(kom) - Ungeklärte Verbrechen, hollywoodreife Gewaltszenen und jede Menge Phantombilder: das ist "Aktenzeichen XY ... ungelöst". Seit 45 Jahren begeben sich die Zuschauer als Miss Marple und Hercule Poirot auf Verbrecherjagd. Doch die Fälle, die in der Show behandelt werden sind nicht fiktiv. Es sind Geschichten aus dem wahren Leben.

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"Die Polizei [...] bittet um Ihre Mithilfe": Am 20. Oktober 1967 begrüsste Eduard Zimmermann die Zuschauer im ZDF-Fahndungsstudio. Damals waren Logo, Moderator und Kulisse noch in Schwarz-Weiss, das Farbfernsehen trat bei "XY" erst 1975 ein. Die Grundidee ist in den vergangenen Jahrzehnten gleich geblieben: Schwerverbrechern per TV-Fahndung das Handwerk legen. Und es gelang. Meistens.

Der erste Fahndungserfolg der ZDF-Kultshow? Der brutale Raubmord an Dr. Bernhard Boll in einem Wald nahe Solingen im März 1968. Ein Schwerverbrecher hatte den Zeitungsverleger erschlagen und beraubt. Eine gestohlene Uhr wurde dem Täter zum Verhängnis. Ein Einspieler des limitierten Fabrikats genügte und die Polizei fasste den Verbrecher noch am selben Abend.

Und auch im Fall eines mutmasslichen Berliner Kinderschänders waren die Zuschauer schneller als die Polizei. Der gesuchte Mann war in mehreren Kinderpornofilmen, die zwischen 2005 und 2008 gedreht wurden, zu sehen und auch zu hören. Die Polizei sprach von einem "äusserst schweren Fall" und bat die Zuschauer um Mithilfe. Der grosse Medienrummel vor und nach Ausstrahlung des Berichts im September 2012 brachte schliesslich den langersehnten Erfolg: Der 37-Jährige stellte sich der Polizei.

Wie wichtig "XY" bei der Aufklärung von Tötungsdelikten ist, beweist der Mordfall Lolita Brieger. Unglaubliche 29 Jahre lang tappte die Polizei im Dunkeln. Erst nachdem das ZDF über den Fall berichtete, gingen wichtige Hinweise bei der Polizeidirektion Nordrhein-Westfalen ein. Die Überreste der jungen Frau wurden schliesslich in einer Mülldeponie im nordrhein-westfälischen Frauenkron gefunden. Der angeklagte Landwirt Josef K. habe Lolita damals mit einem Draht erwürgt, Michael S., ein Freund, half ihm bei der Beseitigung der Leiche - so die Anklage. Nach Auffassung des Gerichts bestand kein Zweifel, dass der Landwirt Lolita tötete - ein Mord konnte sich allerdings nach so langer Zeit nicht mehr nachweisen lassen. Der Beschuldigte wurde schliesslich freigesprochen.

Ein grausamer Leichenfund schockierte die Zuschauer von "Aktenzeichen XY... ungelöst" im vergangenen April. Heinrich und Waltraud Schemmer wurden in ihrer Wohnung bei Koblenz-Horchheim kaltblütig ermordet. Ohne Hinweise auf Motiv und Einbruchsspuren wandte sich die Polizei an die Öffentlichkeit. Auch diesmal gaben die ZDF-Zuschauer wichtige Hinweise, die letztlich zur Aufklärung des Doppelmordes führten. Am 24. Mai 2012 gab die Staatsanwaltschaft Koblenz die Festnahme der Schwiegertochter bekannt - die vermeintliche Mörderin bestreitet die Tat.

"Rambo-Räuber" Thomas Feldhofer konnte ebenfalls dank "XY" hinter Gittern gebracht werden. Der Serientäter galt als "besonders gefährlich", war monatelang auf der Flucht - europaweit wurde nach ihm gesucht. Anfang 2012 kam der Fall zum ZDF. Die Staatsanwaltschaft Duisburg lobte 5.000 Euro Belohnung aus. Feldhofer habe während seiner kriminellen Laufbahn mehrere Banken, Tankstellen und Geschäfte überfallen. Höhepunkt der Dezember 2011: Der Verbrecher soll einen Linienbus gekapert und die Insassen ausgeraubt haben. Wenige Wochen nach Ausstrahlung gelingt der grosse Coup: Der 46-jährige Gewaltverbrecher wird in Schleswig-Holstein festgenommen.

Der Fall der ermordeten Bankiersfrau Maria Bögerl erschütterte die Nation. Die Fahnder verfolgten mehrere Spuren - ohne Erfolg. Im vergangenen Juli wandten sich die Kommissare an die Öffentlichkeit. Auch diesmal sollte "Aktenzeichen XY ... ungelöst" neue Erkenntnisse zu dem tragischen Fall aus Heidenheim liefern. Aufmerksame Zuschauer sollten mögliches Foto- und Videomaterial aus dem Neresheimer Kloster zusenden, weil darauf die Täter zu sehen sein könnten. Zur Erinnerung: Maria Bögerl wurde aus ihrem Haus verschleppt und anschliessend ermordet. Eine Lösegeldforderung scheiterte. Ihre Leiche wurde wenige Wochen später in einem Waldstück gefunden. Von den Tätern fehlt weiterhin jede Spur.

Eduard Zimmermann, der Erfinder der Fernsehfahndung und langjähriger Moderator von "Aktenzeichen XY ... ungelöst" erhielt für sein TV-Engagement das Bundesverdienstkreuz I. Klasse. Als Zimmermann 1997 die Moderation abgab, übernahm Butz Peters "XY". Seit 2002 steht Rudi Cerne vor den Kameras der Fernsehfahndung. Zum 45. Geburtstag äusserte sich Programmdirektor Reinhold Elschot im Branchenmagazin "Dwdl.de", wie folgt: "Der langanhaltende Erfolg gründet sich nicht nur auf ein kluges Konzept, sondern auch auf die Person und die Persönlichkeit, die unserem 'XY' Gesicht und Stimme gibt: unserem Moderator Rudi Cerne."

Die nächste "XY"-Ausgabe ist am 31. Oktober geplant. Für November will man sich in einem "Aktenzeichen XY -Spezial" vermissten Kindern widmen. Natascha Kampusch wird in "Wo ist mein Kind?" als Studiogast auftreten. Die Sonderausgabe läuft am 28. November im ZDF.

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