Computerspiele, das war einmal die Heimat von ein paar Nerds. Aus den paar Nerds wurden viele, inzwischen sind Computerspiele längst Kulturgut, sozialer Raum, E-Sport und vor allem eine Mega-Industrie. Zu Computerspielen gehört aber auch die immer wiederkehrende Diskussion über die Gewalt in manchen Spielen. Seit diesem Freitag hat diese Mega-Industrie aber noch eine weitere Diskussion an den Hacken.

Christian Vock
Eine Kritik
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Es beginnt am Freitagabend erst einmal mit einer These: "Heute gehen wir in eine Welt, die besser ist, als die echte Welt. Eine Welt, in der alles gleich ist. Die Welt der Games", erklärt Jan Böhmermann und stützt sich auf Zitate von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker und des Livestreamers MontanaBlack, wonach es in der Gaming-Szene nicht auf Hautfarbe, Herkunft, Religion, Alter, Geschlecht oder die Art der Konsole ankomme. Böhmermanns ironisches Fazit: "Die Gaming-Community ist nach der Ein-Herz-für-Kinder-Gala der letzte unpolitische Ort, der uns in Deutschland noch geblieben ist."

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Ist sie natürlich nicht, denn sonst würde Böhmermann nicht in seinem "ZDF Magazin Royale" darüber sprechen. Sie ist eben nicht der "Safe Space" oder "eine Wohlfühloase", sondern das genaue Gegenteil und diese Gegenthese leitet Böhmermann ein, indem er die Zuschauer auf einen Bericht aus dem Jahr 1989 über ein "Spiel" namens "KZ-Manager" hinweist. Nun ist 1989 schon ein Weilchen her, aber seitdem ist die Situation eher schlechter, als besser geworden und das weiss auch Jan Böhmermann.

"Die Welt der Games ist ein Abbild der Gesellschaft. Und wenn es im Real Life Nazis gibt, gibt es in der virtuellen Welt natürlich auch Computerspiele für die", erklärt Böhmermann und zeigt dann ein Spiel der rechtsextremen Jugendorganisation der AfD, in dem man "millionenfach" abschieben soll. Für Böhmermann kein Wunder, dass etwa in Brandenburg ein Drittel der 16- bis 24-Jährigen die AfD gewählt hat. "Nazification ist kein Problem der RentnerInnen", meint Böhmermann und sagt: "Hey Kids! Auch wer Nazis wählt, weil er sie lustig findet, wählt Nazis."

Die Gaming-Welt, "ein Schlaraffenreich für Nazis, Incels und 'echte Männer'"

"Games sind eben nicht unpolitisch. Nichts ist unpolitisch und Gamer auch nicht. Sie tun nur gerne so", behauptet Böhmermann und beginnt nun, eine Reihe von Beispielen für diese Behauptung aufzulisten. Zum Beispiel das sogenannte "Gamer Gate" um Zoe Quinn von 2014. Quinn entwickelte Computerspiele und wurde wegen eines Gerüchts, das ihr Ex-Freund gestreut hatte, Opfer von Hassbotschaften. "Aus einem unwahren Gerücht wurde ein riesengrosser, menschenverachtender und politischer Shitstorm über die Frage, warum Frauen woke, linksextreme Social-Justice-Warriors uns echten, harten, männlichen Gamern das Zocken kaputtmachen mit ihrer Hexen-Fähigkeit", so Böhmermann zu dem Fall.

Böhmermanns Indizienkette geht weiter, und zwar vom ehemaligen Trump-Berater Steve Bannon, der Gamer instrumentalisiert und für Trump mobilisiert habe, über einen Beitrag auf Eurogamer.net, in dem es heisst: "Von den 2.300 befragten Entwickler*innen gaben 91 Prozent an, dass Belästigung durch Spieler*innen und Toxizität gegenüber Entwickler*innen ein Problem darstellen – 42 Prozent sagten, es sei ein 'sehr ernstes Problem'", bis hin zu Steam, einem sozialen Netzwerk für Gamer, das als solches "Probleme habe, seine Inhalte zu moderieren". Oder wie es die "Süddeutsche Zeitung" formulierte: "In den Foren der Gaming-Plattform Steam vernetzen und radikalisieren sich Rechtsextreme."

"Die Welt der Games ist ein echtes Schlaraffenreich für Nazis, Incels und 'echte Männer', die gerne noch mehr Menschen zu Nazis, Incels und 'echten Männern' machen wollen und das ist ein grosses Problem", erklärt Böhmermann und zitiert dazu die Europäische Kommission: "In Gaming-Communitys können diese toxischen Narrative daher unbeabsichtigt als Einfallstor dienen und möglicherweise eine Basis für die Anfälligkeit für gewalttätigen Extremismus schaffen."

Bekannt, aber leider immer noch relevant

Die Gaming-Szene, ein Hort von Sexismus, Rassismus, Gewaltfantasien, Homophobie und toxischer Männlichkeit – ja, diese Mega-Industrie hat wirklich wieder eine weitere Diskussion an den Hacken. Allerdings nicht wegen Jan Böhmermann. Das Problem ist schon lange bekannt, es gibt, wenn auch nicht zahlreiche, so doch wenigstens einige Berichte darüber. Böhmermann und sein Team haben all das lediglich zusammengetragen, zusätzlich recherchiert und nachgehakt und das Thema dann neu und satirisch-ironisch arrangiert.

Nun könnte man sagen, dass Böhmermanns Verdienst dann eben diese Aufarbeitung des Problems für ein breiteres Publikum ist. Wäre es vielleicht sogar, hätte Böhmermann das Thema noch stärker auf sein Publikum heruntergebrochen. Stattdessen biegt Böhmermann bisweilen zu sehr in die Gaming-Welt mit ihren speziellen Begriffen ab, sodass ihm wahrscheinlich nicht alle seine Zuschauer haben folgen können. Dabei ist eigentlich gerade das Vereinfachen ohne zu banalisieren sonst die grosse Stärke des "ZDF Magazin Royale".

Gleichzeitig lässt die Folge ein paar Fragen unbeantwortet. Zum Beispiel, welchen Anteil die Spiele-Branche selbst am Sexismus und Rassismus der Gamer hat, etwa durch die Darstellung von Frauen in den Spielen selbst? Sind die nur stereotypes und sexualisiertes "Beiwerk"? Wie divers sind denn die verschiedenen Charaktere? Wie sieht es mit den Geschichten aus, die in den Spielen erzählt werden? Welche Rolle spielt die permanente Gewalt in den Spielen, nicht bei einer potenziellen Übertragung ins reale Leben, sondern bei der enthemmten Atmosphäre in der Gaming-Community?

Welche Anfänge?

Gleichzeitig ist eine Anklage wie die in dieser Ausgabe des "ZDF Magazin Royale" nur der erste Schritt. Aber welcher ist der Zweite? Und wer soll ihn gehen? Böhmermanns Antwort: "Gaming macht nicht gewalttätig, […] Aber dafür, dass die 'wahren Gamer' angeblich unpolitisch sind, lassen die sich ziemlich leicht von politischen Extremisten politisch einspannen." Böhmermanns Antwort auf dieses Problem: "Macht doch mal das Maul auf, liebe Gamer!"

Doch wenn Böhmermanns Bild der Gaming-Szene als Abbild der Gesellschaft zutrifft, dann muss seine Botschaft nicht nur an die Gamer, sondern an alle gehen. Denn wenn bei einer Landtagswahl ein Drittel der Wähler wieder von Faschisten regiert werden will, muss man sich über Sexismus und Rassismus auch in der Gaming-Szene nicht wundern. Ein "Wehret den Anfängen" ist also umso wichtiger, wenn diese Anfänge schon längst gemacht sind. Oder wie Böhmermann am Freitagabend ironisch singt: "Faschismus is back und keiner hat's kommen sehen."

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