In der aktuellen Ausgabe von "ZDF Magazin Royale" dröselt Jan Böhmermann Hartz IV auf. Der Satiriker erklärt, warum die Sozialleistung dem Staat noch immer zupasskommt, und lässt die "10 'besten' Dinge an Hartz IV" verkünden. Auch Gerd Schröder kommt als Hartz-IV-Schöpfer natürlich nicht ungeschoren davon.

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Er hat es angekündigt und wahr gemacht. Im deutschen Zeitschriftenhandel lag tatsächlich am letzten Wochenende Böhmermanns "Freizeit Magazin Royale" auf, dessen Inhalte vor allem auf eines abzielen: mit der Klatschpresse abzurechnen. Von klassischen "Hubba Bubba"-Gazetten á la "Bunte", "das neue" oder "Freizeit Revue" ist Böhmermanns Postille optisch kaum zu unterscheiden.

Nur: Das "Freizeit Magazin Royale" kreist nicht um die Helene Fischers, Queen Elizabeths und Michael Schumachers dieser Welt, sondern ausschliesslich um die Verleger grosser Medienhäuser – also um jene, die sonst Woche für Woche Prominente enervieren und Anwälte beschäftigen. Böhmermann piesackt sie darin mit fantastischen Meldungen und zweifelhaften Gerüchten in lauter Aufmache.

"Veleger-König Hubert Burda:" Mit Inkontinenz zu Millonen

"Verleger-König Hubert Burda – wie er mit Intrigen, Inzucht und Inkontinenz Millionen machte" titelten Böhmermanns "Schreibkräfte" etwa auf dem Cover des Einmal-Magazins. Die Reaktionen der Angeschwärzten liessen nicht lange auf sich warten. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa verlautbarte ein Burda-Sprecher, dass Komödianten Narrenfreiheit geniessen würden und man die Geschichten eines solchen nicht kommentieren werde.

Intern gestaltete sich die Sache nicht ganz so entspannt: Laut dem deutschen Onlinemagazin "Übermedien" war etwa in einem Intranet-Beitrag des Verlags zu lesen, dass die Folge des Satire-Formats "weit über die Grenzen des guten Geschmacks" gehen würde. Die Bauer Media Group wiederum hält zwar Satire prinzipiell für "richtig und wichtig", fand dann aber sehr wohl "besorgniserregend, dass das ‚ZDF‘ offensichtlich die rechtlichen Grenzen seines Rundfunkauftrags verlassen hat, indem es mit Rundfunkgebühren eine neue Print-Zeitschrift publiziert." Einer wird sich ins Fäustchen gelacht haben.

ZDF Magazine Royale: Mit dem Arschgeweih in die soziale Hängematte

Zentrales Thema der "ZDF Magazin Royale" am Freitagabend war aber Hartz IV. "Finden alle blöd, gibt's aber immer noch. Warum?", wollte Jan Böhmermann zu Beginn wissen. Es folgte ein kurzer Einspieler als Wohlfühl-Einstieg, der nonchalant auf die Historie der Sozialleistung zurückblickte und gute Laune machte: "Das war so. Anfang der 00er-Jahre gibt’s so viele Arbeitslose wie lange nicht mehr. Ganz Deutschland hängt nur rum. Alle so: iPods raus, Schni-schna-schnappi und chillen. Bionade reinzimmern und mit dem Arschgeweih in die, Achtung Metapher, soziale Hängematte", so die wesentlichen Geschehnisse Anfang des Jahrhunderts.

Gerhard Schröder als Zielscheibe: Schöpfer der Hartz-IV-Reform

"Es gibt kein Recht auf Faulheit", meinte 2001 der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, der damals die Arbeitsmarktpolitik reformierte, gegenüber der "Bild"-Zeitung. Schöpfer der Hartz-IV-Reform war allerdings Peter Hartz, ehemaliger Personalvorstand bei VW. Unter seiner Leitung erarbeitete eine Kommission Vorschläge für die Reform der arbeitsmarktbezogenen Sozialgesetze. "Wir haben hier die Zukunft für zwei Millionen Arbeitslose konzipiert", so der inzwischen 79-Jährige damals.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fliessen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäss dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Rund zwei Drittel aller Arbeitslosen, die heute in die Arbeitslosigkeit rutschen, würden direkt auf dem Niveau von Hartz IV landen, hiess es in der Sendung. Dies übrigens vor dem Hintergrund, dass Unternehmen wie die Lufthansa Group oder die TUI AG vom Staat in der Pandemie massiv subventioniert wurden.

Kabarettistin ohne Einnahmen berichtet aus ihrem Leben

"Was vor ein paar Jahren aber noch ganz lustig war, kann jetzt wegen Corona etwa für viele Künstlerinnen und Künstler zu einem echten Problem werden", konstatierte Böhmermann. Anny Hartmann hat bereits so ein "echtes Problem". Die Kabarettistin hatte vor der Pandemie noch rund 100 Auftritte pro Jahr hatte und inzwischen 100 Prozent ihrer Einnahmen verloren. Hartmann durfte im Studio die "10 ‚besten‘ Dinge an Hartz IV" präsentieren, darunter etwa: "Seit 2021 bekommen alleinstehende Hartz-IV-Empfänger mehr Geld. Statt 432 nun 446 Euro im Monat" oder "Für Bildung gibt es monatlich pauschal 1,61 Euro". Dabei stets zu lächeln, fiel der Kölnerin alles andere als leicht.

"Hartz IV ist ungerecht, stigmatisiert und löst das Problem Langzeitarbeitslosigkeit überhaupt nicht, das wissen wir inzwischen. Aber irgendwie gibt’s immer irgendeinen Peter oder irgendeinen Detlef, der sagt: ‚Hartz IV ist schon wenig Geld, aber diese Arbeitslosen, die sind halt so faul!‘", so Böhmermann, der Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Detlef Scheele (SPD), Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, in die Sendung hob. Die ursprüngliche Grundidee der Sozialleistung übrigens: fördern und fordern.

Schräges Schröder-Murmeln auf Instagram

Böhmermann war jetzt angesäuert: "Hartz IV ist zudem ein System, das Menschen in mies bezahlte Jobs zwingt und sie vom richtigen Arbeitsmarkt fernhält", so der Entertainer, der gleich noch einmal den Ex-Kanzler aus der Versenkung holte: "Und was macht Gerhard Schröder? Der hängt mit seinem Putin-Geld besoffen bei Instagram rum, guckt aus dem Fenster und pfeift drauf", so der Moderator weiter, während sich die Zuseher ein Handy-Video von Schröder ansehen durften, das leichten Schneefall zeigte und vom Ex-Kanzler mit Auszügen des Weihnachtslieds "Leise rieselt der Schnee " betextet wurde. Notabene: Kurz vor Ostern!

Warum trotz unzähliger Kritiker und zum Teil Armut im Land Hartz IV dennoch nicht abgeschafft wird, versuchte Böhmermann am Ende auch noch darzulegen: "Weil alles zusammenhängt. Deutschlands Wirtschaftsleistung ist ohne Hartz IV heute nicht denkbar", erklärte der Entertainer. Hartz IV habe einen gigantischen Niedriglohnsektor geschaffen, mit dem der Staat das Existenzminium von Hartz-IV-Empfänger kleinrechnen könne, sowie Auswirkungen auf alle Steuerzahler. Hintergrund: Der Freibetrag für Einkommensteuer-Zahler errechnet sich überwiegend aus dem Hartz-IV-Satz. Je höher dieser ausfällt, desto höher auch der Freibetrag. Der Bremer Satiriker: "Wenn Hartz-IV-Empfänger weniger Geld bekommen, müssen Menschen mit Arbeit Steuern zahlen. Deswegen wird der Hartz-IV-Satz bewusst kleingerechnet."

Problem Armut bis in die Rente aufgeschoben

Da der Staat dank Hartz IV somit mehr Steuern einnimmt und darüber hinaus sich die Wirtschaft über zahlreiche billige Arbeitsplätze freut, wird Hartz IV vermutlich noch nicht so rasch zum Auslaufmodell. Das Problem der Armut, so Böhmermann, lasse sich damit aber nicht lösen. "Wir schieben es nur weiter vor uns her – bis in die Rente."

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