Sah man beim "Bachelor" gestern Abend ganz genau hin, hatte man tatsächlich den Eindruck, dass Leonard das alles wirklich ernst meint. Ganz im Gegensatz zum Zuschauer. Der will vor allem lästern. Und dafür gab es wieder reichlich Gelegenheit.
So, so, lieber Leser. Sie gucken sich "den Bachelor" also nur an, um sich darüber lustig zu machen. Die Wahrscheinlichkeit ist jedenfalls fifty-fifty, dass genau Sie es sind. Das zumindest behauptet die Umfrage eines Hamburger Marktforschungsunternehmen. Demnach schalten 56 Prozent der Zuschauer nur ein, um die Kandidaten auf die Schippe zu nehmen.
Besonders gehässig sind dabei offenbar jüngere Frauen. Hier nehmen fast 70 Prozent die Sendung nicht ernst. Was ist da los? Ist dem Zynismus des Zuschauers wirklich nichts mehr heilig? Noch nicht einmal mehr der Bachelor?
Die gestrige Folge bot eine Menge Erklärungsansätze – im Generellen wie im Speziellen. Generell lässt sich etwas salopp festhalten: Meine Güte, das Ganze ist so dermassen drüber. Und das Schlimmste ist, dass RTL das alles ernst zu meinen scheint. Doch sehen wir genauer hin.
"Der Bachelor": sehnsuchtsvoll, liebeshungrig, nackt
Da haben wir zunächst einmal den Bachelor selbst. Im aktuellen Fall heisst er Leonard. Vielleicht ist Leonard ein echt dufter Typ, vielleicht auch nicht, spielt jedenfalls keine Rolle. Spielt keine Rolle, weil ein Bachelor im Grunde nur eine Marke ist. Wo Leonard auch immer hingehen wird, er wird von nun an immer nur "der Bachelor" sein.
Bachelor ist dabei nur die Ansammlung von RTL-Kriterien, ob er nun Leonard, Kevin oder Horst-Rüdiger heisst. Ein Bachelor muss sehnsuchtsvoll in die Ferne gucken können, er muss glaubhaft Zeugnis ablegen können, dass er die wahre Liebe sucht, auch wenn so was niemand im Fernsehen machen würde, und er muss pro Folge einmal mit nacktem Oberkörper durchs Bild laufen.
Bei den Kandidatinnen ergibt sich ein ähnliches Bild. Nur, dass man hier die Kriterien "nackter Oberkörper" durch "Bikini" und "in die Ferne gucken" durch "jetzt nicht ganz so durchdachte Sätze sagen" ersetzen muss.
Man weiss nicht, ob die Damen, wenn die Kameras aus sind, feministische Theorien diskutieren, aber RTL scheint von der typischen Bachelor-Kandidatin unbedingt das Bild der zickigen, dümmlich-naiven Tussi zeichnen zu wollen. Nuancen in der Darstellung der Charaktere scheinen nur der Dramaturgie geschuldet zu sein.
"Es hat immer geflowt."
Nach dem Schnitt jedenfalls bleiben von den Kandidatinnen dann oft nur halbintelligent wirkende Sätze übrig, wie zum Beispiel: "Es hat immer geflowt." Höhepunkt der Demütigung ist dann die Stelle, an der eine Kandidatin in die Kamera ihre Gefühle für Leonard schildern muss.
Das sieht dann immer so aus, als ob die "Dingsda"-Kinder das Wort "verliebt" erklären müssen. Ja, wer beim Bachelor mitmacht, darf sich nicht wundern, wenn RTL es in diesem arrangierten Szenen-Hopping so aussehen lässt, als habe man bereits Schwierigkeiten, einen Eimer Wasser auszukippen.
Wirklich absurd wird das Ganze aber erst durch dieses völlig überzogene Setting. Wer sich verlieben will, der, so suggeriert es die Sendung, kann das 1. prinzipiell nur in warmen oder gemässigt-warmen Klimazonen schaffen, weil sonst 2. die Kriterien "nackter Oberkörper" und "Bikini" nicht mehr greifen. Aber wahrscheinlich arbeitet RTL bereits an Sonderausgaben wie "Der Bachelor – Abenteuer Nowosibirsk" oder "Der Eis-Bachelor".
In dieses Sommer-Sonne-Sonnenstich-Ambiente prügelt RTL dann arrangierte Zusammenkünfte zwischen dem Bachelor und seiner Damenschar. Da kommt dann Leonard mit einem Stapel Kistchen ins Haus, in denen "Date-Überraschungen" versteckt sind. Damit der Zuschauer auch weiss, dass ein Date mit dem Bachelor wirklich erste Sahne ist, darf Daniela in die Kamera sagen, dass sie natürlich hofft, dass sie eine Date-Einladung bekommt: "Ich hoffe natürlich, dass ich eine Date-Einladung bekomme."
"Magst du Süsses?"
Und schon huschen die Auserwählten mit Leonard zu einem "Action-und-Fun-Date" oder zu irgendetwas, was dem Sender so an Liebes-Romanze-Kennenlern-Klischees einfällt. Als wären diese arrangierten Dates, bei denen sich der Zuschauer ob der Penetranz des Kameramannes ein bisschen wie im Zoo vorkommt, nicht schon schlimm genug, müssen die armen Liebessuchenden auch noch dem offiziellen Werbepartner, einem Wildfruchtsahnelikör, huldigen. Das ergibt dann folgende Szene:
Der Bachelor reicht Daniela ein Glas und fragt: "Magst du Süsses?"
Daniela blickt sinnierend in ihr Likörgläschen und antwortet: "Mh. Ich mag alles Schokoladige und Karamel und so."
Is scho recht, denkt sich der Zuschauer und ist froh, wenn die Damen diesem absurden Treiben einmal kurz die Luft raus- und die Realität reinlassen – und wenn es nur für ein paar Sekunden ist. Wie in der Gruppendate-Szene, als sich Leonard kurz entschuldigt und ins Haus geht. "Warum zieht er sich denn jetzt zurück?", fragt eine Kandidatin. "Vielleicht muss er auf die Toilette", mutmasst eine andere.
Ja, "Der Bachelor" macht es einem nicht leicht, ihn tatsächlich ernst zu nehmen. Wer dennoch glaubt, dass "Der Bachelor" ein Premium-Produkt der TV-Unterhaltung ist, für den sei die gestrige Folge kurz zusammengefasst: Als Erste muss sich schon vor der Nacht der Rosen Sandra verabschieden, denn für Leonard stimmt hier die Basis nicht.
Leonie Rosella hingegen bekommt eine Spontan-Rose. Franzi wiederum beendet das ganze Rosen-Gedöns von selbst und verabschiedet sich freiwillig. So kann sie wenigstens mit Saskia und Cindy eine Fahrgemeinschaft bilden, denn die sind ebenfalls raus.
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