Die Show "Bauer sucht Frau" lief bisher komplett an mir vorbei - bis Montagabend. Bei der neunten Staffel schalte ich erstmals ein und bin erstaunt: "Bauer sucht Frau" ist ein Format, bei dem der sonst so trashige Sender RTL den Kandidaten nicht sofort einen Stempel aufdrückt. Allerdings ist die Show phasenweise langweilig.
Nach meinen ersten 120 Minuten "Bauer sucht Frau" bin ich überrascht, dass RTL ein solch braves Format im Programm hat. Beim "Supertalent" oder bei DSDS schimpft Juror Bohlen stets mit den Kandidaten, viele werden blossgestellt. So kenne ich Trash-TV. Doch "Bauer sucht Frau" ist anders und demütigt die Teilnehmer nicht. Zwischendurch schimmern sogar echte Gefühle durch. Dafür garniert RTL die Show mit reichlich Kitsch und einer vermeintlich heilen Bauernwelt mit süssen Tieren. Doch dies überzeugt mich nicht, nächsten Montag erneut einzuschalten. Dafür war die Show einfach viel zu langweilig.
Show ist überinszeniert
"Bauer sucht Frau" ist durchinszeniert. Die Show will den Zuschauern vermitteln, dass auf dem Land alles in Ordnung ist. Bei der Vorstellung der zehn Bauern sehe ich immer putzige Tierchen, am Euter nuckelnde Kälber und schöne Berglandschaften.
Als gebürtiger Oberpfälzer fällt mir vor allem beim Oberpfälzer Bauern Markus etwas auf. Er ist das Paradebeispiel eines Bayern, der nach Skript versucht Hochdeutsch zu sprechen. Seine Aussprache des Begriffs "fesches Madl" klingt, als ob er jeden einzelnen Buchstaben des Wortes peinlichst genau aussprechen will. Ich weiss aus Erfahrung: Probier‘ es lieber nicht, es hört sich nicht authentisch an.
Auch Moderatorin Inka Bause trägt ihren Teil dazu bei, dass die Sendung aufgesetzt wirkt. In einem dicken BMW fährt sie an den Bauernhöfen vor und steigt mit einer pinken Jacke bekleidet aus. Im Gegensatz zu den ungestylten Bauern sieht
Eine Extraportion Kitsch
Doch RTL wäre nicht RTL, wenn es hier nicht noch eine Extraportion Kitsch dazu gäbe. Jede Zusammenführung der Kandidaten, sogar fast jeder Schnittwechsel, wird mit einem Liebeslied untermalt. Während der ersten Folge "Bauer sucht Frau" müssen zwei Doppel-CDs "Kuschelrock" durchgelaufen sein.
Bei der Vorstellung der Bauern verfällt die Off-Stimme in einen Alliterationswahn. Es gibt einen "herzlichen Hessen", einen "munteren Münsterländer" oder einen "liebevollen Luxemburger". Der ganze Bauernhof-Alltag wird versüsst - wie ein Stück Würfelzucker, das man in Honig eintaucht und danach noch mit einer Glasur bestreicht.
Ein Hauch Authentizität
Nur kurz gewährt die Show einen Einblick, wie die Bauern wirklich sind - bei der Vorstellungsrunde. Bauer Brian darf seine beiden Verehrerinnen abholen. Er ist wie viele der Landwirte seit Jahren solo. Brian verschränkt die Arme hinter seinem Rücken, tippelt hin und her und kichert. Endlich echte Gefühle.
Die Teilnehmer der Show unterhalten sich und lernen sich kennen. Bauer Christian macht Elke ein – nennen wir es – Kompliment: "Du hast einen knackigen Arsch". Die Dame bedankt sich sogar dafür. Wenn ich das bei meinem ersten Date gesagt hätte...
Auch der schwule Schweinebauer Michael tappt ins Fettnäpfchen: "Ich bin ein leidenschaftlicher Ständer-Tänzer". Der Landwirt und seine Verehrer prusten sofort los. In dieser Phase der Show grinse auch ich erstmals.
Vor Beginn der neunten Staffel warb RTL vor allem mit der ersten lesbischen Bäuerin namens Lena. Einer Buhlerin sagt sie sofort, dass ihre zwei Katzen auf ihren Bauernhof nichts verloren hätten. Den Chihuahua der anderen Verehrerin bezeichnet Lena als "Tussi-Hund". Ein sympathisches Auftreten beim ersten Treffen geht anders.
Egli trällert Flaute herbei
Der Höhepunkt der Show dauert nur rund 15 Minuten. Während den anderen 105 Minuten Sendezeit passiert wenig. DSDS-Schlagersternchen Beatrice Egli tritt auf und singt eines ihrer Lieder. Warum, wird nicht klar. Vielleicht stand das so im Vertrag von DSDS. RTL zeigt zum dritten Mal das nuckelnde Kalb. Die Show plätschert vor sich hin. Ich greife zu meinem Handy, tippe darauf herum. Irgendwann schalte ich den Fernseher aus. Einschalten werde ich bei "Bauer sucht Frau" nicht mehr.
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