"Haste, weisste, kennste": Seit mehr als zehn Jahren erzählt Mario Barth die gleichen Witze. Das ist auch in seinem Programm "Männer sind schuld, sagen die Frauen" nicht anders, dass RTL am Freitagabend in voller Länge übertrug. 124.000 Menschen versammelten sich dafür im Berliner Olympiastadion. Um immer und immer wieder die gleichen Witze zu hören.
Ganz klein ist
Es ist der zweite Auftritt des Komikers im Berliner Olympiastadion, zwei Tage hintereinander füllt Barth die Arena im Juni, 124.000 Menschen sind erschienen, um ihn zu sehen. Es ist ein Weltrekord: Noch nie hat ein Comedian so viele Menschen versammelt. Für Barth ist es Routine: 2008 landete er mit seiner Show an gleicher Stelle und 67.733 Zuschauern im Guinness-Buch der Rekorde. Seitdem überrundet er nur noch sich selbst.
"Ihr seid der Wahnsinn!"
Diesmal soll es anders sein. "Du hast einen Weltrekord!", brüllt er jeden einzelnen im Publikum an. Und: "Ihr seid der Wahnsinn!". Jeder Zuschauer bekommt eine Urkunde dafür, dass er im Olympiastadion war. Das hier ist nicht sein Rekord, will der Comedian damit sagen, es ist der seiner Fans. Die, die ihm über die Jahre treu geblieben sind, obwohl heute kaum noch jemand zugeben will, dass er den Berliner aus Mariendorf lustig findet. Mit Mario Barth ist es so wie mit Modern Talking: Millionen Alben verkauft, aber am Ende will es keiner gewesen sein.
2002 sah das noch anders aus. Das erste Programm von Barth brachte ganz Deutschland zum Lachen. "Männer sind Schweine, Frauen aber auch!" thematisierte das, was bis heute das Markenzeichen des 41-Jährigen ist: Witze über den alltäglichen Beziehungswahnsinn. Er beobachtet, überspitzt und zieht das Erlebte ins Groteske. Ein grundlegendes Prinzip von Comedy, das Mario Barth perfektionierte, indem er sich auf ein einziges Thema einschoss: Frauen. Seit Beginn seiner Karriere muss seine Lebensgefährtin als Sündenbock herhalten. Sie kann nicht einparken, hat keine Ahnung von Technik, stellt seltsame Sachen in die Wohnung. Wer sie ist, darüber ist kaum etwas bekannt. Barth hält sein Privatleben, von seinen Bühnenerzählungen einmal abgesehen, strikt geheim.
Er gibt seinem Publikum das, was sie wollen
Das Mann-Frau-Schema zieht der Comedian bis heute strikt durch. "Männer sind primitiv, aber glücklich", "Männer sind peinlich, Frauen manchmal auch!", "Männer sind schuld, sagen die Frauen!", selbst die Namen der Programme sind kaum auseinanderzuhalten. Das hat Barth zum erfolgreichsten, reichsten und auch unbeliebtesten Komiker des Landes gemacht. Kollegen lästern über ihn, die Presse schimpft. Das Berliner Magazin "tip" wählte ihn 2008 zum peinlichsten Bürger der Hauptstadt. Dabei macht Mario Barth nichts anderes als jeder andere Stadion-Act: Er gibt seinem Publikum genau das, was sie wollen: die Greatest Hits. Die Witze, die sie schon kennen.
Natürlich hat jeder Komiker die üblichen Geschlechterklischees irgendwann einmal verarbeitet. Man darf aber nicht vergessen, dass es Barth war, der sie an die breite Masse verkaufte. So lange, bis jeder Komiker einen "Meine Freundin..."-Witz im Programm hatte. Was wahrscheinlich der Grund ist, warum sie heute keiner mehr hören kann. Jeder Mann-Frau-Witz ist erzählt. Überraschen kann Mario Barth nicht mehr. Nur wenige Witze zünden noch. Seinem Publikum ist das egal. Während Michael Mittermeier den deutschen Humor ins Ausland trägt und und Kurt Krömer lieber wieder in Clubs Spässe macht, bleibt Barth da, wo er sich am wohlsten fühlt: im Berliner Olympiastadion.
Aber will man ihm das vorwerfen? Bei den Rolling Stones beschwert sich schliesslich auch keiner, dass sie jedes Mal "Satisfaction" spielen. Oder dass AC/DC seit vierzig Jahren das gleiche Album aufnehmen. Barths Publikum ist wie ihres: Es will nicht überrascht, sondern unterhalten werden.
Die Witze kennt man aus den anderen Programmen
Und genau das tut der Berliner. Als Einheizer müssen am Nachmittag unter anderem Natasha Bedingfield, Madcon und Vanilla Ice (!) auf die Bühne, in einer zwanzigminütigen Pause legt DJ Bobo auf. Als Mario Barth dann selbst auf die Bühne kommt, rennt er stetig von einer Seite auf die andere, ist nach einer Viertelstunde so verschwitzt, dass ihm das T-Shirt am Leib klebt. RTL hat die Show am Pfingstwochenende aufgezeichnet - es sind über 30 Grad. Die Themen, Figuren, Sprüche: Man kennt sie alle aus Barths vorangegangenen Programmen. Ikea, antiautoritäre Mütter, Unterschichten-Fernsehen, Flatulenzen und Peniswitze. Das ist nicht sonderlich einfallsreich, funktioniert aber. Einen roten Faden oder Spannungsbogen gibt es nicht. Einzige Konstante in den unzusammenhängenden Episoden ist die Freundin, die immer noch als Beispiel für die Frau an sich herhalten muss.
Als Barth nach zwei Stunden abgeschirmt durch seine Bodyguards durch die Menge schreitet, recken sich Hände nach ihm. Auf einer Plattform in ihrer Mitte fragt er, wer 2008 beim ersten Rekordversuch schon dabei war. Johlen. Und 2011? Noch mehr Johlen. Und jetzt? Das Stadion steht Kopf. Statt einer Zugabe bedankt sich Barth. Bei seinem 1.200-köpfigen Team, dass die Show möglich gemacht hat. Bei seiner Mutter, die jedes Mal dabei ist. Die Freundin bleibt unerwähnt. Als ein Feuerwerk die Show beendet, sitzt Barth wie ein kleiner Junge im Schneidersitz auf der Bühne und blickt in den Himmel. "Ich will nun mal nicht ein Leisetreter sein", singt Harald Juhnke vom Band. Mario Barth offenbar auch nicht.
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