Helene Fischers aktuelle Tournee ist spektakulär und aufwendig. Das kann sicher jeder bestätigen, der eine der Shows live oder am Samstagabend im ZDF gesehen hat. Die Dokumentation "Helene Fischer – Immer weiter" hat die Entwicklung der Arena-Tour begleitet. Die wichtigste Frage beantwortet der Film von Sven Haeusler aber nicht.

Christian Vock
Eine Kritik

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"Bring mich auf die nächste Stufe!" Es ist dieser Satz von Helene Fischer, der vielleicht am besten zeigt, was die Schlagersängerin antreibt. Es ist vielleicht auch nur deshalb der beste Satz, weil er einer der wenigen ist, der in der Dokumentation "Helene Fischer – Immer weiter", überhaupt über die Motivation von Helene Fischer fällt.

Gesagt hat ihn Fischer beim ersten Treffen mit Mukhtar Omar Sharif. "Ich habe sie gefragt: "Was soll ich für dich tun? Was möchtest du? Wenn ich dir nur diese eine Frage stellen würde, was wäre deine Antwort", erzählt Sharif, der die Regie ihrer neuen Show übernehmen soll. Und Fischers Antwort war eben: "Bring mich auf die nächste Stufe!"

"Denkt euch etwas Einzigartiges aus!"

Und das macht Sharif dann auch. Drei Monate bevor die Tournee am 12. September 2017 startet, beginnen im kanadischen Montreal die Vorbereitungen. Filmemacher Sven Haeusler begleitet Fischer und ihr Team dabei für seine Dokumentation, die das ZDF am Samstagabend im Anschluss an Fischers Konzert in Oberhausen gezeigt hat.

Haeusler ist dabei, wenn Fischer für die Akrobatik-Einlagen trainiert, er spricht mit Trainern, Designern und natürlich auch mit Fischer selbst oder interviewt Fans vor dem Tour-Auftakt. Das Ergebnis: höher, schneller, weiter. Für Fischer war es, wie sie erzählt, schwer nach ihrer letzten "Farbenspiel"-Tour, nach "diesen grossen Sachen, die wir gemacht haben", wieder auf Tournee zu gehen und etwas Neues zu machen.

"Auf der anderen Seite könnte ich auch einfach sagen 'ich bleib beim Alten'. Aber da ist ein Teufelchen in meinem Hirn, das mich vorantreibt, das mir sagt, probier was Neues!", erzählt Fischer über ihren Antrieb. Fischers Konkurrenz ist sie selbst, der Massstab die Erfolge der Vergangenheit.

Also, so sieht man es in der Doku, gibt sie für ihre neuen Shows alles, sucht die Herausforderung, das Neue, das Einzigartige. Wie zum Beispiel das Brunnen-Kleid: "Ich will etwas mit Wasser machen, aber nicht das, was alle machen! Denkt euch etwas Einzigartiges aus", zitiert Show-Regisseur Sharif beispielsweise Fischers Wunsch nach neuen Superlativen. Also werden Wasser-Experten und Designer in Bewegung gesetzt, um die Vorgänger-Show zu toppen.

Und so erzählt "Helene Fischer – Immer weiter" von genau diesem "Immer weiter". Von Fischers Training, vom Designen der Kostüme, die "die Theaterwelt verlassen und mehr in den Fashion-Bereich" gehen sollen oder vom Bühnenaufbau der ersten Show.

Wie viele Helfer braucht Helene Fischer?

Es ist vor allem das Technische, von dem Filmemacher Haeusler da berichtet. Das ist völlig legitim, nichts anderes hatte er versprochen. In seiner 30-minütigen Dokumentation, die er im Auftrag des ZDF gedreht hat, wollte er die Entstehung der aktuellen Fischer-Tournee begleiten und genau das hat er gemacht. Aber ist das wirklich spannend?

Die Vorbereitungen der Tour hätten bei jedem anderen Sänger dieser Grössenordnung so oder so ähnlich aussehen können. Man erfährt so gut wie nichts, was man nicht irgendwann in einem Wikipedia-Eintrag nachlesen kann: 100 Mitarbeiter in der Stammcrew, dazu 120 Helfer, soundso viele Catwalks, soundso viele Stunden Aufbau, soundso viele Tonnen Traglast bei den Bühnen-Aufzügen, und so weiter.

Alles, was an einem Künstler am allerwenigsten interessiert. Nonsens-Antworten auf Nonsens-Fragen für Nonsens-Wissen. Helene Fischer hat 120 Helfer gebraucht? Nicht 121? Nein, 120! Wahnsinn!

Was wirklich interessiert, sind doch die Emotionen hinter den Zahlen. Warum macht sie das, was sie tut und wie sie es tut? Ist es wirklich nur "die nächste Stufe", die sie antreibt? Wie soll das weitergehen? Wirklich "immer weiter", wie es im Titel der Doku heisst?

Bei Helene Fischer, das legt ihr "Nächste Stufe"-Satz zumindest nahe, ist die Show das, was im Mittelpunkt steht, nicht die Musik, nicht die Texte. Wie auch? An ihrem aktuellen Album haben insgesamt 46 Komponisten und Texter mitgearbeitet. Fischer selbst hat nur bei einem einzigen der insgesamt 18 Songs mitgeschrieben. Helene Fischer ist eine Marke, eine Gemeinschaftsproduktion.

Wer ist Helene Fischer?

Umso spannender wäre es gewesen, wenn die Dokumentation zumindest gezeigt hätte, wie viel Einfluss Helene Fischer selbst auf das Produkt Helene Fischer hat. Offenbar nicht gar keinen. So sieht man in einer Szene, wie Fischer an einer Farbauswahl für ein Kostüm beteiligt ist. "Wir versuchen einfach, noch mehr Raffinesse reinzukriegen", erklärt Fischer zur Designsuche. Wer dieses "Wir" ist, bleibt im Ungefähren.

Genauso wie das, was sich hinter der Marke Helene Fischer verbirgt. "Ich brauche immer jemanden, der genau weiss, okay das ist der Weg. Wir pushen dich so, dass es bei dir genauso aussieht. So liebe ich das eigentlich", erzählt Fischer über ihr Training.

Heraus kommt dabei eine zweifellos ebenso perfekte wie beeindruckende Show. Fischer ist wahrscheinlich die einzige Schlagersängerin, bei der die Show einen derartigen Stellenwert erfährt. Zumindest kann man sich nur schwer vorstellen, wie Roland Kaiser in Hochgeschwindigkeit an einem Seil über der Bühne kreiselt – selbst in jungen Jahren.

Warum Helene Fischer das alles macht, wer sie ist und warum sie sich so auf den Effekt, den Bombast, die Show fixiert, das erklärt die Auftragsdokumentation nicht. Den Fans scheint das auch egal zu sein, wie eine Besucherin erklärt: "Die Show wird eh gigantisch, einfach, weil's Helene ist."

Die Dokumentation "Helene Fischer- Immer weiter" ist noch bis zum 27. Mai 2018 in der ZDF-Mediathek zu sehen.

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