"Bauer sucht Frau" geht in seine zehnte Staffel. Und eigentlich ist es so wie immer: Lüsterne Bauern treffen in einem kaum zu ertragenden Format auf verzweifelte Frauen mit Dialogen direkt aus dem Poesiealbum. Eines ist aber neu: Für einen der Landwirte ist bereits in der ersten Folge Schluss.
Liebes "Mein RTL", wir haben in den vergangenen Jahren berufsbedingt viel Zeit miteinander verbracht. "Deutschland sucht den Superstar", "Das Supertalent", "Der Bachelor" - Stunde um Stunde sass ich auf der Couch und machte mir Notizen, selbst bei dieser unsäglichen Nackt-Dating-Show. Manches davon war schlimm, das meiste kaum zu ertragen. Aber weisst du, irgendwann ist es genug. Denn bei einer Show krallen sich meine Finger unbarmherzig in die Fernbedienung. Weil ich sie mir wahlweise in die Stirn oder den Fernseher rammen möchte. "Bauer sucht Frau". Oder wie ich es nenne: Depperte Dödel drehen durch. Die Show direkt aus der Alliterationshölle.
Bei deinen ganzen anderen Formaten, liebes "Mein RTL", das du so Fernsehen nennst, werden Menschen blossgestellt, die es nicht anders verdient haben. Sie finden Arbeit blöde und sehen ihre Bestimmung darin, in irgendeiner Show neben einer Videowand zu sitzen und vergessene Lieder aus den 80ern zu kommentieren. Es sei ihnen gegönnt. Bei deinen Bauern habe ich einfach ein ungutes Gefühl. Da ist viel Verzweiflung im Spiel, manchmal fehlt auch der geistige Horizont zu erkennen, worauf man sich einlässt. Und der Rest hat Samenstau bis zur Nasenspitze. Das muss man einfach mal so sagen.
Verliebt, verzweifelt oder einfach nur spitz
Schon der Vorspann – meine Güte, diese Menschen leben auf dem Land, also dort, wo jeder jeden kennt - kann ganze Leben zerstören. Einer der Kandidaten streichelt ein Huhn, der nächste ein Straussenbaby. Und dann hält auch noch einer der Bauern einen Apfel mit einem Herzen hoch. Die Frau, die sich jetzt sofort verliebt, muss wohl blind, verzweifelt oder spitz wie
Sebastian, 32, Bauer aus Oberfranken sagt: "Wenn man allein ist, kann man halt nix machen." Also eigentlich schon, Fernsehen, spazieren gehen, einen Kuchen backen. Was er tatsächlich meint, ist jedem klar. Womit er recht hätte. Das sagt er aber nicht. Glaube ich zumindest, denn liebes "Mein RTL", du hast den armen Mann auch noch untertitelt, obwohl er ganz gut zu verstehen ist.
Deswegen schreiben ihm jetzt Frauen: "Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln." Ja, auch ich hatte mal ein Poesiealbum. Mit zehn Jahren. Solche Sätze habe ich trotzdem nicht da reingeschrieben. Und ich wäre nie auf die Idee gekommen, daraus eine verdammte Fernsehsendung zu machen!
Mir ist es sowieso ein Rätsel, wie sich nach zehn Jahren "Bauer sucht Frau" (ja, so lange gibt es das schon), überhaupt noch jemand für diese Show findet. Als der Vater eines Kandidaten den Sonnenschutz seiner Brille hochklappt, legt die Redaktion ein Quietschgeräusch darunter. Als Rolf, 27, unter Stottern gesteht, dass er noch nie eine Freundin hatte, reibt ihm das Inka Bause, die Blondine aus der Alliterationshölle, permanent unter die zitternde Nase. Dann legt sie ihm den spärlichen Stapel an Zuschriften mit den Worten auf den Tisch: "Viel ist es nicht, aber es muss ja auch nur die Eine dabei sein." Heisst: Keine will dich, also nimm, was du kriegen kannst. Wie wahr das ist, wird Rolf noch später in der Sendung erfahren.
Nur mit Bier zu ertragen
Den anderen ergeht es nicht besser. Einer hat zum Öffnen der Briefe drei Bier vor sich aufgebaut. Drei. Alkohol ist eben doch eine Lösung. Zumindest als Bauer bei diesem ländlichen Kuppelreigen. Die restliche Zeit ist der Staffelauftakt von "Bauer sucht Frau" so, als wärst du, liebes "Mein RTL", wieder zu deinen Anfangstagen zurückgekehrt. Es gibt ziemlich viel Sünd auf der Alm und dort juckt es ordentlich in der Lederhose.
Beim "Scheunenfest" etwa, die Frauenversteigerung der Show, zeigst du uns viele Zeitlupen, spielst Musik direkt vom "Kuschelrock"-Sampler, und die Herren grinsen treudoof und lüstern. Jeder hakt sich bei zwei seiner Damen ein und zieht breit grinsend über den Hof. In deiner Welt, liebes "Mein RTL", heisst das: Die grosse Liebe kann kommen. In der Welt der Kandidaten: Was tut man nicht alles ... Oder wie es einer der Bauern ausdrückt: "Kuscheln, das muss doch nicht gleich mordsmässig dingsda." Haben Sie nicht verstanden? Ich auch nicht.
So geht es munter weiter. Einer der Bauern zückt beim Kennenlernen zwei eindeutig geformte Hirschsalamis. Der nächste fummelt irgendwo zwischen Hüfte und Hintern einer Kandidatin herum und sagt: "Das Gefühl, eine Frau zwischen den Händen zu haben, ist fantastisch." Zwei Damen zeigen die Tattoos in ihrem Dekolleté. Dazu läuft Marilyn Monroes "Teach Me Tiger". Woh woh woh woh woh woh.
Das wäre alles ja noch zu verschmerzen, wenn deine Show, liebes "Mein RTL", nicht so grausam wäre. Erinnern Sie sich an Rolf, den schüchternen Stotterer? Den Unbefleckten? Irgendwann sitzt er den beiden Bewerberinnen um seine Jungfräulichkeit gegenüber. Er muss sich für eine entscheiden, mit der er eine Woche auf seinem Hof verbringen will. Er tut es. Sie verzieht das Gesicht und erklärt: Sie aber nicht. Inka Bause fragt so mitfühlend, als wolle sie Rolf mit einer Sense die Oberlippe rasieren: "Und, wie fühlst du dich jetzt?" Rolf weiss auch nicht so recht.
Die weniger attraktive Kandidatin, die Bause ihm schmackhaft machen will, mag er aber auch nicht auf seinem Hof haben. Was sich gut trifft, denn die Verschmähte schickt ihn nach einigen Minuten Bedenkzeit dorthin, wo der Rettich wächst. Rolf kann in den letzten Minuten der Show nur noch desillusioniert schauen. Er ist bereits in der ersten Folge ausgeschieden. Obwohl das eigentlich gar nicht geht. Auch egal, denn die Sendung verliert kein Wort mehr über ihn. Aber ich, Rolf - ich habe dich nicht vergessen. Glaub nicht dem Fernsehen, glaub nicht RTL. Frauen kann man auch ohne Dating-Show kennenlernen. Wirklich.
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