Nach der Show "Zahltag" setzt RTL weiter auf Sozialexperimente: In "2 Familien 2 Welten" treffen eine arme Familie und eine wohlhabende aufeinander. Der Lerneffekt ist dabei eher gering, aber dafür dürfen die Erfolgreichen am Leben der Kleinen herumkritteln – sie wollen ja nur helfen.
Ein "Experiment" nennt der Sender es, wie zuvor bei "Zahltag", wo den Hartz-IV-Familien ein Geldkoffer für die Selbständigkeit vor die Tür gestellt wurde – aber ihnen dann mehr oder weniger selber überlassen wurde, wie sie es ausgeben wollen.
In "2 Familien 2 Welten" treffen nun also eine wohlhabende und eine arme Familie aufeinander. Die tauschen nicht etwa die Rollen, wie bei "Plötzlich arm, plötzlich reich" oder manchen deutschen Lustspielklassikern – nein, sie freunden sich unter Kameraüberwachung an, legen gemeinsam Fleisch auf den Grill oder gehen einkaufen.
Alleine das als "Experiment" zu verkaufen hat schon etwas dezent Zynisches. Sicher, die Familien wären sich ohne Fernsehen wohl nicht begegnet – aber dass sich Leute mit unterschiedlichem Background schlichtweg miteinander unterhalten, ist ja nun hoffentlich keine fantastische Utopie.
Erfolgreicher Ex-Junggeselle und die armen Schlucker
Ganz im Reality-Modus werden die beiden Familien vorgestellt: Alltagstristesse hier, schwelgerischer Luxus da, dazu gefühlvolle Musik und aufdringliche Nahaufnahmen, wenn die jeweiligen Schicksale erzählt werden. Kein "Experiment" ohne Taschentuch.
In der armen Familie lernen wir Sascha und Anna mitsamt ihren Kindern Arda, Sophie und Benjamin kennen. Anna ist seit vier Jahren arbeitslos, Sascha schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch und will eine Firma für Gartenarbeiten gründen. Die Familie kommt mit monatlich 1.800 Euro über die Runden.
Auf der Gewinnerseite – Entschuldigung, auf der wohlhabenden Seite wird uns ein altes Fernsehgesicht präsentiert:
Man lernt sich kennen, schüttelt Hände, lächelt, bestaunt die luxuriöse Einrichtung, nimmt ein paar Häppchen zu sich, stellt fest, dass man sich trotz der finanziellen Kluft nicht unsympathisch ist. So weit, so banal.
Die Gewinner helfen, wo sie nur können
Aber es wäre natürlich kein Privatsenderbeitrag, wenn man nicht ein bisschen auf die Protagonisten herabblicken könnte. Ganz wie beim "Zahltag" dürfen die erfolgreichen Tews-Eheleute mehr oder weniger hilfreiche Ratschläge geben, während die anderen sich verteidigen müssen, warum da im Kinderzimmer "wie in einer Abstellkammer" ein Wäscheständer in der Ecke steht.
Um Saschas Gartenbaufirma anzukurbeln, holt Christian Tews für einige Gartenarbeiten ein Angebot von Sascha ein – und belehrt ihn dann, wie er das Geschäft besser angehen sollte. Der erfolgreiche Checker gegen den Mann, der ohne Gerätschaften Gartenbau betreiben will und auf seinem Flyer leider die Telefonnummer vergessen hat: Es ist eine eher schief gewichtete Begegnung.
Claudia, Christians Frau, hat derweil Sorgen, von welchen Schicksalsschlägen ihr Anna womöglich berichten könnte: Sie kann dann immer so schlecht schlafen. Wenn Anna dann erzählt, wie sie mit 13 auf Ecstasy vergewaltigt wurde, fühlt man sich richtig mies für die arme Schlaflose.
Aber man will ja helfen, und Anna kämpft seit der Geburt ihres dritten Kindes mit Übergewicht: "Kummerspeck", wie der Sprecher einfühlsam erklärt. Was hilft da in der schönen Fernsehwelt? Richtig: Ein Umstyling mit anschliessendem Shooting bei einer Profi-Fotografin. Vielleicht schaut Heidi Klum ja auch noch vorbei, hoffentlich mit Foto.
Nach Klamottenkauf, Make-up-Session und Shooting ist Anna merkwürdigerweise immer noch nicht glücklich. "Sie müsste einfach ein bisschen mehr Selbstbewusstsein haben", philosophiert Claudia, "aber das kann man ihr leider nicht kaufen."
Haben wir etwas gelernt?
Wenn in den Komödienklassikern Arm und Reich aufeinandertreffen, werden Vorurteile abgebaut – und beide können dem jeweils anderen etwas mitgeben, jeder lernt etwas. Die Kluften, ob tatsächliche oder wahrgenommene, werden dadurch überwunden, dass man sich irgendwann auf Augenhöhe begegnet.
Bei "2 Familien 2 Welten" lernt Anna, dass man sich mit reichen Leuten auch unterhalten kann, während Claudia lernt, dass Sozialhilfeempfänger keinesfalls "bequem" sind. Augenhöhe wird hier nie erreicht: Die einen dürfen heraufblicken, die anderen herab.
Vielleicht war das ja das Experiment: Wie können wir die Begegnung so arrangieren, dass man sich möglichst wenig in den anderen hineinfühlen muss?
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