Der bayerische Regisseur Marcus H. Rosenmüller porträtiert den oberösterreichischen Alpenrocker Hubert von Goisern: Ein sympathisches Porträt einer facettenreichen Karriere, das zu sehr an der Oberfläche bleibt.
Die Dokumentation "Brenna tuat's schon lang" startet am 24. April im Kino. Sie erzählt die Geschichte eines musikalischen Grenzgängers: Der Oberösterreicher Hubert von Goisern verbindet volksmusikalische Elemente mit Rock, Jazz und anderen Stilen und schafft damit einen Hybrid, der fernab von üblicher Volksmusik und Schlagerpop liegt. Mit seiner Ziehharmonika verwandelte er die Kaiserhymne in Punkrock, entwickelte eine Musik, die gerne Alpenrock genannt wird – oder, wie ein amerikanischer Produzent im Film als Versuch anbietet: "alpiner Grunge". Von Goisern kam mit seiner Musik weit über die Landesgrenzen hinaus und öffnete sich als Weltmusiker zahlreichen fremden Klängen.
Hubert von Goisern damals und heute
Der Film ist lose in zwei grosse Segmente geteilt. In der ersten Hälfte wird von Goiserns Werdegang beleuchtet – seine ersten musikalischen Gehversuche in der örtlichen Blasmusikkapelle, seine Begegnung mit der Ziehharmonika, die er vom Grossvater geschenkt bekam und jahrelang nicht anrührte, weil ihm die Volksmusik viel zu altbacken war. Sein erster öffentlicher Auftritt als "Hubert Sullivan", der letztlich nicht stattfand, ein peinlicher TV-Auftritt inklusive entsetzlichem Playback, wenig später der Durchbruch mit der Single "Koa Hiatamadl", die es in Österreich bis auf Platz zwei der Charts schaffte.
Im zweiten Part wird dann von den zahlreichen Projekten des Musikers berichtet. Er tourte durch halb Afrika, Ägypten und viele weitere Länder, um dort mit den Menschen zu musizieren. Er arbeitete an Jo Baiers Fernsehfilm "Hölleisengretl", für den er nicht nur die Musik schrieb, sondern in dem er auch eine Rolle übernahm. Und er arrangierte die "Linz Europa Tour", bei der er mit kleinem Schiffskonvoy die Donau entlangfuhr und dabei nicht nur mit Musikern aus den verschiedenen bereisten Ländern, sondern auch mit Stargästen wie Wolfgang Niedecken, Konstantin Wecker und Klaus Doldinger spielte.
Ein sympathischer Rebell
Das ist viel Stoff für so ein Porträt, weshalb die einzelnen Ereignisse meist nur angerissen werden. Hauptsächlich erzählt Hubert von Goisern selber, neben ihm kommen nur eine Handvoll andere Personen zu Wort – darunter sein Manager, sein musikalischer Mentor und der Kulturjournalist und langjährige Freund Bernhard Flieher. Der Musiker selber wirkt bodenständig und sympathisch: Er plaudert beim Angeln auf dem See oder während einer Zugfahrt, gibt sich völlig unprätentiös und scheut sich auch nicht davor, zu erzählen, dass er die Ziehharmonika das erste Mal spielte, weil er betrunken war – um dann überrascht festzustellen, dass ihm der Sound gefiel und er eine passende musikalische Form dafür finden wollte.
Mit seinen Erzählungen inszeniert der Film Hubert von Goisern (der eigentlich Hubert Achleitner heisst und sich ironisch "von Goisern" nennt, weil er sich im Heimatort Goisern nie ganz akzeptiert fühlte) als sanften Rebellen, als Mensch, dessen Karriere trotz widriger Umstände stattfand. Mit dem Leiter der Blasmusikkapelle stritt er sich über das Repertoire und seine langen Haare und wurde hinausgeworfen. Der Manager erzählt, dass er von Goiserns ersten TV-Auftritt damals zum Glück nicht gesehen hat, weil er sonst wohl nicht mit ihm zusammengearbeitet hätte. Selbst bei den Reisen um die Welt und der Schiffstournee, als der Musiker schon eine beachtliche Karriere im Rücken hatte, wurde immer wieder gewarnt und abgeraten, aber von Goisern machte, was er wollte.
Anekdoten und Highlights statt Tiefgang
Keine Frage, Hubert von Goisern ist ein ungewöhnlicher Musiker, der sich – wie es an einer Stelle heisst – "erfolgreich zwischen alle Stühle gesetzt hat". Aber trotz zahlreicher Geschichten und Clips von seinem Schaffen bekommt der Film seine Karriere nicht wirklich in den Griff. Vor allem der zweite Teil des Films trägt eher das Flair einer ausgedehnten Werbekampagne für den Musiker mit den vielen tollen Projekten - vor allem, wenn da vom Risiko geredet wird, während massenakzeptable Millionenstars wie Xavier Naidoo aufgefahren werden. Der Blick bleibt durch die Bank anekdotisch, die wirklichen Zusammenhänge, Schwierigkeiten und Bedingungen von von Goiserns Laufbahn werden als Highlight-Zusammenschnitt arrangiert.
Letztlich stellt sich die Frage, was "Brenna tuat's schon lang" eigentlich porträtieren will: den Menschen Hubert von Goisern oder sein Werk? Das ist natürlich miteinander verknüpft, wird aber beides nur unzureichend beleuchtet. Nachdem hauptsächlich der Künstler zu Wort kommt, geht es teilweise schon darum, wie er sich selbst wahrnimmt, wie er selbst die Stationen seiner Karriere bewertet. Aber abgesehen von der Tatsache, dass er offenbar grundsympathisch ist, sind die Erkenntnisse gering. Genauso sein Werk: Man sieht vieles, erfährt aber letztlich doch nicht viel – da hätten weitere Stimmen dafür sorgen können, tiefer in die Besonderheiten der Musik und der Projekte gehen zu können.
Regisseur Marcus H. Rosenmüller, bekannt durch den Heimatfilm "Wer früher stirbt ist länger tot", begegnet seinem Protagonisten auf Augenhöhe. Nebenher verbindet er den Musiker immer wieder auf charmante Weise mit Bildern der Alpenregion – zum Beispiel, wenn von Goisern in einem Wirtshaus auftritt und die Kamera in der Küche ganz beiläufig zeigt, wie dort die Schnitzel zubereitet werden. Aber letztlich bleibt Rosenmüllers Dokumentation zu sehr an der Oberfläche, bietet Überblick statt Tiefgang. Richtig brenna tuat's hier leider ned.
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