In jeder Staffel der "Bachelorette" oder des "Bachelors" nerven einige Kandidaten kolossal. In "Bachelor in Paradise" treffen sie alle in einer Art "Worst-of" aufeinander. Das Ergebnis übertrifft alle Befürchtungen.

Eine Kritik

Mehr TV- & Streaming-News finden Sie hier

Mehr News über TV-Shows

Irgendwo muss es einen Ort geben, an dem RTL dieses grossflächig tätowierte Menschenmaterial in einem Batida-de-Coco-Reagenzglas züchtet. Wahrscheinlich ein unterirdisches 24-Stunden-Discounter-Fitness-Studio, in dem sie sich bräunen, die Extensions zwirbeln und Tipps geben, wie die Zähne noch heller strahlen als die Kernschmelze in Fukushima.

Dreimal im Jahr dürfen sie ans Tageslicht. Immer dann, wenn gerade mal wieder "Der Bachelor", "Die Bachelorette" oder nun eben "Bachelor in Paradise" aufgezeichnet wird. Anders lässt sich das, was diese Horde geltungssüchtiger Bald-Influencer bereits in der ersten Folge abliefert, nicht erklären.

Kurz zu den Koordinaten: "Bachelor in Paradise" ist die Resterampe von "Der Bachelor" und "Die Bachelorette", eine dreiste Kopie von "Love Island", oder umgekehrt. Egal. Wem sein Auftritt damals noch nicht peinlich genug war oder immer noch Freunde hat, die sich mit ihm in der Öffentlichkeit zeigen, löst dieses Dilemma mit einer weiteren Teilnahme an dem jüngsten Ableger des Trash-TV-Dating-Franchises. Ist der Ruf erst ruiniert, liebt es sich ganz ungeniert.

Doch statt eines Kavaliers oder einer Kavaleuse, die am Ende jeder Folge die Rosen verteilt, sind es abwechselnd alle Männer oder Frauen. Wer keine Schnittblume bekommt, fliegt und wird durch weiteres williges Nachrückmaterial ersetzt. In der ersten Folge sind es zum Beispiel Sarah und Meike, deren Namen Sie getrost wieder vergessen können.

"Bachelor in Paradise": "Eher Tier als ein Lauch"

Das war im letzten Jahr so erfolgreich, dass RTL die Folgen auf jeweils zwei Stunden verlängert hat und es diesmal insgesamt neun Episoden gibt. Gedreht wurde auf Koh Samui in Thailand, das die klimatischen Voraussetzung zum durchgängigen Mangel an Oberbekleidung bietet. Die täglichen Besuche im Fitness-Studio sollen sich schliesslich rentieren.

Die Insel ist ein echtes Idyll, nicht nur landschaftlich gesehen. Wem das mit den Männern und den Frauen in den letzten Jahren zu kompliziert wurde, kann aufatmen. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Männer sollen "eher ein Tier als Lauch", "gut gebaut und stark", "schöne Zähne haben und sauber" sein. Also irgendwie mehr Zuchthengst als Mensch.

Und die Frauen? Am liebsten "natürlich". Was so ziemlich die einzige Kategorie ist, die auf keine der Damen bei "Bachelor in Paradise" zutrifft. Egal, Hauptsache sie geben den Männern ihren Freiraum und verzeihen ihnen die kleinen Flausen im Kopf.

Davon gibt es in der ersten Folge von "Bachelor in Paradise" jede Menge. Mehrere der Kandidaten kennen sich bereits und haben eine Vorgeschichte. Michelle und Michi zum Beispiel hatten eine kurze Affäre. Also, irgendwie. Die Meinungen dazu differieren. Die 24-Jährige stand innerlich bereits kurz vor dem Traualtar. Ihr Pendant kann sich gerade so an sie erinnern.

Und während der munter mit Kontrahentin Natalie, die übrigens auch beim Schweizer "Bachelor" antrat und gewann, das übliche Wasserfall/irgendein hippes Gefährt fahren/Prosecco mit Aussicht-Date absolviert, sitzt sie in der Villa und schmollt. Da kann auch nicht Paul Janke helfen, der Bachelor aus Staffel zwei, der seine Rente hier als Barkeeper aufbessert und ihr mit Wort und Drink zur Seite steht. Nicht dass noch jemand in dieser Show nüchtern wird.

Die Situation gipfelt in einem tränenreichen Gefühlsausbruch von Michelle, die sich ihrem Schwarm heulend an den Hals wirft und schluchzt: "Bitte Michi, ich brauche dich. Du bist in meinem Herzen." Dummerweise sind da schon ganz viele andere.

Vergeben, Dachschaden und am Ende wollen sie Knick Knack

Trost findet sie ausgerechnet bei Marco, der direkt in seinen ersten Sendeminuten mit einem "Bachelor in Paradise"-Spross droht: "Stell dir mal vor, hier kommt ein Baby rum! Echt krass!" Lieber nicht. Zumal Marco nun auch nicht gerade der Traummann aller zukünftigen Mütter sein dürfte. "Ich bin kein Arsch", so seine grosszügige Selbsteinschätzung. Und beweist direkt das Gegenteil.

Mit Kandidatin Meike hatte er vor zwei Jahren bereits "Kontakt". Heisst: Er stalkte sie in den sozialen Medien, Körperflüssigkeiten wurden ausgetauscht, danach meldete er sich nie wieder. Soweit nicht ungewöhnlich für dieses Format. Bis auf die Tatsache, dass er versuchte, Bilder vom Sex zu machen, um sie an die Klatschpresse zu verkaufen. So zumindest Meikes Version.

Die von Marco klingt so: Wenn ihm beim Sex langweilig wird, macht er das Handy an und schaut auf Instagram. Sie kennen das aus Ihrem Alltag.

Glücklicherweise sind die Frauen bei "Bachelor in Paradise" aus Gründen der Gleichberechtigung nicht viel besser. Bereits nach gefühlten zehn Minuten klammern sich Jade und Serkan Yavuz wild knutschend im Pool aneinander. Kurz darauf hüpft ihr die optimierte Auslegeware aus dem Bikini-Oberteil, die er ihr peinlich berührt zurückschiebt. Sie ist so betrunken, dass sie es nicht einmal merkt.

Eng umschlungen liegen sie daraufhin in der Hängematte und sie haucht: "Ich hab dich ein bisschen lieb." Das müssen sie dann endlich sein, die grossen, echten Gefühle in einer der "Bachelor"-Shows. Zumindest bis zum nächsten Morgen. Bei Tageslicht fällt Jade auf: "Optisch gesehen ist er es jetzt halt nicht. Ist jetzt aber halt so."

Haste Scheisse am Schuh, haste Scheisse am Schuh. Oder wie Kandidatin Christina das Problem mit der ewigen Partnersuche zusammenfasst: "Oft sind sind sie vergeben, sie haben ‘nen Dachschaden oder sie lügen. Und am Ende wollen sie nur Knick Knack." Womit sie bei "Bachelor in Paradise" genau richtig ist. Die nächsten Wochen werden das eindrucksvoll beweisen.

Lesen Sie auch die TV-Kritik zur Folge 2: "Bachelor in Paradise": Der Leitwolf Aurelio und die sieben Bros

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.