30 Jahre Andrea Berg – und alle sind gekommen. Auch Giovanni Zarrella. Und der hat gleich das ZDF mitgebracht. Während Zarrella moderiert, überträgt der Sender nämlich das Open-Air-Konzert in Aspach zum 30. Bühnenjubiläum von Andrea Berg. Ein typischer Schlager-Abend, der an den richtigen Stellen mit etwas weniger etwas besser gefahren wäre.
Aspach ist nicht Berlin. Das ist keine grosse Neuigkeit und über diesen Umstand ist man in Aspach wahrscheinlich genauso froh wie in Berlin. Daher mal anders formuliert: Aspachs Möglichkeiten, seinen Einwohnern Aussergewöhnliches zu bieten, sind ein bisschen kleiner als in der Hauptstadt. Kleiner, aber nicht gleich null. Denn die 8.000-Seelen-Gemeinde in Baden-Württemberg hat etwas, das Berlin nicht hat:
Die gebürtige Krefelderin wohnt in Aspach und betreibt dort mit ihrem Mann ein Hotel. Viel wichtiger aber: Berg ist seit drei Jahrzehnten im Musik-Business, Abteilung Schlager, unterwegs und das kommerziell nicht gerade erfolglos. Ihre letzten neun Alben erreichten alle Platz eins in den Charts, tummelten sich dort gleich mehrere Wochen und es spricht wenig dafür, dass sich das bei ihrem neuen Album gerade ändern sollte. Und damit sind wir auch schon beim Samstagabend und dem ZDF.
Anlässlich ihres 30-jährigen Jubiläums veranstaltet Berg nämlich ein grosses Konzert mit 15.000 Zuschauern vor Ort in Aspach,
"Es wird ein unvergesslicher Abend" – woher weiss Zarrella das?
Aber sei’s drum, ein bisschen Auf-die-Sahne-Klopferei gehört eben dazu. Genauso wie eine eindrucksvolle Gästeliste, denn die Berg will die Feier zur 30-jährigen Existenz ihres Schlager-Ichs nicht alleine wuppen. Kennt man vom eigenen Geburtstag. Da will man auch nicht den ganzen Abend am Herd stehen, sondern lässt lieber die Schnittchenplatte vom Caterer kommen. Und so fragt Zarrella Berg: "Wen hast du dir hierher gewünscht?" Also zählt Berg auf und die Gäste entsprechen so ziemlich denen, die man sonst auch so in ZDF-Schlagershows sieht. Maite Kelly, Nino de Angelo, Kerstin Ott, DJ Ötzi und Semino Rossi. Trotzdem ist Zarrella wieder vorschnell unterwegs: "Es wird ein unvergesslicher Abend."
Im Grunde hat Zarrella damit ja recht, man muss nur unterscheiden, ob der Abend unvergesslich wird, weil er so einzigartig ist oder weil er eben nicht einzigartig ist. Denn wenn etwas aussieht wie immer, dann kann man sich auch immer daran erinnern oder glaubt zumindest, es zu können. Wenn die Höhner zum gefühlt einhunderttausendsten Mal mit "Viva Colonia" die Massen zum Mitgrölen bringen, dann fällt einem das Wort "unvergesslich" jedenfalls nicht als Erstes ein.
Gleichzeitig ist aber der Auftritt der Höhner auch ein Beispiel dafür, dass man sich für diesen Abend zwar nicht unbedingt Unvergessliches, aber zumindest Besonderes ausgedacht hat. Denn mitten im "Viva Colonia"-Geschunkel hält Frontmann Henning Krautmacher inne. "Irgendwann ist immer Schluss", beginnt Krautmacher und erklärt den Zuschauern, dass er in Bälde aufhören wird und übergibt symbolisch auf der Bühne den Staffelstab an seinen Nachfolger Patrick Lück.
Andrea-Berg-Duett mit Vanessa Mai
Warum die Höhner das ausgerechnet bei einem Konzert machen, bei dem es nicht um sie, sondern um Andrea Berg geht, wissen nur die Veranstalter. An anderer Stelle ist man da sensibler. So bringt der österreichische Schlagersänger Nik P. Berg ein Geschenk in Form einer Urkunde mit, die bezeugt, dass er für sie einem Stern den Namen "30 Jahre Andrea Berg" gegeben hat. Die anderen Künstler bringen kein Geschenk, sondern sich selbst mit. Zum Beispiel
Mit dem Iren Johnny Logan hat indes ein Duett geklappt und sogar ein ganz besonderes, wie Berg erklärt. Logan hat mit ihr den Song "Never walk alone" für ihr neues Album aufgenommen und über diese Zusammenarbeit sagt Berg: "Das waren wirklich magische Momente." Das mag stimmen und es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, aber falls man es doch tut, mag das daran liegen, dass an so einem Abend alles ein bisschen zu magisch ist.
Dass Schlagertexter es nicht allzu komplex mögen und auch mit Haus-Maus-Reimen zufrieden sind – geschenkt. Dann hört man sich eben so poetisch anspruchslose Zeilen wie "Ich brauch' dringend ‘ne Landebahn, damit ich landen kann" an. Und dass die Texte oftmals eine lieblose Aneinanderreihung der typischen Schlager-Buzzwords wie Tränen, Vertrau’n, Hoffnung, Augen, Liebe, morgen, brennen und verlor’n sind, ist natürlich Geschmackssache. Wem das reicht, darf und soll damit glücklich werden.
Andrea Berg – mehr als nur Schlagerjargon?
Wenn die Schlagersängerinnen und -sänger diesen Sprachmodus aber auch abseits ihrer Texte beibehalten, wird es schwierig, all die Sätze voller Magie, Seele und Liebe richtig einzuordnen. "Die Liebe verbindet alles miteinander", behauptet Berg etwa an einer Stelle, an einer anderen erklärt sie, es sei ihr bei ihren Fans wichtig, "dass wir das Glück und die Tränen miteinander teilen." Genauso könnte auch der Text eines ihrer Lieder lauten, nur da gehört die Romantisierung und Übertreibung dazu. Mit anderen Worten: Weniger ist manchmal mehr.
Umso besser ist es daher, wenn dem Zuschauer, der die Biografie von Andrea Berg nicht aus dem Effeff kennt, am Samstagabend ein realitätsnäheres Bild der Sängerin gezeigt wird. Zum Beispiel über ihr soziales Engagement. Dass sich eine Schlagersängerin sympathisch präsentiert, ist kein Alleinstellungsmerkmal, das tun sie alle. Wenn man aber sieht, dass sich diese Schlagersängerin tatsächlich um Menschen kümmert, etwa, als Berg eine Stammzellentypisierungsaktion für einen kleinen Jungen mitorganisiert, dann bekommt das Gerede von Glück und Tränen noch einmal ein anderes Gewicht.
Und so dürften am Ende alle mit der Jubiläumsfeier zufrieden gewesen sein. Die Berg-Fans vor Ort und vor den Bildschirmen, Schlagerfans im Allgemeinen, weil sie eine typische Schlagershow bekommen haben, Giovanni-Zarrella-Fans, weil es auch eine typische Giovanni-Zarrella-Show gewesen ist – und Berg und ihr Management dürften mit Blick auf das neue Album auch zufrieden gewesen sein, das Jubiläum auf diese Weise gefeiert zu haben.
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