Waage. Kann es Freizeitsportlern Mut machen, dass man ein solches Programm auch mit ein paar Kilos zu viel absolvieren kann?
Als jemand, der sonst fast täglich läuft, kann ich sagen, dass mir das deutlich besser bekommt, als wenn ich einmal in der Woche so einen grossen Lauf mache und mich ansonsten davon erhole. Hinten raus ging es ja gar nicht mehr anders, weil ich unter anderem Probleme mit Fersensporn hatte. Aber das Konzept, einmal in der Woche einen langen Lauf zu machen und ansonsten nichts, das ist sicher nicht empfehlenswert.
"Auch Lauf-Sandalen funktionieren für einen Marathon"
Sie sind Marathons in einer Cordhose gelaufen, oder mit Crocs. Wird Hightech-Ausrüstung überschätzt?
Das glaube ich schon. Ich bin in Crocs wunderbar unterwegs gewesen. Gewiss ist ein moderner Laufschuh mit besonderem Mesh-Gewebe oder Pronationsstützen ein Vorteil. Ich für meinen Teil komme mit Crocs gut zurecht. Die Zehen haben Platz und die Dämpfung ist mehr als ausreichend. Zeitweilig bin ich auch auf Lauf-Sandalen unterwegs gewesen. Auch das funktioniert ausgezeichnet.
Ihre Karriere im Showgeschäft nahm Anfang der 90er bei "RTL Samstag Nacht" Fahrt auf. Wie präsent ist die Zeit noch?
Details verblassen, aber im Grossen und Ganzen ist das sehr präsent. Das war für alle Beteiligten eine so prägende Zeit, in der man so viele verrückte und schöne Erlebnisse gesammelt hat. Und nicht zuletzt das Privileg hatte, jemanden wie
Anfang Dezember ist Mirco Nontschew verstorben. Wie sehr beschäftigt Sie sein Tod noch?
Ich kann es mir immer noch gar nicht richtig vorstellen, dass er tot ist. Ich ertappe mich häufig dabei, dass ich denke, er hört irgendwie zu und nimmt wahr, was hier passiert. Und dann springt er hinter dem Bühnenvorhang hervor und sagt: Da bin ich wieder! Ich bin gerade dabei, alte Fotos zu sortieren und stosse dabei immer wieder auf Bilder von Mirco. Das wird mich noch längere Zeit beschäftigen.
Boning: "LOL sollte auf jeden Fall ausgetrahlt werden"
Im April wird die dritte Staffel von "LOL: Last One Laughing" mit Mirco Nontschew bei Prime Video zu sehen sein. Finden Sie es richtig, dass die Show nach seinem Tod ausgestrahlt wird?
Ja. Man täte ihm keinen Gefallen damit, das jetzt verschwinden zu lassen. Ich nehme mal an, dass alles, was er da gemacht hat, fantastisch und irre lustig ist. Ich war ja nicht dabei, bin mir aber zu 100 Prozent sicher, dass es so ist. Selbst an einem schlechten Tag hatte Mirco so viele fantastische, geniale Ideen, dass er andere überragt hat. Er war eines der wenigen, echten Genies, die kennengelernt habe. Seinen Beitrag zu "LOL: Last One Laughing" jetzt in einem Keller zu verstecken, das wäre falsch.
Letzte Frage: Wie gross ist der Unterschied zwischen der TV-Person
Klein. Aus Faulheit. Ich bin zu faul, um mich zu verstellen. Manchmal nehme ich mir vor, nicht so zu mäandern, sondern konzentrierter zu sprechen. Kürzere Sätze zu machen, oder nicht so oft "äh" zu sagen. Das sind Gedanken, die vielleicht jeder von uns hat, wenn er zu Menschen spricht. Die Ähnlichkeit, desjenigen, der da auf dem Bildschirm zu sehen ist, zu mir selbst, wird immer grösser. Die nähert sich 100 Prozent an. Aktuell sind es 99 Prozent. In den nächsten Jahren werden es aber 100 Prozent werden. Es ist mir einfach zu anstrengend, mich zu verstellen (lacht).
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