Der beeindruckende Bart, die freche Brille, der verschmitzte Blick - ganz zu schweigen von der rheinischen Art, mit Dialekt und Humor zu spielen: Für seine Fans ist Horst Lichter der Inbegriff dessen, was man "Original" oder "Kultcharakter" nennt.
Im deutschen Fernsehen ist der 56-Jährige ein seltenes Exemplar, scheinen bei ihm doch Kunstfigur und echte Person fast deckungsgleich zu sein.
Die Mischung aus Authentizität, Witz und Menschlichkeit dürfte entscheidend zum Aufstieg des
Mehrfach lief die Sendung deshalb schon zur abendlichen Primetime (wieder am 12.7., 20.15 Uhr) - samt prominenten Gastverkäufern. Woher der unglaubliche Erfolg rührt, wie er auf Missgunst reagiert und wie es um seine eigene Sammelleidenschaft bestellt ist, verrät der Entertainer im Gespräch.
Herr Lichter, seit mittlerweile fünf Jahren moderieren Sie "Bares für Rares". Hätten Sie am Anfang geglaubt, dass die Sendung so enorm erfolgreich werden würde?
Horst Lichter: Wenn heute irgendwer behaupten würde, er hätte damals geglaubt, dass es so ein Erfolg würde - dann wäre das ganz schön geflunkert (lacht). Mich freut der unfassbare Erfolg immens, das ist in der Fernsehgeschichte echt selten. Das konnte in dieser Grössenordnung aber niemand ahnen.
Was aber stimmt: Von der ersten Stunde an, seit mir das Format vorgestellt wurde, habe ich daran geglaubt. Sonst hätte ich nicht dafür gekämpft.
Was hat Sie überzeugt?
Wer mein Lokal kannte, weiss, dass ich zwei Leidenschaften habe: Menschen und eben alte Dinge. Vor allem aber die Geschichten hinter diesen Dingen. Jeder Fall für sich kann in wenigen Minuten zum Krimi, zur Tragödie, zur Komödie werden. Ich höre auch immer wieder, wie viel die Menschen daraus lernen - von den Experten, aus den Bewertungen. Und das immer unterhaltsam verpackt.
Stimmt es, dass Ihr Management Ihnen zunächst davon abriet?
Am Anfang haben fast alle gesagt: Was willst du denn damit? Du bist doch Koch und kein Trödelonkel, lass dat (lacht)! Ich sagte nur: Kinder, ich will das machen, das ist mein Ding. Das Schöne war, dass ich und mein Management zugleich befreundet sind. Das heisst, sie beraten mich - aber raten mir nicht unbedingt ab. Ich bleibe der Chef, der entscheidet, was ich mache.
Wann wurde klar, dass es die richtige Entscheidung war?
Schon nach wenigen Wochen und Sendungen, als der aktuelle Erfolg noch nicht abzusehen war. Schon auf unserem ersten Sendeplatz am Sonntagmorgen hatten wir sechs oder sieben Prozent Einschaltquote, und da hiess es: Das funktioniert.
Was mich sehr stolz macht: Dass so unglaublich viele junge Menschen die Sendung sehen. Erwartbar wäre gewesen, dass Herrschaften im gestandenen Alter einschalten. Es kennt ja jeder "Bares für Rares", unfassbar!
Wie erklären Sie sich den unglaublichen Erfolg einer Anti-Krawall-Sendung wie "Bares für Rares"?
Genau das ist der Grund. Ich sag es mal so: Wenn man ununterbrochen in einer Diskothek mit toller Musik ist, alles super, alles laut - dann will man es danach geniessen, in aller Ruhe im Park zu sitzen. Die Sendung ist unaufgeregt, tut keinem weh, ist ehrlich - man fühlt sich gut.
Das Publikum ist schon lange bereit, endlich etwas Echtes zu sehen. Die Menschen müssen sich wiedererkennen. Es muss nicht immer Hartz IV und Immer-noch-schlimmer sein - das wird ja grauenhaft.
Sie sprechen das Ehrliche und Echte an: Hat es Sie deshalb besonders getroffen, dass manche Medien das anzweifelten und von Inszenierung sprachen?
Im Prinzip konnte man damit schon rechnen. Wenn irgendetwas einen grossen Erfolg hat, wird sich nicht gefreut, sondern vermutet, dass da was nicht stimmen kann. Das ist typisch, zu sagen: Das geht nicht mit rechten Dingen zu!
Der Deutsche kann nicht erstmal geniessen, ohne zu denken, da ist ein Haken dran. Das finde ich immer schade. Es hat mich im Fall "Bares für Rares" sehr verwundert, aber man hätte es erwarten können. Ein wenig Neid und Missgunst spielt da auch eine Rolle. Jeder hätte das gern selbst entdeckt, erfunden und gemacht.
Inzwischen haben Sie und das Team langjährige Erfahrung, einen Alltag. Wie läuft denn die Vorbereitung auf eine "Bares für Rares"-Sendung für Sie ab?
Anfang der Woche, vor dem Dreh, bekomme ich eine Mappe mit einem Kurzbriefing der Herrschaften und eine Kurzbeschreibung ihrer Gegenstände. Mehr nicht. Alles, was dann passiert, passiert. Darüber reden auch die Experten nicht mit mir. Selbst wenn da zum hundertsten Mal ein Ring kommt, finden die Experten immer wieder etwas Überraschendes.
Können Sie überraschende Gegenstände benennen, die Sie in den vergangenen Jahren besonders beeindruckten?
Oh Gott, unendlich viele! Vor allem beeindrucken mich aber die Menschen. Ich finde es immer wunderbar, wenn herzensgute, bescheidene Menschen vorbeikommen und einfach einen Gegenstand loswerden wollen, zu dem sie beispielsweise keine emotionale Bindung mehr haben.
Wenn die sich vielleicht einen Hunni wünschen - und dann kommt eine Expertise, die sagt, es ist Tausende wert! Diese Momente, in denen sie die Augen aufreissen und sich unendlich freuen, die liebe ich. Dann muss ich immer nur sagen: Das sind echte Händler, verkauft es nicht unter Preis - und zur Not komm ich helfen (lacht)!
Dafür braucht man sicher auch ausserhalb des Drehs ein gutes Verhältnis zu den Händlern und den Experten ...
Die Händler und Experten mag ich alle, wie sie sind - alle sind extrem unterschiedlich. Das sind natürlich alles Alphatiere, das müssen sie auch sein.
Mit den Händlern habe ich beim Dreh nicht so viel Kontakt, die fangen eine Stunde später als ich an, und ich habe eine Stunde früher Feierabend. Zudem drehen wir ja in verschiedenen Räumen, damit sie nichts von der Expertise mitbekommen. Manche habe ich allerdings schon besucht.
Manchmal scheint es, als wären Sie inzwischen mehr Trödelmensch als Koch ...
Ich hatte immer das grosse Glück, abseits des Kochens andere Sachen machen zu können - von Moderationen bis Dokumentationen. Natürlich wurde ich immer als der Koch angesprochen. Heute ist das kaum noch so. Die Wahrnehmung hat sich geändert, jetzt bin ich der von "Bares für Rares".
Sind die Reaktionen der Menschen auf Sie deshalb anders geworden?
Die Menschen bedankten sich bei mir. Und das finde ich wiederum wunderbar. Andererseits wird die Sendung natürlich nicht nur von mir getragen, sondern vom gesamten Team. Sonst funktioniert das nicht. Das ist keine eingeübte Schleimscheisserei, sondern tatsächlich so.
"Bares für Rares" scheint Ihnen sehr ans Herz gewachsen. Das merkte man auch bei Ihrer tränenreichen Dankesrede für den Publikumspreis der "Goldenen Kamera".
Ja, das ist wirklich so. Seit ein paar Jahren mache ich nur noch Dinge, die mir Spass machen. Dazu stehe ich. Ich forme mir mein Umfeld. Dafür muss man in erster Linie geben, dann bekommt man etwas zurück. Deshalb bin ich morgens als erster am Set, mache Spass mit allen und kann mit allen über Probleme reden.
Das ist natürlich Arbeit - aber mir ist wichtig, dass alle diese Freude haben. Es wird ja im Laufe der Jahre nicht einfacher, besonders jetzt, wo wir im Fokus stehen. Nach fünf Jahren würde ich sagen: Wir sind eine Familie geworden!
Glauben Sie, dass das Konzept irgendwann seinen Zenit überschreiten wird - oder Sie die Lust daran verlieren?
Irgendwann ist alles mal vorbei. Alles hat seine Zeit. Aktuell starten alle anderen Sender Gegenprogramme. Aber ich sag mal: Das wird noch lange laufen können! Ich persönlich mache so lange weiter, solange es mir Freude macht.
Wie ist es denn um Ihre persönliche Sammelleidenschaft bestellt? Wie sieht es auf Ihrem Dachboden aus?
Wir leben ganz anders, als viele sich das wohl vorstellen. Zwar in einem alten Haus, ich liebe alte Häuser! Aber vielleicht klarer und aufgeräumter als man so denken würde (lacht). Ich habe das ja alles schon durchlebt: Mein Lokal war grösser als die meisten Museen dieser Welt, da war alles drin!
Dann wollte ich, wie die Menschen bei "Bares für Rares", Ballast abwerfen und trennte mich davon. Es hört auf, Hobby zu sein, wenn man sich drum kümmern muss. Alte schöne Dinge mag ich noch immer. Wahrscheinlich werde ich den Motorrad- und Auto-Bazillus niemals loswerden. Aber ich kann mich sehr gut von Dingen trennen.
Ist der echte Horst Lichter also ein wenig anders als jener aus dem Fernsehen?
Da zitiere ich einfach mal die Leute, wenn sie mich im Zug treffen und mit mir reden. Irgendwann kommt dann immer: "Sie sind ja wirklich so!" Darauf bin ich sehr stolz - dass ich ich bin. Das habe ich seit der ersten Stunde im Fernsehen gelernt.
Gab es dabei in Ihrer Karriere einen ausschlaggebenden Moment?
Ein Redakteur bei meiner Koch-Show im WDR sagte immer: "Hotte, du musst du bleiben. Verstelle dich nicht. Deshalb habe ich dich eingestellt. Sprich, wie du sprichst, sei wie du bist". Später bei "Kerners Köche" wollte ich erst tatsächlich zeigen, wie gut ich kochen kann. Dann fiel mir ein: Die wollen nicht noch einen Sternekoch, die wollen dich, weil du bist wie du bist! Das habe ich mir beibehalten.
Können Familie und Freunde dabei helfen, sich das zu bewahren?
Ich habe viele gute Menschen, die auf mich aufpassen. Mein grösster Kritiker ist mein Schatz, meine Frau Nada, die mir mehr als ehrlich sagt, wann ich gut bin. Ebenso mein Management und ein paar Freunde. Auch mein Dorf, in dem wir wohnen, erdet: Es ist nicht so, dass ich hier ankomme und alle applaudieren. Da werde ich begrüsst wie ein normaler Mensch. Das ist wichtig. Denn unerkannt rumlaufen kann ich sonst nirgendwo mehr.
Stört Sie das manchmal?
Nein, das gehört auch dazu. Ich verstehe die Prominenten nicht, die sich darüber beklagen, dass sie für Fotos oder Autogramme herhalten müssen. Denen sage ich immer: Wenn du das nicht magst, dann bleib mit deinem Kopp aus dem Fernsehen (lacht)!
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