Es ist geschafft. Das unsägliche Nacktdating-Format "Adam sucht Eva - Gestrandet im Paradies" ist vorbei. Fünf der sechs produzierten Folgen wurden ausgestrahlt. Für die letzte Episode gibt es keinen Sendetermin. Das ist auch gut so. Am Ende der Show verliessen sogar die Kandidaten freiwillig das vermeintliche Paradies.
Ich hatte vergangene Nacht einen furchtbaren Alptraum. Ich war auf einer einsamen Insel. Die Sonne schien, die Wellen säuselten, ich lag nackt im Sand, blickte in den Himmel und dachte mir: Eigentlich ist das Leben doch ganz schön. Plötzlich näherte sich ein Boot. Eine Frau paddelte heran. Sie stand auf, streifte sich die spärliche Kleidung vom Körper und sprang ins Wasser. Ich dachte: Ui ui ui, jetzt wird’s interessant. Doch plötzlich waren überall Kameras, Männer schrien mich an, hielten mir Mikrofone über den Kopf, liessen mich dämliche Sätze sprechen und befragten mich zu meinem Sexualleben. Panisch riss ich die Augen auf und stellte fest: Das war kein Traum. Das war keine kranke Fantasie. Das war "mein RTL". Und ich starrte seit Minuten entsetzt auf meinen Fernseher.
"Adam sucht Eva - Gestrandet im Paradies" ist das neue Dating-Format des Kölner Senders, das bereits in den Niederlanden mässig erfolgreich lief. Falls Sie die ersten drei Folgen verpasst haben, hier eine kurze Zusammenfassung: Mann, Frau, nackt, Insel. Mehr müssen Sie eigentlich nicht wissen. Folge vier und fünf waren die letzten der Show und es gibt somit Hoffnung auf Genesung. Zumindest theoretisch. Eigentlich hatte RTL sechs Episoden angekündigt, für die letzte gibt es bisher keinen Sendetermin. Was die einzig gute Nachricht im Zusammenhang mit dem "Sozialexperiment", wie RTL es nennt, ist.
"Die Welt ist ein Buch"
Zum hoffentlichen Abschluss schickte RTL noch einmal Mann, Frau, nackt auf die Insel. Leider lässt der Sender sie nicht dort. Gunnar, 30, Finanzberater, ist aus dem gleichen Grund dort, wie alle anderen, die an solchen Formaten teilnehmen: Er will die grosse Liebe finden. Und danach in Diskotheken Rosen verteilen, Kaufhäuser eröffnen und Claudia Effenberg bei "Promi Big Brother" den Nacken kraulen. Er sagt schlaue Sätze wie: "Die Welt ist ein Buch. Und wenn du immer nur an einem Ort bleibst, hast du nur eine Seite gelesen." Seine neue Gespielin Wannida, 22, liest offensichtlich keine Bücher, lebt aber nach einer ähnlich schlauen Maxime: "Ich habe zwar keine Oberweite, bin aber Asiatin." Ausserdem ist ihr die Penisgrösse nicht so wichtig, aber, was soll man machen: "Der springt einem in der Show ins Gesicht." Ich bin kurzzeitig verwirrt und vermute, dass die neue Staffel des "Supertalents" bereits früher startet und nach dem Mann, der Arien flattuliert, jetzt Gunnar, die springende Peniswurst, auftritt. Doch das ist immer noch das Nudisten-Sozialexperiment, die "Suche nach der Liebe in ihrer ursprünglichsten Form" - vor Fernsehkameras.
Zuerst auf die Peniswurst schaut übrigens auch Xenia, 22, die zweite Kandidatin. Ob klein, gross, dick, dünn, mit oder ohne Sprungkraft, ist ihr egal. Hauptsache die Peniswurst, pardon, der Mann daran, ist zu "50 Prozent Arschloch und zu 50 Prozent lieb". Ausserdem bedeutet Nacktsein für sie Natürlichkeit. Sagt’s und präsentiert ihre Silikonbrüste.
Beim ersten Date sollte man auch nicht nackt sein
In Folge zwei versucht Enrico, 29, alleinerziehender Vater, sein Glück mit blankem Schritt. Damit andere Kinder nach der Ausstrahlung der Show auch den richtigen Mitschüler hänseln, hat er sich das Gesicht seines Sohnes zwischen die Schultern tätowieren lassen. Als Anna, 20, auf der Insel erscheint, ist er begeistert. Die ist jung und bildhübsch. Und eine gute Erziehung hat sie auch genossen. Ihre Mutter sagte immer: Beim ersten Date geht man nicht mit einem Mann ins Bett. Und geküsst wird auch nicht. Dass man beim ersten Date auch nicht nackt sein sollte, daran hat Mutti offenbar nicht gedacht.
Oberflächlich, egal ob mit oder ohne Kleidung
Doch dann wird es tatsächlich interessant. Wenn man das bei diesem Format so sagen kann. Das Sozialexperiment, das Menschen in ihrer reduziertesten Form, ohne ablenkende Kleidung, einander näher bringen will, zeigt das genaue Gegenteil: Wer nackt ist, ist genauso oberflächlich wie mit Kleidung. Anna verliert jegliches Interesse an Enrico, als sie erfährt, dass er alleinerziehender Vater ist. Der merkt, männertypisch, nichts davon.
Zwei weitere, nicht ganz so attraktive Kandidaten, erscheinen auf der Insel. Sowohl Anna als auch Enrico sind von beiden nicht begeistert. Kurz vor Ende der Show steigt Anna aus - Sie will mit keinem der Kandidaten blank in den Sonnenuntergang schwimmen, Peniswurst hin oder her. Ausserdem kann sie nicht fassen, dass ihre Mitbewerberin bisexuell ist. Enrico hat immer noch nicht verstanden, dass er bei Anna selbst dann nicht landen könnte, wenn er sich ihr Gesicht auf den Hintern tätowieren lassen würde und gibt auch auf. Er hat kein Interesse an den anderen Kandidaten. Die schauen nur verdutzt. Zurück bleibt, frei nach Bernd Begemann, zweimal zweite Wahl. Das ist grausam, aber das ist die Show schliesslich auch.
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