Soll noch einmal jemand behaupten, "Adam sucht Eva" sei eine niveaulose Unterhaltungsshow, die ob ihrer Dauernackedeierei bloss die niedrigsten Instinkte des Zuschauers bedienen will. Mitnichten! Die Bewohner der FKK-Insel werfen die Grundfragen der Philosophiegeschichte auf. Auf ihre ganz eigene Weise.
RTL, das sind schon welche. Haben wir doch tatsächlich für einen Moment gedacht, der Sender wolle nur mit ein paar nackten Freaks Quote machen. Einfach einen Haufen Nudisten auf eine Insel schippern und das Ganze dann zur Tarnung "Sozialexperiment" nennen. Doch in Wahrheit erfüllt RTL nur seinen selbst gesetzten Anspruch, der Bildungssender Nummer eins zu sein und bringt seinen Zuschauern die grossen philosophischen Zusammenhänge vom Haben, Sein und Tun näher.
Haben
Brauchen wir Eigentum? RTL baut "Adam sucht Eva" ganz bewusst auf dieser elementaren Frage auf und schickt seine Kandidaten mit so gut wie nichts auf die Insel. Den ersten Impuls zur Beantwortung der Eigentumsfrage gibt Achi: "Du hast aber auch riesengrosse Hupen", begrüsst er Edona, die neue Blondine auf der Insel, und macht damit deutlich, dass er tatsächlich nicht nur ohne materielles, sondern vor allem ohne geistiges Eigentum auskommt.
Abends dann beantwortet Edona die Frage nach dem Recht auf Eigentum auf ihre Weise und schenkt dem begeisterten Achi ihre alten Brustimplantate. Das wirft beim Zuschauer weitere Fragen auf: Wenn Edona dem Achi nun auch noch ihre aktuellen Implantate schenkt, wem gehören dann ihre Brüste? Kann man etwas besitzen, das man nicht mehr hat? Kann man nichts besitzen? Und wenn man nicht nichts besitzen kann, wem gehört dann Achis Hirn?
Sein
Wenn im Wald ein Baum umfällt und keiner dabei war, um es zu sehen - hat der Baum dann ein Geräusch gemacht? Dieser Klassiker, der uns an die Grenzbereiche von Philosophie, Logik und Akustik führt, wird von den Insel-Bewohnern auf ganz moderne Weise interpretiert: Wenn ich nackt bin und niemand es sieht, bin ich dann trotzdem nackt? Wenn wir für eine Fernsehsendung nackt auf einer Insel herumlaufen und niemand sieht die Sendung, laufen wir dann trotzdem nackt herum? Können die Zuschauer uns einfach verschwinden lassen, indem sie nicht zugucken?
Diese Gedankenspiele führen zwangsläufig zu einer Neubetrachtung des Descartes'schen Prinzips "Ich denke, also bin ich." Die Kandidaten von "Adam sucht Eva" erweitern diesen philosophischen Grundsatz um tiefer gehende Aspekte: Ich denke, also bin ich - was aber, wenn ich mal nicht denke? Bin ich dann nicht? Wenn RTL denkt, dass es richtig ist, Nackte auf eine Insel zu setzen und dann zu filmen, dieser Gedanke aber falsch ist, ist RTL dann falsch? Gibt es RTL dann überhaupt? Wenn es RTL nicht gibt, wie bin ich dann auf diese Insel gekommen?
Tun
Nach den grossen Fragen um Haben oder Sein widmen sich die Insel-Bewohner auch der Frage nach dem Tun. Mit seinen Worten: "Willi, du kannst doch tanzen. Wollen wir eine kleine Tanzsession machen?", wirft Achi unbewusst die Frage nach dem Kategorischen Imperativ Immanuel Kants auf: "Handle stets so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne!" Die Gruppe beantwortet diese Frage, indem sie sich von Willi vor laufender Kamera Unterricht im Nackt-Samba-Tanzen geben lässt. Einzig Johanna kommt zuerst zu einem anderen Ergebnis: "Hast du 'nen Sonnenstich?"
Heike und Willi nutzen daraufhin die nächtlichen Stunden, um die vielfältigen Aspekte des Tuns in ihrer Gänze auszuleuchten. Dabei stossen sie zwangsläufig auf die Frage: "Kann man das Richtige im Falschen tun? Für Heike ist die Antwort nach einer Nacht mit Willi klar: "Vielleicht gibt es ja bald das erste 'Adam sucht Eva'-Baby!"
Gott ist tot
Doch "Adam sucht Eva" wäre nur mittelmässiges Bildungsfernsehen, würde es an die nachfolgende Philosophen-Generation nicht selbst Fragen stellen: Kann man als nackter Mann wirklich nur mit gespreizten Beinen in einer Hängematte sitzen? Hat Mister Torpedo einen freien Willen? Und: Wer sind die und wenn ja, wie viele müssen wir noch ertragen?
Der letzte Gedanke dieser Philosophie-Lehrstunde soll jedoch dem grosse Friedrich Nietzsche gelten, der seinerzeit feststellte: "Gott ist tot". Seit "Adam sucht Eva" wissen wir: Gott ist nicht tot, aber er hat sich definitiv aus dem Paradies zurückgezogen - zumindest vorübergehend.
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